Professor  Falschdenker, Unwissenschaftler, Bekenner eines gelehrten Berufes, höchstgebildeter Staatssklave, schmarotzender Gewaltgewerbler, Kulissenschieber, Wortklauber, Wortglauber, Wortzauberer, Satzschieber, Sprachzerkauer, Gedankendurcheinandermanscher, Sprechdreckmacher, Volksbeschwafler, Wahrheitssperrer, Quasselmeier, Fremdwortbändiger, Unforscher (s. Philosophie, Titel). - (se)

Professor (2) Ein lustig aussehender, fetter kleiner Mann in einem geblümten Morgenrock, der unter jedem Arm ein großes Buch trug, kam von der anderen Seite des Raumes angetrottet und ging stracks vorüber, ohne den Kindern auch nur die mindeste Beachtung zu  schenken. »Ich suche Band drei«, sagte er. »Haben Sie ihn zufällig gesehen?«

»Sie haben meine Kinder nicht gesehen, Professor!« rief der Gouverneur, griff ihn bei den Schultern und drehte ihn herum, so daß er ihnen das Gesicht zuwandte.

Der Professor lachte heftig: dann starrte er sie ein, zwei Minuten durch seine großen Brillengläser schweigend an. Schließlich wandte er sich an Bruno. »Du hast hoffentlich eine gute Nacht gehabt, mein Kind?«

Bruno schaute verblüfft drein. »Ich hab dieselbe Nacht gehabt wie du«, antwortete er. »Seit gestern hat es nur eine Nacht gegeben!«

 Nun war der Professor verblüfft. Er setzte die Brille ab und rieb sie mit seinem Taschentuch. Dann starrte er die Kinder abermals an. Darauf wandte er sich dem Gouverneur zu.» Sind sie angeleimt?« erkundigte er sich.

»Nein, sinn wir nich«, sagte Bruno, der sich durchaus für qualifiziert hielt, diese Frage zu beantworten.

Der Professor schüttelte traurig den Kopf. »Nicht mal in Halbleinen?«

»Warum solln wir halb in Leinen gehn?« sagte Bruno. »Wir iss doch kein Bettler!«

Aber der Professor hatte sie inzwischen ganz vergessen und sprach weiter mit dem Gouverneur. »Das wird Sie freuen zu hören«, sagte er, »die Barometersäule ist dabei, sich zu bewegen — «

»Schön, und in welche Richtung?« fragte der Gouverneur — und er fügte, zu den Kindern gewandt, hinzu, »Nicht, daß es mich sonderlich interessiert. Nur er glaubt nunmal, das beeinflusse das Wetter. Er ist nämlich ein enorm gescheiter Mann. Manchmal sagt er Sachen, die nur der Andere Professor versteht. Dann wieder sagt er etwas, das keiner verstehen kann. Wohin bewegt es sich, Professor? Auf oder ab?«

»Weder noch!« sagte der Professor und klatschte die Hände sacht zusammen. »Es geht seitwärts, wenn ich mich so ausdrücken darf.«

»Und welches Wetter hat das zur Folge?« fragte der Gouverneur. »Hört zu, Kinder! Nun könnt ihr etwas Wissenswertes erfahren!«

»Horizontales Wetter«, sagte der Professor, stürzte stracks auf die Türe zu und stolperte beinahe über Bruno, der gerade noch aus dem Weg hasten konnte.

»Ist er nicht gelehrt?« sagte der Gouverneur und sah ihm mit bewundernden Blicken nach. »Er läuft vor Gelehrtheit tatsächlich über!«

»Aber er brauch nich über mir zu laufen!« protestierte Bruno. Der Professor war gleich wieder zurück: er hatte seinen Morgenmantel gegen einen Gehrock getauscht und ein paar seltsam anmutende Stiefel angezogen, deren Stulpen aus aufgespannten Regenschirmen bestanden. »Ich habe mir gedacht, das würde Sie interessieren«, sagte er. »Das sind die Stiefel für horizontales Wetter!«

»Aber was haben die Schirme an den Knien für einen Sinn

»Bei normalem Regen wären sie nicht besonders sinnvoll«, gestand der Professor ein. »Aber wenn es jemals horizontal regnen sollte, verstehen Sie, dann wären sie unbezahlbar — einfach unbezahlbar!« - Lewis Carroll, Sylvie & Bruno. München 1986 (Goldmann 8552, zuerst 1889)

