amen
... verschlüsselte namen wie Medrod,
Cei, Bedwyr, Peredur, Trystan, Llydau sohn des Cel Coed, Huabwy sohn des
Gwryon, Gweir sohn des Cadelin mit der silberbraue, Gweir sohn des ozeanfliegers,
Gweir mit der artifiziellen bravour, Gweir mit dem weißen eschenschaft,
die söhne des Llwch mit der windigen hand von jenseits der Tyrrhenischen
See, Lienlleawg der Irländer samt Cas dem erhabenen sohn des Saidi, Gwrfan
Wildhaar, Gwilenhin könig von Bro C'hall, Garselit
von Tipperary, Panawr, der immer vorne steht und nie zurückgeht, Atlendor
der atlantische sproß des Naf, Gwyn der zornmütige (landamman von Cornwall
und Domnonia), Gwydden der hirnverbrannte, Gruddiwyn der treue liliputaner,
Gwyawn der katzenäugige, Osla mit dem geschliffenen langmesser und viele
andere wie Rhonabwy und sein sonderbarer traum, und die dunkle amsel von
Cilgwri, und die gelbe seuche zu Llundain, und der letzte eremit von Rothéneuf,
und das monster von Folgoet, und die bäume von Huelgoat, und der friedhof
von Lanrivoare, und die steinernen brote und eier,
und die hirsche von Denbighshire, und die schlußfolgerungen des monsieur
Fenouillard, und die kirche Saint Maclou zu Rouen, und die taube auf dem
dach und der sperling im schnappsack, und ein wie und ein aber und ein
weil und ein weshalb und ein drum und ein dran, und weiters historische
personen wie H. P. Lovecraft
und Fantômas
mit dem zylinder, der unerschütterliche Gadudal, der privatdetektiv Pentycross
vom meer, Gwalchmei der dichter, Bix Beiderbecke der herr mit dem horn,
nicht zu vergessen die Marx Brothers, und Lovely
Helen Kane, und Karl Marx der fünfte, unbekanntere
der brüder, und Konrad Bayer der begeher
der schmalsten brücke dieser Welt, auch Draculas
schlagSchatten, sowie Urs Widmer als herr mit
seidenmaske vor dem bett der erwachenden contessa,
und Sieben mit der Post, fräulein Gwendolyn mit der zimmetblüte im blondhaar,
Philander der schäfer von Offenbach, held Rosei und sein salto
mortale, der ghoul der Via dell' Oca, die
beiden gentlemen of Schwaz, Lispeth mit der daumenschraube, ab und zu auch
Bonny und Glied, St. Thomas von Aquin,
die rue St. Malo, Goldilocks im Sagenwald, Sax Rohmers Feuerzunge,
Gaston Leroux' Phantom der Oper, Liliane im blaumann, die grüne giraffe
vom oued Oumm Guer, Obélix und Astérix, meine tochter
Griseldis, die gestade der seen von Cill Eirne,
der Hund von Baskerville, Notegens Drugstore, il Grande Calafatti und schließlich
Doktor Peterwardijn Unspeakable, das scheusal im inneren des fleisches.
- (
dru
)
Namen (2) »Gott heißt bei uns dewel, Bruder.«
»Das klingt ja wie Teufel.« »Freilich, Bruder,
freilich.« »Und wie heißt bei euch divinus, göttlich?« »Ach, da
sagen wir dewleskero.« »Mir fällt da etwas ein, Jasper.« »Was ist
dir eingefallen, Bruder?« »Wäre es nicht seltsam, wenn divinus und
teuflisch ursprünglich ein und dasselbe Wort gewesen wären?« »Freilich,
Bruder, freilich.« - Aus: George Borrow, Lavengro der Zigeuner-Gentleman
(Zürich 1987, zuerst 1851)
Namen (3) Das Namenssystem der Penan, die als Nomaden im Innern von Borneo leben, gestattet es, die Beziehung zwischen den Ausdrücken zu präzisieren, denen wir gern die Bezeichnung Eigennamen vorbehalten würden, und anderen, deren Natur auf den ersten Blick verschieden erscheinen könnte. Ein Penan kann je nach seinem Alter und seinen Familienverhältnissen durch drei Arten von Ausdrücken bezeichnet werden: durch einen Personennamen, durch ein Teknonym (»Vater eines sowieso«, »Mutter eines sowieso«) oder schließlich durch das, was man Nekronym zu nennen versucht ist: es bringt die Familienbeziehung eines verstorbenen Verwandten mit dem Subjekt zum Ausdruck (»Vater tot«, »Nichte tot« usw). Die westlichen Penan besitzen nicht weniger als 26 verschiedene Nekronyme, die dem Verwandtschaftsgrad, dem Alter des Verstorbenen, dem Geschlecht, der Geburtenfolge der Kinder bis zum neunten Kind entsprechen.
