maus «Es sind aber die Mäuse vielerlei Arten», schreibt der Kompilator Jacob Daniel Ernst (1640-1707) 1702 in seiner Neuen historischen (das heißt: Geschichten erzählenden) Schaubühne: «Man findet Haus-Mäuse, Feld-Mäuse, Ratten oder Ratt-Mäuse, Wasser-Mäuse, Wald-Mäuse, Hasel-Mäuse, Spitz-Mäuse, bunte Mäuse und Ziß-Mäuse; deren eigentlichen Unterschied zu untersuchen wollen wir den Natur-Kundigeren überlassen; unser Vorhaben ist anjetzo, einen ziemlichen Vorrat von denkwürdigen Mäuse-Geschichten beizubringen.» Ernst hat recht: Über die Maus (Mus), eine der wichtigsten Vertreterinnen der Ordnung der Nagetiere (Rodentia) und die bedeutendste in der Familie der Maustiere (Muridae), gibt es unendlich viel Überraschendes und Spaßiges zu erzählen. Soviel sei aber doch noch aus der Naturkunde hinzugefügt: Die Maus ist ein hübsches, flinkes, kluges, sorgliches Tierlein; es gibt keinen Grund, vor ihr Angst zu haben.  -  (schen) 

Maus (2) Bettnässen oder allgemeine Harninkontinenz laßt sich durch den Verzehr von Mäusen auf Toast bekämpfen, wobei die Mäuse mit Haut und Haar gegessen werden müssen.

"Eyn gebalgt Maus oder zerstampfet und in eym Zug getrunken, hülfet allen, wo nicht ihr Wasser kunnen halten oder bewahrn: zumalen, wenn es drei Tag lang dieserarten genossen. Das seyn wahrhaftig und vielmalen bewähret".- Aus: 1579 Lupton Tausend Merkwürdigkeiten 1/40 - (wesch)

Maus (3) Sie hörte, wie etwas in einiger Entfernung im Teich spritzte, und schwamm näher, um zu sehen, was es war: sie hielt es zuerst für ein Walroß oder ein Nilpferd, aber dann fiel ihr ein, wie klein sie selbst geworden war, und es wurde ihr klar, daß es sich dabei nur um eine Maus handelte, die wie sie ins Wasser gefallen war.

»Könnte es wohl einen Sinn haben«, dachte Alice, »diese Maus anzureden? Hier unten ist alles so ungewöhnlich, daß sie sehr wahrscheinlich sprechen kann; jedenfalls kann ein Versuch nicht schaden.« Sie begann also: »O Maus, weißt du, wie man aus diesem Teich herauskommt? Denn ich bin es leid, hier herumzuschwimmen, o Maus!« (Alice hielt es für das schicklichste, eine Maus so anzureden: sie hatte zwar noch nie Gelegenheit dazu gehabt, erinnerte sich aber an die lateinische Grammatik ihres Bruders, in der zu lesen war: ›Eine Maus — einer Maus — einer Maus — eine Maus — o Maus.‹) Die Maus sah sie etwas fragend an und schien mit einem Äuglein zu zwinkern, sagte aber nichts.

»Vielleicht versteht sie kein Deutsch«, dachte Alice; »ich könnte mir denken, sie ist eine französische Maus und mit Napoleon herübergekommen. « (Denn Alice war zwar sehr gut in Geschichte, hatte aber doch nur recht ungefähre Vorstellungen davon, wie lange etwas zurücklag.) So begann sie also diesmal: »Où est ma chatte ? «, denn das war der erste Satz in ihrem Französischbuch. Mit einem Satz sprang die Maus hoch aus dem Wasser und begann vor Schreck am ganzen Leib zu zittern. »Ach, bitte verzeih!« rief Alice schnell, aus Furcht, sie könnte das arme Tier gekränkt haben. »Ich hatte nicht daran gedacht, daß du Katzen nicht magst.«

»Nicht magst!« rief die Maus mit schriller, leidenschaftlicher Stimme. »Würdest du an meiner Stelle vielleicht Katzen mögen?«