Professor (3) Die Vermißten-Abteilung der Polizei von Arkham beauftragte einen jungen Detektiv mit dem Fall Marsh. Dieser Detektiv hatte sich dadurch hervorgetan, daß er das Verschwinden mehrerer Kinder auf einen besonders abscheulichen Satanskult zurückführen konnte, der seit den Hexenverfolgungen des Jahres 1692 in Arkham wütete. Der erste Schritt seiner Untersuchungen bestand darin, daß er das Manuskript studierte, an dem der alte Marsh nach Abschluß von «Atlantis und seine Götter» gearbeitet hatte. Es schien sich dabei um einen kürzeren Essay für eine anthropologische Zeitschrift zu handeln und war in Tenor und Konzeption ziemlich konservativ, als bedaure der Professor die Direktheit seiner vorangegangenen Veröffentlichung. Einzig eine Fußnote, die in zurückhaltender Form die Theorie Urqhuarts bekräftigte, Wales sei von Überlebenden des verschwundenen Kontinents Mu besiedelt worden, zeugte von seinen bizarren Ansichten über Atlantis. Die letzte Seite stand jedoch in keinerlei Zusammenhang mit jenem Artikel und schien aus Notizen für einen Text zu bestehen, den der Professor unverfroren und unter völliger Mißachtung akademischer Maßstäbe als Beitrag für ein Science-fiction-Magazin vorgesehen hatte. Der Detektiv rätselte lange Zeit an jenen Notizen herum:

Der übliche Schwindel: Präsentierung von Fiktion als Tatsache. Diese Faischmeldung als Gegensatz dazu: Tatsache, präsentiert als Fiktion.

Huysmans‘ La-Bas fing damit an, wandelt den Satanisten in einen Helden.

Machen 1880 in Paris, trifft mit Huysmans‘ Kreis zusammen.

Im gleichen Jahr: Bierce und Chambers erwähnen den See Hali und Carcosa. Vorgeblich Zufall.

Crowley gewinnt Anhänger für seinen okkulten Zirkel nach 1900.

Bierce verschwindet 1913.

Lovecraft führt Hali, dols, Akho, Cthulhu nach 1923 ein. Lovecraft stirbt unerwartet 1937.

Seabrook behandelt Crowley, Machen usw. in seinem « Witchcraft», 1940.

Seabrooks «Selbstmord», 1942.

Besonders hervorzuheben: Bierce beschreibt Oedipuskomplex in «Death of Halpin Frazer [sic!]», VOR Freud, und Relativität in «Inhabitant of Carcosa», VOR Einstein. Lovecrafts zweifelhafte Beschreibungen von Azathoth als «blinden Idiotengott», «Dämonen-Sultan» und «nukleares Chaos» circa 1930: fünfzehn Jahre vor Hiroshima.

Direkte Bezugnahme auf Drogen in Chambers‘ «King in Yellow», Machens «White Powder», Lovecrafts «Beyond the Wall of Sleep» und «Mountains of Madness».

Die Gelüste der Lloigor oder der Alten in Bierces «Damned Thing». Machens «Black Stone», Lovecraft (immerzu).

Atlantis als Thule in deutscher und panamesischer Volkskunst und, natürlich, «Zufall» wieder als akzeptierte Erklärung. Einleitungssatz: «Je häufiger man das Wort ‹Zufall› benutzt, um bizarre Begebenheiten zu beschreiben, desto offensichtlicher wird es, daß man die wahre Erklärung nicht sucht, sondern vermeidet.» Oder kürzer: «Der Glaube an Zufälle ist der vorherrschende Aberglaube des Wissenschaftszeitalters.» - (ill1)

Professor (4) Der berühmte Professor Magendie erlaubte sich solche Scheußlichkeiten gegen die unglücklichen Opferthiere, daß ich ihn meinerseits allen Ernstes zu den ruchlosesten Sündern zählen muß, die je auf Erden gelebt haben. So nagelte er z. B. ein feines nervöses Wachtelhündchen, das er in der Auction erstanden hatte, mit seinen vier Pfoten und seinen langen seidenweichen Ohren auf den Tisch, wohlbemerkt, ohne es zu narkotisieren, um so seinen Schülern in bequemerer und ungestörterer Weise das Durchschneiden der Augennerven, das Aufsägen des Hirnschädels, das Zerschneiden des Rückgrates und das Bloßlegen der verschiedenen Nervenbündel demonstrieren zu können. Und dann hob er das arme, immer noch lebende Thierchen für die Versuche des nächsten Tages auf! - Ernst von Weber, Die Folterkammern der Wissenschaft. Eine Sammlung von Tatsachen für das Laien-Publikum. Aus: Dolf Sternberger, Panorama oder Ansichten vom 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1974 (st 179, zuerst 1938)

Professor (5) Man teilt uns mit, es sei ja »hinreichend bekannt, daß Porson seinem Äußeren keinerlei besondere Aufmerksamkeit schenkte«. Mir scheint im Gegenteil, daß sein Äußeres höchst bemerkenswert war; und ein Autor des ›Monthly Magazine‹ war ganz verblüfft von dieser Erscheinung mit dem braunen Papierfetzen auf der Nase und dem abgetragenen Mantel voller Spinnweben«; während ein anderer Freund, der ihn im Jahre 1807 traf, »ganz betroffen von seinem feurigen, ja vulkanischen Antlitz war, und von seiner Nase, die immer mit einem Ausschlag bedeckt und voller schwarzer Flecken war; sein Anzug war schäbig, sein Hemd schmutzig«.