Die Regeln für die Verwendung dieser Namen sind von überraschender Komplexität. Sehr vereinfacht kann man sagen, daß ein Kind durch seinen Eigennamen bekannt ist, bis einer seiner Vorfahren stirbt. Wenn es sich um einen Großvater handelt, wird das Kind Tupou genannt. Wenn der Bruder seines Vaters stirbt, wird es Ilun und bleibt es solange, bis ein anderer Verwandter stirbt. Dann bekommt es einen neuen Namen. Bevor ein Penan heiratet und selbst Kinder hat, kann er auf diese Weise eine Reihe von 6, 7 oder mehr Nekronymen durchlaufen.
Bei der Geburt des ersten Kindes nehmen Vater und Mutter ein Teknonym an, das ihre Beziehung zu diesem namentlich bezeichneten Kind ausdrückt. So Tama Awing, Tinen Awing, »Vater (oder Mutter) von Awing«. Wenn das Kind stirbt, wird das Teknonym durch ein Nekronym ersetzt: »erstes-Kind-totgeboren«. Bei der nächsten Geburt verdrängt dann ein neues Teknonym das Nekronym usw.
Die Situation wird noch kompliziert durch die besonderen Regeln, die zwischen Geschwisterkindern gelten. Ein Kind wird mit seinem Namen gerufen, wenn alle seine Brüder und Schwestern am Leben sind. Stirbt eines von ihnen, so bekommt es ein Nekronym: »Älterer (oder jüngerer) Bruder tot«, aber nach der Geburt eines neuen Bruders oder einer Schwester wird das Nekronym aufgegeben, und das Kind nimmt wieder seinen alten Namen an.
In dieser Beschreibung ist noch manches unklar; man versteht nicht recht, wie die verschiedenen Regeln aufeinander einwirken, obwohl sie funktionell verbunden zu sein scheinen. Im großen und ganzen läßt sich das System durch drei Typen der Periodizität definieren:
gegenüber seinen Vorfahren geht ein Individuum von Nekronym zu Nekronym;
gegenüber seinen Geschwistern von Autonym (ein Begriff, mit dem sich in
einem solchen System die Eigennamen am besten bezeichnen lassen) zu Nekronym;
gegenüber seinen Kindern schließlich von Teknonym zu Nekronym. Aber welches
logische Verhältnis besteht zwischen den drei Typen von Namen? Und was
ist das logische Verhältnis zwischen den drei Typen der Periodizität? Teknonym
und Nekronym beziehen sich auf eine Verwandtschaftsbindung, es sind also
»Beziehungs«-Ausdrücke. Das Autonym hat diesen Charakter nicht und steht
in dieser Hinsicht im Gegensatz zu den beiden anderen Formen: es bestimmt
nur ein »Selbst« im Gegensatz zu anderen »Selbst«. Dieser (im Autonym implizierte)
Gegensatz zwischen dem Selbst und dem Anderen ermöglicht es jedoch, das
Teknonym vom Nekronym zu unterscheiden. Das erste, das einen Eigennamen
(der nicht der des Subjekts ist) einschließt, kann als Ausdruck einer Beziehung
zu einem anderen Selbst definiert werden. Das Nekronym, dem jeder Eigenname
fehlt, besteht aus dem Hinweis auf eine Verwandtschaftsbeziehung,
die die eines Anderen, nicht Genannten, zu einem gleichfalls nicht genannten
Selbst ist. Man kann sie als eine Fremd-Beziehung definieren. Schließlich
ist diese Beziehung negativ, da das Nekronym sie nur erwähnt, um sie als
abgeschafft zu verkünden. - Claude Lévi-Strauss, Das wilde Denken.