»Nun, das vielleicht nicht«, sagte Alice einlenkend, »sei mir nicht böse deswegen. Und doch, ich wollte, ich könnte dir unsere Katze Suse zeigen; ich glaube, du würdest dir auch bald etwas aus Katzen machen, wenn du sie nur sehen könntest. Sie ist ein so liebes, ruhiges Tier«, fuhr Alice halb zu sich selbst gewandt fort und schwamm dabei müßig im Teich hin und her, »und wenn sie so dasitzt am Ofen und schnurrt und sich die Pfoten leckt und das Köpfchen wäscht — so etwas Nettes, Weiches zum Streicheln — und so eifrig im Mäusefangen — ach, bitte verzeih! rief sie wiederum, denn diesmal hatten sich der Maus alle Haare gesträubt, und Alice war überzeugt, daß sie nun endgültig beleidigt war. »Wir wollen nicht mehr über Katzen reden, wenn dir das lieber ist.«

»Was soll das heißen: ›Wir‹!« rief die Maus, bis in die Schwanzspitze erhebend. »Als ob ich jemals von etwas Derartigem sprechen würde! Katzen hat man in unserer Familie seit jeher verabscheut: garstige, niedrige, ekelhafte Geschöpfe! Daß du mir ja nicht noch einmal damit kommst!« - Lewis Carroll, Alice im Wunderland (Insel-Bücherei 896, zuerst 1865)

Maus (3) Da kommt der Spohr und sagt, daß er eine lebende Maus im Trinkbecher hat. Der Becher ist auf einer Kiste gelegen, mit einem Rest von gelöstem Zucker im Hintergrund, und da hat die Maus sich hineinbegeben. Der Spohr hat auf einmal bemerkt, daß sich etwas aus dem Becher ringelt wie ein Regenwurm, hat schnell begriffen, daß es ein Mäuseschwanz sein kann, ist hingeschlichen und hat die Hand davorgedeckt.

Nun steht er da und lacht gekitzelt, wenn die Maus auswegsuchend mit dem Schnäuzchen an seine Finger stößt. Kameraden kommen heran, kaum aus echter Neugier, eher aus Langerweile. Mäuse gibt's hier so viele wie Sand am Meer, man beachtet sie gar nicht, man sorgt höchstens dafür, daß sie nicht ins Essen geraten und nicht in den Kaffee fallen. Aber diese Maus im Becher kann vielleicht einen kleinen Zeitvertreib abgeben.

»Im Hof droben steht eine große Pfütze. Da könnt man sie hineinspringen lassen«, schlägt einer vor.

»Damit sie ein Bad nimmt«, ergänzt jemand.

Sie sind schon unterwegs, doch ohne rechten Antrieb. Aber immerhin ist es besser als gar nichts. Einer hinter dem anderen bücken sie sich durch den Schacht nach oben: grau, wüst, verwirrt und verblödet von dem grauenhaften Gesicht des Krieges, in das sie fortwährend starren, ohne es recht mehr zu sehen.

Oben tritt der Spohr an die Pfütze, die schon fast ein Tümpel ist, streckt den Becher hoch von sich und nimmt die Hand weg. Heraus springt die Maus und im Bogen ins Wasser, daß es aufspritzt über ihrem kleinen Leib. Das sieht komisch aus, und die Leute lachen. Aber nun wird es ein wenig ernst, denn die Maus beginnt zu schwimmen, und sie schwimmt erstaunlich flink, sie fächelt so dahin und wird bald das Ufer erreicht haben: Bezwingerin der Fluten.

Natürlich strebt sie weg von den Menschen, die gegenüberliegende Seite sucht sie zu gewinnen. Das muß verhindert werden; zu früh war es aus, das Spiel. Zwei Leute sind schon hinübergelaufen, und als sie landen will, wird sie zurückgescheucht. Sie kehrt um und rudert abermals hinaus auf hohe See, dort schlägt sie einen Haken und nimmt eine ganz neue Richtung.