Hingegen in seinen früheren Jahren - gab es jemand Stattlicheren als den Professor, jemand, der aufmerksamer gegenüber dem schönen Geschlecht war? Es geht das Gerücht, daß er einmal eine junge Dame mit den Zähnen ergriffen und durch das Zimmer getragen habe. Aber das war vor dem Dinner, und danach gab sich der Professor zwar gleichermaßen mannhaft, aber doch weniger weltmännisch. Mr.Timbs berichtet, daß, während er in Cambridge war, »seine Leidenschaft für das Rauchen, die damals in der jüngeren Generation gerade nachließ, seine gewaltige und wahllose Trinkerei und der gelegentliche Gebrauch des Schürhakens gegen einen besonders hartnäckigen Gesprächspartner dazu geführt hätten, daß alle seine Gesellschaft mieden, bis auf die wenigen, die seinen Witz und seine Gelehrsamkeit unwiderstehlich fanden«. Offensichtlich erschienen die fraglichen Talente den anderen Mitgliedern des College nicht immer unwiderstehlich, denn wenn der Gebrauch des Schürhakens unmittelbar bevorstand, schlichen sie sich aus dem Zimmer und ließen den Professor, der außer einer Rauchwolke, die unausgesetzt aus ihm hervorquoll, kein Lebenszeichen von sich gab, am Tisch sitzend allein zurück. Die Diener waren es gewohnt, ihn am Morgen in der gleichen Stellung vorzufinden - ohne den geringsten Anschein, daß er sich auch nur ein einziges Mal während seiner Nachtwache bewegt hatte.  - Edith Sitwell, Englische Exzentriker. Berlin 2000 (Wagenbach Salto 93, orig, 1933)

Professores (5) oder academische Lehrer betrügen: 1) wenn sie sich die Collegia voraus bezahlen lassen, hernach aber solche, unter dem Vorwand vorgefallener Hindernisse, nicht völlig absolviren. 2) Wenn sie zu Anfang eines Collegii  sehr fleißig lesen, nach und nach aber den alten Schlendrian gehen, und es beym Gleichen bewenden lassen. 3) Wenn sie, unter dem Prætext einer Kranckheit, nöthiger Reisen oder anderer Verrichtungen viele Stunden aussetzen, und hernach die Versäumniß dadurch, daß sie über das gesetzte Ziel der halben Jahres=Frist weit hinaus lesen, wieder einbringen wollen, solchergestalt aber die Studiosos alsdann an Besuchung anderer neuangehender Collegiorum, oder an gänzlicher Anhörung des Ihrigen, hindern. 4) Wenn sie in denen Prolegominis ihrer Collegiorum güldene Berge, und wie ausführlich sie von dieser oder jener Materie handeln wollten, versprechen, bey der Ausführung aber nur Proletaria und abgedroschenes oder ausgeschriebenes Zeug vorbringen. 5) Wenn sie einen gewissen Auctorem zum Grund ihres Collegii zu legen vorgeben, nichts desto weniger aber viele unnötige Dictata machen, und damit die edle Zeit, welche zur Erklärung des Auctoris per discursus könnte angewendet werden, verderben. 6) Wenn sie einem Auctori, darüber sie lesen, nicht recht ins Maul greiffen, sondern über die schwere Loca gleichsam mit einem Flederwisch und wie der Hahn über die Kohlen oben hin fahren, und offt nur das Latein ins Teutsche übersetzen. 7) Wenn sie spät zu lesen anfangen, und bald, ehe noch der Seiger geschlagen, wieder aufhören, oder auch wol die auf ihrem Tisch neben sich habende Sand=Uhr so lange rütteln und schütteln, bis sie fast ausgelauffen, und, da es alsdann noch nicht schlägt, die Schuld auf die unrecht laufende Uhr verschieben. 8)  Wenn sie die Fontes und die Bücher, welche von dieser oder jener Materie, über welche sie hauptsächlich handeln, nicht treulich anzeigen, sondern die besten, welche sie etwa wacker reiten, verschweigen, damit man ihre Blösse nocht so bald mercken, oder hinter ihre Schliche kömmen möge. 9) Wenn sie Collegia pansophica anschlagen, und, nachdem sie einige mit dergleichen haben blenden lassen, in omnibus aliquid & in toto nihil prästiren, oder auff Teutsch, die Auditores an der Nase herumführen, ohne etwas fundamentelles vorzubringen. -  Betrugs=Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Ständen, nebst denen darwider guthen Theils dienenden Mitteln entdecket von Georg Paul Hönn. München 1977 (zuerst 1721)