Frankfurt am Main 1973 (zuerst 1962)
Namen (4) Marschall Bassompiere war kein tüchtiger Arbeiter im Weinberg seiner Herrin. Einem Mann, der ihn fragte, wie viele Male er die Lanze einlege, wenn er es einmal ungewöhnlich gut machen wolle, antwortete er, er mache es einmal. Und im gewöhnlichen Fall keinmal. Einmal blieb sein - ihr versteht schon - klein. «Oh, noch in dieser Stunde», rief er, «schneide ich dich ab.» - «Holla», meinte die Dame, «vergebt ihm noch dieses eine Mal.» Er mochte hochgewachsene Frauen und sagte, ihm komme es vor, er umarme zwei Frauen, wenn er eine große umarme. Ich bin nicht seiner Meinung. Die Kleinen sind viel leidenschaftlicher und munterer. Mit fünfunddreißig aber müßten sie groß werden, um zum wenigsten ein angenehmes Äußeres zu bekommen und die Majestät, die ihnen abgeht, denn gewöhnlich werden sie rund wie Ferkel. Bei ihm, der meinte, er liebe «schöne Überreste», wundern mich solche Geschmäcker nicht.
Er war immer sehr höflich und sehr gefällig. Als einer seiner Lakaien einmal sah, wie eine Dame den Hof des Louvre überquerte, ohne daß jemand ihr die Schleppe trug, eilte er, sie aufzunehmen mit den Worten: «Noch ist nicht gesagt, daß ein Lakai des Herrn Marschalls von Bassompierre eine Dame in solcher Zwangslage lasse.» Diese Dame war die verstorbene Gräfin von La Suze; sie teilte es dem Marschall mit, der ihn auf der Stelle zu seinem Kammerdiener machte.
Es wäre zu wünschen, daß es an jedem Hof immer jemanden wie ihn gäbe: Er wahrte dort die Ehre, er empfing und unterhielt die Fremden. Ich sagte oft, er sei bei Hofe das gewesen, was Bel Accueil im «Rosenroman» ist. So kam es, daß man allerorten jemanden, der sich durch Freundlichkeit, Reinlichkeit und Eleganz auszeichnete, «Bassompierre» nannte. Eine Kurtisane nannte sich deswegen «die Bassompierre», eine andere wurde so genannt wegen ihrer guten Laune.
Ein Junge, der in den Savoyer Bergen Sänftenträger war, erhielt den Beinamen Bassompierre, weil er zwei Mädchen in Genf geschwängert hatte. Bei Gelegenheit dieses Beinamens Bassompierre: Er hatte einmal auf einem kleinen Nebenarm der Loire ein hübsches Abenteuer. Er reiste zur Zeit, als man Chalais enthauptete, nach Nantes; eine Bürgerin bat ihn um einen Platz in der Kajüte seines Flußbootes für sie und ihre Tochter; diese Bürgerin war auf dem Weg zum Hof, wo sie sich einen Gnadenerweis für ihren Sohn siegeln lassen wollte. Man reiste die ganze Nacht hindurch. In der Dunkelheit näherte er sich jenem Mädchen und war kurz davor, in das verbotene Gemach einzudringen, als ein Schiffer zu rufen begann: «Das Ruder herum, Bassompierre!» Das überrumpelte ihn, und ich glaube sogar, es setzte ihn außer Gefecht. Danach erfuhr er, daß man jenen am Steuerruder so nannte und man ihm diesen Namen gegeben hatte, weil er der hübscheste Schiffer der ganzen Loire war.
