ammerdiener    In einem Turm über dem Bosporus nahm man uns auf, wo sich unser Herr bereits eingerichtet hatte mit seinen Säbeln, Kamelsätteln, Teppichen und wie Kirchen großen Schränken, mit darbenden Augen, von der Farbe nassen Sandes. Er befahl, in diesem Turm der heiligen Angelina, der Despotin und Urahnin seines Onkels, Graf Georgijes, wie der seinen, auf dem Vaterunser ein Gotteshaus zu errichten; zum Kammerdiener aber bestellte er einen gewissen Anatolier, der seinen Zopf als Peitsche benutzte und in die Spitze seines Zopfes Schrot einflocht. Dieser neue Diener nannte sich Jusuf Masudi, er unterrichtete unseren Herrn Avram im Arabischen und wachte über seine Träume. Er führte eine Art Hafersack mit sich, angefüllt mit beschriebenem Papier, und man sagte von ihm, daß er ein Traumleser oder Jäger auf Schatten sei, wie auch immer man diejenigen nennt, die sich untereinander mit den menschlichen Träumen herumschlagen. Nikon und ich verbrachten das ganze erste Jahr damit, die Bücher und Handschriften unseres Herrn in Regale und Schränke einzuordnen; sie stanken noch nach den Kamelen und Pferden, die sie aus Wien hierhergebracht hatten.   - (pav)

Kammerdiener (2)  Als er mit äußerster Konzentration bemüht war, nicht zu lauschen, sondern seine Aufmerksamkeit einzig dem Schrank zuzuwenden und der Tür keinen Blick zu gönnen, mußte sich diese leise geöffnet haben. Sie mußte geöffnet und geräuschlos geschlossen worden sein. Denn ein recht gut aussehender junger Mann, offenbar im gleichen Alter mit Jimmie, stand nun im Zimmer. Fast, als ob er sich eingeschlichen hätte. Nun sind wohlerzogene Domestiken ja gewohnt, sich mit geziemender Diskretion zu bewegen. Und die angedeutete, gleichsam Verzeihung heischende Verneigung - - wie vertraut war Jimmie doch diese Haltung des jungen Mannes, der so allein dastand in seinem schwarzen Anzug, beleuchtet vom flackernden Kerzenschein. Und für eine ganze lange Minute vermochte der Insasse des arabischen Betts keinen klaren Gedanken zu fassen. Wenn der gesamte Ausdruck nur mehr in den Augen liegt, nur mehr ein einziges intensives Schauen ist, dann entsteht eine Art geistiges Vakuum. Und Jimmies hastig hervorgestoßenes, impulsives »Wer zum Teufel...« blieb unhörbar.

Im Lauf der nächsten paar Tage sollte Jimmie (wenigstens in der Erinnerung) mit dem Anblick dieses neuen jungen Butlers oder Kammerdieners vertraut werden. Aber der erste Eindruck ist gewöhnlich der stärkste. Die dunklen, blaugrauen Augen, die vorspringende Nase, das kaum merkliche Lächeln, die etwas gebeugten Schultern - kein Zweifel, da war doch eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm selbst! Nicht, daß Jimmie von sich aus jemals solch eine ehrerbietige und ehrbare Figur hätte sein können. Und erst jenes Lächeln! - Der Kerl schien über tausend dubiose, längst begrabne Geheimnisse nachzusinnen, Geheimnisse einer Art, die aufzustören oder zu teilen man sich scheut.

Das Gesicht auf den Kissen zur Seite gewandt, hatte Jimmie wie hinter Glas beharrlich auf den Fremden geblickt, der da auf das Glockenzeichen gekommen war, und der andre war diesem Blick mit kalten, glitzernden Augen begegnet. - Walter de la Mare, Aus der Tiefe. In: W. M., Aus der Tiefe. Frankfurt am Main 1984 (st 982, zuerst 1923)

 

Diener

 

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