Professor (6)   Zwei interessante Merkmale zeichneten Leonard Blorenge aus, den Leiter Französischer Literatur und Sprache; er hatte etwas gegen Literatur, und er konnte kein Französisch. Dies hielt ihn nicht davon ab, immense Entfernungen zurückzulegen, um an Tagungen der Modernen Sprachen teilzunehmen, bei denen er mit seiner Unkenntnis protzte, als wäre sie eine majestätische Laune, und jeden Versuch, ihn zu den Feinheiten des Parleh-wuh zu verleiten, mit kräftigen Hieben gesunden Logenhumors parierte. Ein hochgeschätzter Geldbeschaffer, hatte er vor kurzem einen reichen Greis, den drei große Universitäten vergebens umworben hatten, dazu bewogen, eine Forschungstollerei mit einer phantastischen Zuwendung zu bedenken, bei der Postgradualstudenten unter der Anleitung eines Dr. Slavski, eines Kanadiers, auf einem Hügel in der Nähe von Waindell ein «französisches Dorf» zu errichten vorhatten, zwei Straßen und einen Platz, den Nachbau des alten kleinen Weilers Vandel in der Dordogne. Trotz eines in allen seinen administrativen Eingebungen präsenten Elements von Großspurigkeit war Blorenge persönlich ein Mann von asketischem Geschmack. Durch Zufall hatte er zusammen mit Sam Poore, Waindells Präsidenten, die Schule besucht, und viele Jahre über, selbst dann noch, als letzterer sein Augenlicht eingebüßt hatte, gingen die beiden auf einem düsteren, windgepeitschten See zusammen angeln, am Ende einer von Feuerkraut gesäumten Schotterstraße siebzig Meilen nördlich von Waindell, in der Art trübseligen Buschlands - Krüppeleichen und Kiefemwinzlinge -, das in der Natur das Gegenstück zu einem Slum ist. Seine Gattin, eine reizende Frau einfacher Herkunft, sprach in ihrem Club von ihm als «Professor Blorenge». Er hielt eine Vorlesung mit dem Titel «Große Franzosen», von seiner Sekretärin abgetippt aus einem Stapel von The Hastings Historical and Philosophical Magazine, Jahrgänge 1882 bis 1892, das er auf einem Dachboden entdeckt hatte und das in der College-Bibliothek nicht vorhanden war.  - Vladimir Nabokov, Pnin. Reinbek bei Hamburg 2004 (zuerst 1957)

Professor  (7)

Sprecher: Mann zwei, Mann eins, abwechselnd.

    Thema: eskalierende gegenseitige Vorstellung zweier Akademiker.

        m2 du sein gut sprechen
        du haben denkenkraft
        du wortengewalt
        m1 ich sein ein professor
        was du sein?
        m2 ich sein ein kunstler
        was du sein?
        m1 ich sein ein universitäten professor
        was du sein?
        m2 ich sein ein groß kunstler
        was du sein?
        m1 ich sein ein universitäten professor
        von geschichten
        was du sein?
        m2 ich sein ein groß deutschen und inder
        national kunstler
        was du sein?
        m1 ich sein ein universitäten professor
        kapazität von den geschichten
        was du sein?
        m2 ich sein ein groß deutschen und inder
        national nobel preisen kunstler
        was du sein?
        m1 ich sein ein nobel preisen universitäten
        professor kapazität von den deutschen
        geschichten
        ich sein ein nobel preisen
        m1 ich und du sein ein nobel preisen
        m2 herren kollegen
        m1 herren kollegen
        m2 ich und du sein ein nobel preisen
        m1 ich und du sein ein herren kollegen

- Ernst Jandl

Professor  (8)  Ein Huhn, das gelernt hatte, bis vier zu zählen, verlangte, daß seine Mithühner es mit Professor anredeten und wollte den Hahn verjagen, um seine Stelle einzunehmen. Da rissen die anderen Hühner ihm alle Federn aus und sagten, sie hätten es nur dann mit Professor angeredet, wenn es imstande gewesen wäre, alle Federn zu zählen, die sie ihm ausgerissen hatten.   - (ma)

Professor  (9)  Ich bin überzeugt, daß, wenn Gott einmal einen solchen Menschen schaffen würde, wie ihn sich die Magistri und Professoren der Philosophie vorstellen, er müßte den ersten Tag ins Tollhaus gebracht werden. Man könnte daraus eine artige Fabel machen: Ein Professor bittet sich von der Vorsicht aus ihm einen Menschen nach dem Bilde seiner Psychologie zu schaffen, sie tut es und er wird in das Tollhaus gebracht.   - (licht)

Professor  (10)  Professor Hébert war ein wohlmeinender, fettleibiger, hoffnungslos untauglicher Lehrer von der Art, in der Schüler sofort ihr Opfer erkennen. Um 1888 war der Mann bereits eine feste Einrichtung. Er wurde fast zu Tode gequält von den Jungen, die Frösche und Heuschrecken in das alte Klassenzimmer brachten, sich laut unterhielten und allerhand Dinge gegen die Tafel warfen, während er darauf schrieb. Seine Darlegungen in ›meiner Wissenschaft der Physik‹ endeten immer unglücklich; in seinen Klassen herrschte die ganze Stunde lang ein Höllenspektakel - ein Umstand, den die Schulbehörden anscheinend mit Absicht übersahen ... Jahrelang litt Monsieur Hébert unter seinen Pfleglingen; er versuchte, ihre Sticheleien nicht zu hören, während seinen zitternden Händen Kapillarröhrchen und Thermometer entfielen. - Charles Morin, in: Alfred Jarry, Ubu. Stücke und Schriften. Frankfurt am Main 1987