Eine berühmte Hurenwirtin sagte, daß «Herr von Guise vom besten Wuchs
war, Herr von Chevreuse vom schönsten Leibesumfang, Herr von Termes am
lebhaftesten und Herr von Bassompierre der Schönste und Spaßigste.» -
(
tal
)
Namen (5) Vergebens boten die Buchhandlungen in Stockholm und in Lund Runebergs Offenbarung feil. Die Ungläubigen erblickten in ihr a priori ein albernes, spitzfindiges theologisches Spiel; die Theologen verschmähten sie. Runeberg fühlte in dieser ökumenischen Gleichgültigkeit eine fast wunderbare Bestätigung. Gott gebot diese Gleichgültigkeit; Gott wollte nicht, daß Sein furchtbares Geheimnis auf Erden ruchbar werde. Runeberg begriff, daß die Stunde noch nicht gekommen war. Er fühlte, wie sich um sein Haupt uralte göttliche Verwünschungen zusammenzogen; er dachte an Elias und an Moses, die auf dem Berg ihr Gesicht verhüllten, um Gott nicht zu sehen; an Jesajas, der sich zu Boden warf, als seine Augen Ihn schauten, Dessen Ruhm die Erde erfüllt; an Saul, dessen Augen auf dem Weg nach Damaskus blind wurden; an den Rabbiner Simeon ben Azai, der das Paradies schaute und starb; an den berühmten Hexenmeister Johann von Viterbo, der wahnsinnig wurde, als er die Dreieinigkeit zu sehen vermochte; an die Midrashim, die voll Abscheu sind vor den Frevlern, die das Shem Hamephorash aussprechen, den Geheimen Namen Gottes. Hatte er sich vielleicht auch dieses dunklen Verbrechens schuldig geinacht? War dies etwa die Lästerung wider den Geist, die nicht vergeben wird (Matthäus 12:31)? Valerius Soranus starb, weil er den geheimen Namen Roms preisgegeben hatte; welche unendliche Strafe harrte seiner, da er den furchtbaren Namen Gottes entdeckt und preisgegeben hatte?
Trunken von Schlaflosigkeit und schwindelerregender Dialektik irrte Nils Runeberg durch die Straßen von Malmö, laut betend um die Gnade, mit dem Heiland die Hölle teilen zu dürfen.
Er starb am Bruch einer Pulsadergeschwulst, am 1. März 1912. Die Häretikerforschung
wird ihm vielleicht ein Gedenken bewahren; er hat dem anscheinend erschöpften
Begriff des Sohnes die Verstrickungen des Bösen
und des Unheils hinzugefügt. - (
bo3
)
Namen (6) Was für Namen — — Salomonssiegel und Aaronstab,
Kaiserkrone und Königskerze, Christusdorn und Himmelsschlüssel, die englischen
Leopards Bane und Foxglove! In welcher verschollenen und
tiefsinnigen Geschichte muß Salomon gesiegelt, der Fuchs Handschuh getragen
haben, um das Geheimnis einer Waldblume zu erklären, ist an und in der
schönen, so edel sich wiegenden gelben Sternblume des Bergwaldes, Doronicum,
der Pardel erstickt (Pardalianches), hat der Fang des Hundes sich
in der stillen alpenveilchenartigen Blume wilder Schatten, Erythronium,
einverleibt oder einverseelt? Es sind so wenig spielend erfundene Geschichten
gewesen, wie die von Adonis und Narziss. Es waren
Entdeckungen des Menschverwandten in der Blume,
— denn so und nicht »anthropomorphisch« müssen wir den seelischen Vorgang
nennen, von dem sie zeugen, Vorgänge tief verwickelt in die gesamte Humanitas,
die Einheit des Menschengeistes. - (
garten
)
Namen (7) was hat grillparzer schon so schlimmes
verbrochen daß er ein ganzes leben lang mit einer derart bedauerlichen
unterschrift herumlaufen mußte was trakl einer der bedeutendsten
oder der von mir sehr geschätzte löffelholz hin und wieder freilich
gibt es sternstunden wenn man wie ich das seltene glück hat eine arztenstafel
mit der legende dr ivo peitlschmidt facharzt für haut- und geschlechtskrankheiten
zu lesen oder vor dem krieg wo mein freund otto seine zahnärztliche lehre
bei einem dr bernhard reiß gemacht hat ganz abgesehen von einem wirt auf
dem aisergrund namens weinwurm und der karottenhändlerin antonia zumpf
in floridsdorf als ich in berlin am kurfürstendamm
wohnte da hieß mein hausmeister glawatschke in wien