Aber auch das nützt ihr nichts. Sie ist umstellt; wo immer sie aufs Trockene will, von dort wird sie vertrieben. Man sieht ihrer steigenden Hast an, daß sie erkennt: es geht ums Leben. Und auch die Soldaten begreifen, daß jene es begriffen hat. Vielleicht haben sie zuerst gar nicht daran gedacht, sie dem Tode zu überliefern — jetzt wollen sie es. Da sie die Auflehnung des Geschöpfes sehen, wollen sie es. Sie lachen nicht mehr, sie sind gespannt, wortkarg und fast ernst. In kurzen Rufen machen sie einander aufmerksam, was zu tun ist, um die Verzweifelnde nicht entwischen zu lassen — sie, die zudringlicher wird. Man kann sie nur noch dadurch im Wasser halten, daß man ihr Steine und Zweige entgegenwirft — für sie sind es Felsblöcke und Baumstämme.

Sie pritschelt mit tiefersinkendem Kopf in der Mitte der Lache ermattend in der Runde.  - Alexander Moritz Frey, Pflasterkästen. Ein Feldsanitätsroman. Leipzig und Weimar 1984 (zuerst 1929)

Maus (5) Zu den Tieren mit sehr großer Sehergabe gehören auch die Mäuse. Denn wenn ein Haus alt geworden ist und einzustürzen droht, bemerken sie es als erste. Sie kommen aus ihren Mauselöchern, ihren bisherigen Wohnungen, hervor und laufen so schnell sie können davon und suchen sich ein neues Heim. - (ael)

Maus (6) Aristoteles sagt, wenn eine Maus Wasser trinkt, so stirbt sie, denn sie ist von sehr feuchter Natur. Mäusekot entspannt den Leib gar sehr, deshalb trinken ihn die Wüstlinge mit Wein oder Wasser als Arznei. Plinius sagt, daß keine Maus im Land Libyen trinkt und das mag vielleicht bei allen Mäusen so sein.

Wenn die Maus viel Käse an einem Ort findet, so probiert sie von allem und der, der ihr am besten schmeckt, den frißt sie. Die Mäuse lärmen, wenn Vollmond ist, in der Zeit dazwischen sind sie stumm.  - (meg)

Maus (7)

- Apollonia Saintclair

Maus (8) Die Mäuse, welche mein Haus heimsuchten, waren nicht die gewöhnlichen, welche in das Land eingeführt worden sein sollen, sondern eine wilde, eingeborene Art, welche sich nicht im Dorfe findet. Ich schickte an einen hervorragenden Naturforscher ein Exemplar derselben, das ihn sehr interessierte. Während ich am Bauen war, machte eine davon ihr Nest unter das Haus, und ehe der zweite Boden gelegt und die Späne hinausgekehrt wurden, kam sie regelmäßig zum Frühstück heraus und fraß die Krumen zu meinen Füßen auf. Sie hatte wahrscheinlich nie vorher einen Menschen gesehen; bald war sie ganz zahm und lief über die Schuhe und an den Kleidern in die Höhe. Sie konnte leicht in kleinen Absätzen an den Zimmerwänden hinauflaufen, gleich einem Eichhörnchen, dem sie in den Bewegungen ähnelte. Schließlich, als ich eines Tages mit meinem Ellbogen auf die Bank gelehnt dasaß, lief sie an meinen Kleidern in die Höhe, den Ärmel entlang und immer rund um das Papier herum, das mein Mittagessen enthielt, während ich letzteres festhielt, sie damit neckte und Verstecken damit spielte; als ich zuletzt ein Stückchen Käse zwischen Zeigefinger und Daumen hielt, kam sie, nagte daran, während sie in meiner Hand saß, wischte sich dann gleich einer Fliege Schnäuzchen und Pfötchen ab und spazierte davon. - Henry David Thoreau, Walden oder Leben in den Wäldern. Zürich 1979 (zuerst 1854)

Maus (7)  Eine Maus kann Gedanken fressen, die nie wieder kommen; sie kann die Ewigkeit bestehlen.  - (idg)


Tiere, reale Skatsprache Arzneimittel

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