Professor  (11)  

Wir hören Professor Salem Aleikum,
der Reporter beliebäugelt ihn noch:
„der Professor liegt auf der Terrasse seines Hauses
die Laute im Arm
und singt die alten Balladen" -
wahrscheinlich auf einer Ottomane,
Eiswasser neben sich,
widerlegt Hypothesen, stößt neue aus -

die größten Ströme der Welt
Nil, Brahmaputra oder was weiß ich,
wären zu klein, alle diese Professoren zu ersäufen -

ich habe kein Feld, ich habe kein Tier,
mich segnet nichts, es ist reiner Unsegen,
aber diese Professoren
sie lehren in Saus und Braus
sie lehren aus allen Poren
und machen Kulturkreis draus.

- (benn)

Professor (12)   Heute im Paris-Midi die Geschichte des Professors Brumpt von der medizinischen Fakultät, der sich beim Sezieren eines Meerschweinchens das «Purpurfieber aus den Rocky Mountains» geholt haben soll. Großes Trara. Das Institut Pasteur zu seiner Behandlung aufgeboten. Noch weiß man nicht, ob er durchkommen wird. Möglicherweise kommt er nicht durch. Ich habe mich bereits zwischen ihm und dem Meerschweinchen entschieden: ich bin für das Meerschweinchen. - (leau)

Professor  (13)   Bürger, Gottfr. Aug. (1747-1794), deutscher Dichter und seit 1789 Professor in Göttingen. B. war, wie auch seine äußere Lebensführung eine freie war, ein zynischer Ton zur Gewohnheit geworden, der besonders in seinem Briefwechsel zum Ausdruck kam, wo er vor dem Gemeinsten nicht zurückschreckte. Er beteiligte sich auch an den »Phantasien in drei priapischen Oden dargestellt und im Wettstreit verfertiget von B. (Bürger), V. (Voss) und St. (Stolberg). Berlin (um 1800), 8°«; auch unter dem Titel: »Wettstreit in drey priapischen Oden von B., V. und St., Neapel, o. J. (ca. 1795), 8°, 15 S.« Es handelte sich darum, wer das gemeinste Gedicht schreiben könnte, wobei aber Stolberg den Preis erhielt. B.s Gedicht: »An die Feinde des Priaps«, das beginnt:

»Es knallet alles, was lebet,
Was in den Lüften schwebet,
Es knallt die ganze Welt,
Ein Mädchen von zwölf Jahren
Mit zwanzig Stoppelhaaren
Der Fuchsschwanz schon gefällt.«

ist verhältnismäßig das zahmste. An B.s Privatleben knüpft sich aber ein erotisches Skandalosum ärgster Sorte, und zwar »Gottfried August Bürgers Ehestands-Geschichte. Berlin und Leipzig 1812«, worin die Geschichte seiner höchst unglückseligen Ehe mit Elise Hahn angeprangert wird. Elise Hahn führte ein sehr ausschweifendes Leben, was schließlich zum seelischen Zusammenbruch des Dichters führte. - (erot)

Professor  (14)   Mein Bettnachbar war ein Korporal. Auch ein Kriegsfreiwilliger. Bis zum August war er Professor an einem Gymnasium in der Touraine gewesen und hatte, wie er mir erzählte, in Geographie und Geschichte unterrichtet. Nach ein paar Kriegsmonaten hatte er sich zu einem kolossalen Dieb entwickelt. Aus dem Transportzug seines Regiments, aus den Packwagen der Intendantur, aus den Vorräten der Kompanie, überall, wo immer er sich aufhielt, stahl er Konserven.

Er war mit uns allen gestrandet und stand so halb und halb vor dem Kriegsgericht. Aber seine Familie wollte partout nachweisen, daß die Schießerei seinen Geist verwirrt und seine sittlichen Prinzipien erschüttert hätte. So schob die Untersuchungskommission also von Monat zu Monat die Entscheidung heraus. Er hat sich stundenlang den Bart gekämmt und immer von derselben Sache gesprochen: davon, daß er ein Präservativ erfunden habe und daß seine Frau jetzt nie mehr Kinder kriegen werde. War er wirklich irr? Wenn die ganze Welt verkehrt ist und es für Irrsinn gilt, zu fragen, weshalb man ermordet werden soll, ist es klar, daß man leicht für einen Irrsinnigen gehalten werden kann. Die Geschichte muß auch ziehen, aber um der Vierteilung zu entgehen, kann das menschliche Gehirn wunderbare Leistungen vollbringen. - (reise)

Professor  (15)   Die Mütter der kleinen Mädchen vom Lyzeum  haben ihm aufgelauert und ihn verhauen. Eine ganze Affäre. Die Sache wird untersucht. Man hat was auszustehen.