hätte er hlawatschek geheißen ein dienstgradmäßig stimmiger name doderer
hätte seine freude daran gehabt übrigens doderer hätte es ihm nicht zugestanden
heimito von kreutzbruck zu heißen und wahrlich wahrlich ich sage euch eher
geht ein kamel durchs nadelöhr als ein ordentlicher name ins telefonbuch
- H. C. Artmann, Nachrichten aus Nord und Süd. München 1981 (dtv
6317, zuerst 1978)
Namen (8) Ich fühlte mich beschämt, weil wir in Corkadoragha keinen einzigen wahren Gaelen unter uns hatten. Sie zeichneten sich durch eine weitere Besonderheit aus, die uns, die wir das wahre Gaelentum eingebüßt hatten, abging: sie alle hatten weder Namen noch Zunamen, sondern sie empfingen Ehrentitel, die sie sich selbst bewilligt hatten und welche ihren Stil aus Himmel und Luft, Bauernhof und Sturmgebraus, Feld und Federvieh ableiteten. Da gab es einen massigen, dicken Mann mit langsamen Bewegungen, dessen Gesicht grau und welk war und der sich anscheinend nicht entscheiden konnte, an welcher von zwei tödlichen Krankheiten er sterben sollte; dieser nahm für sich den Titel Das Gaelische Gänseblümchen in Anspruch. Ein anderer armer Bursche, dessen Größe und Energie denen der Maus ähnelten, nannte sich Der Stämmige Stier. Außer diesen waren, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, noch die folgenden Herren anwesend:
Der Kater von Connacht
Das Kleine Braune
Huhn
Das Kühne Pferd
Der
Aufgeputzte Krähenhahn
Der Rennende Ritter
Röschen vom Hügel
Trauerkloß
MacMorna
Popeye der Seemann
Der Demütige
Bischof
Die Süße Amsel
Marys Spinnrad
Die Torfsode
Baboro
Mein
Freund Drumroosk
Das Ruder
Der Andere Käfer
Die Feldlerche
Das
Rotkehlchen
Das Gewagte Tänzchen
Der Säbelbeinige aus Ulster
Der
Schlanke Fuchs
Der Meerkater
Der Verästelte
Baum
Der Westwind
Der Abstinente
aus Munster
William der Seefahrer
Das Weiße Ei
Acht
Männer
Tim der Grobschmied
Der Kornblumenhahn
Der
Kleine Gerstenfeim
Der Dativ
Silber
Der Gesprenkelte
Der Kopfschmerz
Der
Lebhafte Bursch
Das Verfressene Kaninchen
Der Zylinderhut
John
von der Schlucht
Ihr Achtungsvoll Ergebener
Der Kleine Süße Kuß
- Flann O'Brien, Irischer Lebenslauf. Eine arge Geschichte vom
harten Leben. Herausgegeben von Myles na Gopaleen. Aus dem Irischen ins
Englische übertragen von Patrick C. Power. Aus dem Englischen ins Deutsche
übertragen von Harry Rowohlt. Frankfurt am Main 2003 (st 3503, zuerst 1941)
Namen (9) Wir lesen im dritten Kapitel des zweiten Buchs Mose, Exodus genannt, daß der Schafhirte Moses, Verfasser und Hauptfigur des Buches, Gott den Herrn nach Seinem Namen fragte, und daß Dieser sagte: Ich Bin Der Ich Bin.
Bevor wir diese geheimnisvollen Worte untersuchen, ist es vielleicht nicht müßig, daran zu erinnern, daß für das manische oder primitive Denken die Namen keine willkürlichen Symbole, sondern lebenswichtiger Teil dessen sind, was sie definieren So empfanden die Eingeborenen Australiens geheime Namen, die von den Angehörigen des Nachbarstammes nicht gehört werden dürfen.
Bei den alten Ägyptern herrschte ein ähnlicher Brauch; jede Person erhielt zwei Namen: den kleinen Namen, der allen bekannt war, und den eigentlichen großen Namen, den man verbarg. Der Bestattungsliteratur zufolge gibt es viele Gefahren, die nach dem Tod des Körpers die Seele bedrohen; den Namen vergessen (die persönliche Identität verlieren) ist wohl die größte. Auch ist es wichtig, die wahren Namen der Götter, der Dämonen und der Pforten des Jenseits zu kennen. Jacques Vandier schreibt: »Es genügt, den Namen einer Gottheit oder eines vergöttlichten Geschöpfs zu kennen, um es in seiner Gewalt zu haben« (La religion égyptienne, 1949). De Quincey erinnert daran, daß der wahre Name von Rom geheim war; in den letzten Tagen der Republik beging Quintus Valerius Soranus das Sakrileg, ihn zu enthüllen, und wurde hingerichtet...