Im letzten Moment erwischt er mit knapper Not durch eine Annonce in einer medizinischen Zeitschrift eine andere Stellung. Nichts Großartiges natürlich, aber eine Sache, die nicht anstrengt und sehr geeignet für ihn ist. Es handelt sich um die neuesten Theorien des Professors Baryton über die Erziehung kleiner Kretins durch das Kino. Ein großartiger Schritt vorwärts im Unterbewußten. Man hat von nichts anderem gesprochen. Das war eine Sensation.

Parapine begleitete diese Patienten in das moderne ‹Tarapout›. Er holt sie in Barytons modernem Irrenhaus an der Peripherie ab und bringt sie nach der Vorstellung wieder zurück. Ganz blöde, vollgefressen mit Gesichten, glücklich und unverletzt. Was sagen Sie? Sobald sie vor der Leinwand sitzen, braucht man sich nicht mehr um sie zu kümmern. Ein goldiges Publikum. Hocherfreut, zehnmal hintereinander denselben Film zu sehen. Immer aufs neue überrascht. Sie haben kein Gedächtnis. Genießen immer wieder die Überraschung. Ihre Familien sind begeistert. Parapine auch. Ich auch. Wir lachen vor Behagen und trinken ein Bier ums andere, um den materiellen Wiederaufbau Parapines zu feiern. - (reise)

Professor  (16)  Ich trommle am nächsten Nachmittag Spanier-John und Klein-Isadore zusammen, und Klein-Isadore spielt gerade Siebzehn-und-vier mit einem Burschen namens Professor Edmund, der Professor Edmund genannt wird, weil er einmal auf die höhere Schule geht und darum für ein gelehrtes Haus gehalten wird, und ich bitte Professor Edmund, mit uns mitzukommen. Mir ist nämlich bekannt, daß Professor Edmund sich recht und schlecht damit durchbringt, daß er mit Klein-Isadore Siebzehn-und-vier spielt, und ich denke mir, solange ich ihm seine einzige Einnahmequelle vorübergehend entziehe, ist es nichts als einfache Höflichkeit, ihm dafür etwas anderes zukommen zu lassen. Ferner kalkuliere ich, daß es — da es ja in dieser Angelegenheit um Briefe geht — vielleicht nicht schlecht ist, den Professor bei der Hand zu haben für den Fall, daß ein Lesekundiger gebraucht wird, denn Spanier-John und Klein-Isadore können überhaupt nicht lesen, und ich lese nur großgedruckte Zahlen. - Damon Runyon, Stories vom Broadway. Reinbek bei Hamburg 1963 (rororo 566, zuerst ca. 1935)

Professor  (17) Dr. Géza Dobrolubimov ist tot. Der herausragende und mehrfach ausgezeichnete Physikprofessor der Budapester Universität erlag vergangene Nacht einer Gehirnblutung. Von seinen Studenten wurde er scherzhaft »Pünktchen« genannt, da er die exzentrische Angewohnheit besaß, sommers wie winters rotgepunktete weiße Anzüge zu tragen. Erst jetzt, während der Obduktion, kam es ans Licht, daß der herausragende Wissenschaftler in Wahrheit gar kein Exzentriker war und auch den Hohn seiner Studenten nicht verdient hatte. Wie sich herausstellte, hatte seine Mutter, die stets rotgepunktete weiße Bettwäsche benutzte, eines Tages einige Punkte für einen Säugling gehalten, sie eingewickelt, ihnen die Brust gegeben und sie schließlich großgezogen. In den seither vergangenen siebenundsechzig Jahren fiel ganz Budapest dieser amüsanten optischen Täuschung zum Opfer. - (min)

Professor  (18)

Zu vieren sitzen sie am grünen Tische,
Verschanzt in seines Daches hohe Kanten.
Kahlköpfig hocken sie in den Folianten,
Wie auf dem Aas die alten Tintenfische.

Manchmal erscheinen Hände, die bedreckten
Mit Tintenschwärze. Ihre Lippen fliegen
Oft lautlos auf. Und ihre Zungen wiegen
Wie rote Rüssel über den Pandekten.

Sie scheinen manchmal ferne zu verschwimmen,
Wie Schatten in der weißgetünchten Wand.
Dann klingen wie von weitem ihre Stimmen.

Doch plötzlich wächst ihr Maul. Ein weißer Sturm
Von Geifer. Stille dann. Und auf dem Rand
Wiegt sich der Paragraph, ein grüner Wurm.

- Georg Heym

Professor  (19)   Gegen Abend war Anti-Philidor in Jeziorno und Philidor in Wawer. Der eine schoß unter einem Getreideschober auf Krähen, der andere suchte sich eine abseits stehende Laterne und zielte aus einem Abstand von fünfzig Schritten.

Und so wanderten sie durch die Welt, zielend, womit und auf was sie konnten. Sie sangen Liedchen und schlugen am liebsten Fensterscheiben ein, liebten es auch, auf dem Balkon zu stehen und den Vorübergehenden auf die Hüte zu spucken, und welch ein Spaß erst, dicke, große Fische zu treffen, die in einem Fiaker fuhren! Philidor spezialisierte sich sogar so weit, daß er von der Straße aus jemand bespucken konnte, der auf einem Balkon stand. Anti-Philidor löschte Kerzen mit dem Wurf einer Zündholzschachtel. Am liebsten jagten sie mit einem Tesching auf Frösche oder mit einem Bogen auf Spatzen, oder sie warfen von einer Brücke Papierchen und Gräser aufs Wasser. Den größten Spaß aber machte es, einen Kinderballon zu kaufen, ihm durch Felder und Wälder nachzulaufen - he, ha! -, und den Moment abzupassen, da er mit einem Knall platzte, wie von unsichtbarer Kugel getroffen.

Und wenn einer aus der Gelehrtenwelt der fernen, glorreichen Vergangenheit gedachte, der Geisteskämpfe, der Analyse, der Synthese und der ganzen, unwiederbringlich dahingegangenen Glorie, antworteten sie "mit träumerischer Versunkenheit:

»Ja, ja ... ich erinnere mich noch an dieses Duell . . . war ein schönes Geknalle!«

»Aber, Herr Professor!« rief ich und mit mir Roklewski, der unterdessen geheiratet und in der Kruczastraße eine Familie gegründet hatte, »aber, Herr Professor, Sie reden daher wie ein Kind!«

Darauf erwiderte der kindisch gewordene Greis:

»Alles ist mit Kind durchsetzt.«   - (fer)

Professor  (20)  »Als wir ankamen, hat der Ministerpräsident neben uns seinen Mantel an der Garderobe abgegeben. Dann war er verschwunden. Ich habe mit einem Ministerialrat gesprochen, der zu mir gesagt hat, merkwürdig sei's schon, wenn heutzutage manche Zeitgenossen vqn ›Macht‹ redeten. Also, er merke nichts von Macht, wenn er seine Akten bearbeiten müsse, und dem gab ich recht. In einer halben Stunde fliege der Ministerpräsident nach Ravensburg, und so etwas wie das jetzt mit dem Professorentitel, das sei für ihn eine Ruhepause. Als ich nach rechts schaute, sah ich, wie sich der Ministerpräsident kämmte.«

Das erzählte Eugen im fahrenden Zug. Er beschrieb auch noch, wie der Ministerpräsident hereingekommen war. Zwei Herren hatten sich neben ihn gestellt, einer davon mit einer Urkundenmappe. Und nun bekam der über neunzig Jahre alte Maler seine Bestätigung als Herr Professor. Schließlich Eugen Rapp.

Danach waren sie unter sich und man stieß mit Sekt an. Die Sonne in den Fenstern und das Ambiente dort: Es wirkte nahezu ein bißchen monarchistisch (au net schlecht). Der Maler aber sagte zu Eugen: »Herr Rapp, wenn i no endlich verrecke könnt.« - Hermann Lenz, Herbstlicht. Frankfurt am Main 2000

Professor  (21)  Hätte Professor Ingol Habertruber auch nur ein kleines Werk geschrieben oder auch nur einen kleinen Titel erworben oder gar geschenkt bekommen, ich könnte ihn jetzt zitieren und mich auf ihn berufen, und wenn ich auch weiß, daß sein Wissen kein ganzes Wissen war, ich könnte mich doch darauf verlassen, daß mehrere sein Halbwissen teilen, und wir könnten es verteidigen gegen unser besseres Wissen und für unsere Überzeugung. Inzwischen liegt Habertruber unter der Erde, und mit ihm vermodert sein ganzes Halbwissen. - Peter Bichsel, Der Busant. Von Trinkern, Polizisten und der schönen Magelone. Darmstadt und Neuwied 1987

Professor  (22)  

Professor  (23)

Professor  (24)  Die Düsseldorfer Ordinarien haben es abgelehnt, ihre Universität nach Heinrich Heine zu benennen. Die Empörung ist allgemein, und ein Kommentator im Rias rätselte über den Geisteszustand der Herren im Talar. Ist es Unbildung, ist es antisemitische Gesinnung, war man sich der Ehre nicht bewußt? Der Journalismus, der sich sonst selten ratlos gibt und sogar dem lieben Gott auf die Schulter klopfen würde, versagt hier vor einem altbekannten Phänomen. Ich würde den Düsseldorfer Ordinarien weder Unbildung, noch Antisemitismus unterstellen, sondern sie als das bezeichnen, was sie sind: Deutsche Professoren. Der deutsche, ordentlich bestellte Professor ehrt sich selbst. Zu dieser Selbstehrung gehört, daß man anderen jenen viereckigen Hut, die höchste Trophäe, die man sich sauer erarbeitet hat, ehrenhalber weiterreicht. — Wer der Anwesenheit eines deutschen Professors in einem Seminar teilhaftig werden durfte, versteht, warum Nietzsche noch im Wahnsinn äußerte: »Ich wäre lieber Baseler Professor als Gott.« Damit wäre alles gesagt.   - Hartmut Lange, Aus dem Tagebuch eines Melancholikers. In: Das Tintenfaß 7, Zürich 1983