Der Wilde verbirgt seinen Namen, damit dieser nicht magischen Praktiken unterworfen wird, die seinen Träger töten, in Wahnsinn stürzen oder versklaven können. In den Begriffen »Verleumdung« und »Beleidigung« lebt dieser Aberglaube oder ein Schatten von ihm fort; wir dulden nicht, daß sich an den Klang unseres Namens gewisse Worte knüpfen. Mauthner hat diese Denkgewohnheit analysiert und gerügt.
Moses fragt den Herrn, wie Sein Name sei; es handelte sich dabei nicht,
wie wir gesehen haben, um eine Neugier philologischer Art, sondern darum,
festzustellen, wer oder, genauer, was Gott sei. (Im 9. Jahrhundert schrieb
Eriugena, daß Gott nicht weiß, wer er ist noch was er ist, weil
er kein Wer und kein Was ist.) Welche Deutungen hat die gewaltige Antwort
ausgelöst, die Moses hörte? Der christlichen Theologie zufolge bedeutet
Ich Bin Der Ich Bin, daß allein Gott wirklich existiert oder, wie
der Maggid von Mesritch lehrte, daß das Wort Ich
allein von Gott ausgesprochen werden kann. - (
bo2
)
Namen (10) Der Heide sprach: »Ich nenne die,
die mich mit Rittern auf diesem Zug begleiten
müssen. Es sind: Der König Papirîs von Trogodjente und der Graf Behantîns
von Kalomidente, der Herzog Farjelastis von Affricke und der König Liddamus
von Agrippe, der König Tridanz von Tinodonte und der König Amaspartîns
von Schipeljonte, der Herzog Lippidîns von Agremuntîn und der König Milôn
von Nomadjentesîn, von Assigarzîonte der Graf Gabarîns und von Rivigitas
der König Translapîns, von Hiberborticôn der Graf Filones und von Centriun
der König Killicrates, der Graf Lysander von Ipopotidcôn und der Herzog
Tiride von Elixodjôn, von Orastegentesîn der König Thôarîs und von Satarchjonte
der Herzog Alamîs, der König Amincas von Sotofeititôn und der Herzog von
Duscontemedôn, von Arabien der König Zarôaster und der Grat Possizonjus
von Thilêr, der Herzog Sennes von Narjoclîn und der Graf Edissôn von Lanzesardîn,
von Janfûse der Graf Fristines und von Atropfagente der Herzog Meiones,
von Nourjente der Herzog Archeinor und von Panfatis der Graf Astor, die
von Azagouc und Zazamanc und von Gampfassâsche der König Jetakranc, der
Graf Jurâns von Blemunzîn und der Herzog Affinamus von Amantasîn.
- Wolfram von Eschenbach, Parzival. Frankfurt am Main 1993 (zuerst
ca. 1200, Übs. Peter Knecht. Die Andere Bibliothek 100)
Namen (11)
In Wirklichkeit schläfst du. Du träumst nur,
daß du wach
bist.
Terranische Archive, 2803:
New York war ein Stadtstaat oder eine Insel im Mittelwesten
von Unistat. Es scheint ein Zentrum religiöser Verehrung gewesen zu sein; viele
kamen hierher und wanderten, vermutlich in tiefe Meditation versunken, in einer
riesigen weiblichen Statue herum, wahrscheinlich eine
Göttin dieser Primitiven. Viele Sachverständige identifizierten
diese Gottheit als Columbia, Marilyn Monroe, Liberty oder Motherfucker - alles
Namen, die in den Schriften von Unistat häufig vorkommen. Ihr wahrer Name wird
vielleicht niemals bekanntwerden. - Robert Anton Wilson, Schrödingers
Katze - Das Universum nebenan. Reinbek bei Hamburg 1987 (zuerst 1979)
Namen (12) Angeklagt war einer aus Mazara del Vallo, Sohn eines gewalttätigen und habgierigen Bürgers, der sich unter dem Schutz der Inquisition die Zeit damit vertrieb, die jungen Mädchen Bescheidenheit zu lehren und einigen Ehemännern oder Vätern den Rücken zu streicheln, wie Manzoni sagen würde. Der Prozeß fand 1556 statt, und gewiß war es für den Untersuchungsrichter sehr schwierig, die »unbedarften kleinen Leute« zu Zeugenaussagen gegen einen gewalttätigen Mann und seine ebenso gewalttätige Familie zu bewegen, denen einerseits die Angst und andererseits die heilige Inquisition de facto und de iure fast vollständige Immunität sicherten.
Doch abgesehen von den Fakten, die zu berichten zu lange dauern würde, fallen
bei den Zeugenaussagen über die nächtlichen Heldentaten dieses schäbigen und
vielleicht manischen Dorf-Don Giovanni die Namen der Frauen auf und beschäftigen
die Phantasie: Violante, Xuri (Blume), Fiorella, Contissa, Gratiosa, Margarita
(was noch nicht wie heute die fade Blume meinte, sondern Perle bedeutete). Ich
bekomme Lust, auch in anderen Schriften aus diesen und noch früheren Zeiten
nach weiteren Namen zu suchen, und ich finde: Allegranza, Cara, Diamantes, Granata,
Letitia, Luna, Millefiori, Palma, Perla (nochmals Perle), Ricca, Fiorina, Fiordivilla,
Filigrana... Nur zweimal Maria, dafür Hunderte von heiteren, phantasievollen,
glückbringenden Namen, die die Farben des Frühlings, den Glanz der Sterne und
Edelsteine, Schmuck und Juwelen aufschimmern lassen. Nur ein »schwerer« Name
ist darunter: Pacienzia, die Geduld; schwer zu tragen, aber noch erträglich.
Nicht unerträglich wie die Helligkeit, der Schmerz, das Kreuz oder die Kreuzigung,
die den Frauen im darauffolgenden Jahrhundert durch ihre Namen (und vielleicht
nicht nur durch die Namen) auferlegt wurden. Wie kommt es, daß Perla, Filigrana,
Luna, Palma, Letitia so schmerzlichen und traurigen Namen wie Santa, Addolorata,
Croce, Crocefissa gewichen sind? -
(scia)
Namen (13)
von links nach rechts
in die szenerie kommend:
tanaquil de lammerfors
nunckelprast paschah
der emir wittelspliss
wenceslao weibelfrost
selim eichelsieb
almansur bubenzwirn
velvet
von aschenvau
springor tausendgult
ellismere wasserfogel
noureddin
archenzohr
dandelys de taillelor
bülbül lautenschwuhr
brautel windsbraut
mauritzia brandschatz
graf vlinckxhändel
rautundeles lüster
belshazzar
mordl
alpestris jausenist
ddr. könig magenborn
lockschrei imperator
vinveli flagurnerin
weinsam zweenholtz
edelmira honingtarm
maguntz
atheletes
runtelzirg handleser
lohnn r. herzenprecht
rosenhard schlüsselbirg
ursaw von glonnensaltz
candide le circenstruth
sfinks von argensteiss
bailltemourus ornaminct
lhodewyk ter tierenvind
malcon sungalc excelsior
musik:
-
(
artm
)
Namen (14)
Die 72 Namen Jahwes in der Figur einer Sonnenblume, nach
jüdischer Mystik:
»In 72 Lichtern erhebt sich die Krone aller Heerscharen«
(Sohar).
Diagramm aus Athanasius Kircher, Oedipus Aegyptiacus, Rom 1652
- (
zahl
)
Namen (15)
Namen (16) Mit bleichen Lippen hauchte Isabelle de Guerray unhörbar - und sie klapperte dabei mit den Zähnen - den unheilvollen, blutbeladenen Namen, der überall tödliches Entsetzen auslöste, den Namen jenes Mannes, den sie nunmehr zu erkennen glaubte, ja schon erkannt hatte ... Fantômas!
Jetzt bestand für sie kein Zweifel mehr!
Fantômas war es, den sie vor sich hatte, Fantômas, jener berüchtigte grauenerregende Unhold, der schon seit vielen Jahren selbst unerschrockene Frauen nicht schlafen gehen liess, ohne einen Blick unters Bett zu werfen - und es gab keinen noch so kühnen Mann, der nicht, wenn er durch eine menschenleere Gegend kam, ein Zusammentreffen mit diesem mörderischen Banditen befürchtete ...
Ja es war Fantômas, den sie vor sich hatte, und die Unglückliche war nicht
minder von panischem Schrecken erfüllt als alle andern,
die Fantômas zu Gesicht bekamen! - Pierre Souvestre & Marcel Allain, Fantômas: Mord in Monte Carlo. Berlin 1986 (zuerst
1911)
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