Professor  (25)  PROFESSOR, anders KOMDIH (didaktischer Komputer, habilitiert) - ebenfalls ZIFFERNKISTE (s. d.), unterrichtendes System, zugelassen an höheren Schulen durch USIB (United States Intellectronical Board, s. d.) Vergleiche auch: PRÄPANZ (GEPANZERTER PRÄZEP-TOR! (widerstandsfähig gegen kontestierende Aktivitäten der Studierenden) sowie TECHNIKEN der ANTIKONTESTATION und KAMPFMITTEL. Der Ausdruck Professor bezeichnete früher einen Menschen, der analoge Funktionen ausführte.   - Vestrands Extelopädie, nach: Stanislaw Lem, Imaginäre Größe. Frankfurt am Main 1976 (zuerst 1973)

Professor  (26)  Zum Beispiel der Prof. Kurzform für »Professor«. Oder »Prophet«. Ein winziger, schwarzer Omenmeister, der lange vor meiner Geburt schon auf Trebe ging; er sprach in Strophen und er hetzte Ganoven. Der Prof ging mir aufrecht nur bis zur Brust, aber aufrecht ging er immer.

»Schleim abstechen ist kein Verbrechen«, war alles, was er sagte.   - Andrew Vachss, Bluebelle. Berlin und Frankfurt am Main 1991

Professor  (27)   Das erste Bücherregal  enthält Bücher über Logik, Mathematik und Wissenschaft, denn meine ersten Publikationen, die mir auch den Lehrstuhl an der Universität eingebracht hatten, handelten von Wissenschaftsphilosophie. Im nächsten stehen die Bücher, auf die ich mich in meinen wichtigsten philosophischen Werken bezog – etwa in «Analytical Philosophy of History», «Analytical Philosophy of Knowledge», «Analytical Philosophy of Action», «Connections to the World» oder meinen Studien zu Nietzsche und Sartre. Im dritten Regal finden sich Bücher über asiatische Philosophie und Religionen. In den 1950er Jahren verleibte ich mir – nicht zuletzt dank Dr. Suzukis Seminaren, die ich an der Columbia University sporadisch besuchte – eine kräftige Dosis Zen-Buddhismus ein: Daraus entstanden «Mysticism and Morality» und der Essay «Upper Westside Buddhism». Das vierte Regal ist für literarische Werke bestimmt; sie haben alles beeinflusst, was ich verfasste, auch wenn ich kaum je über Literatur als solche geschrieben habe. Im letzten schliesslich sind die Bücher über bildende Kunst versammelt, aus denen «Transfiguration of the Commonplace», «After the End of Art» und «The Abuse of Beauty» sowie zahllose Aufsätze entstanden. - Arthur C. Danto

Professor  (28)  Der Professor war mittlerweile ungeduldig aufgestanden.

»Bleiben Sie doch«, sagte Ossipon hastig. »Übrigens .. . was wissen Sie von Irrsinn und Verzweiflung?«

Der Professor fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen, dünnen Lippen und dozierte: »So etwas gibt es nicht. Die Leidenschaften sind ausgestorben. Die Welt ist mittelmäßig, schlaff, kraftlos. Irrsinn und Verzweiflung wären Kräfte. Und Kraft ist in den Augen, der Narren, der Schwächlichen und Blödiane, die die Welt beherrschen, ein Verbrechen. Sie, Ossipon, sind mittelmäßig. Verloc, dessen Anschlag die Polizei so geschickt vertuscht hat, war mittelmäßig. Und die Polizei hat ihn ermordet. Er war mittelmäßig. Alle sind mittelmäßig. Irrsinn und Verzweiflung! Geben Sie mir Irrsinn und Verzweiflung, und ich will die Welt aus den Angeln heben! Ossipon, ich drücke Ihnen meine freundschaftliche Verachtung aus. Sie sind nicht einmal imstande, sich etwas auszudenken, das von den gemästeten Bürgern als Verbrechen angesehen würde. Sie haben keine Kraft.« Er verstummte und lächelte höhnisch hinter seiner wild funkelnden dicken Brille.

»Und noch etwas: diese kleine Erbschaft, die Sie da angeblich gemacht haben, hat Ihren Verstand nicht gerade geschärft. Sie sitzen wie ein Klotz vor Ihrem Bier. Adieu.«

»Wollen Sie sie haben?« fragte Ossipon und blickte blöde grinsend auf.

»Was haben?«

»Die Erbschaft. Alles, die ganze Erbschaft.«

Der unbestechliche Professor lächelte nur. Sein Anzug stand im Begriffe auseinanderzufallen, und seine verbeulten, geflickten, schweren Stiefel ließen bei jedem Schritt Wasser durch. Er sagte: »Ich schicke Ihnen gelegentlich mal die Rechnung für gewisse Chemikalien, die ich morgen bestellen werde. Ich brauche sie dringend. Einverstanden?«   - Joseph Conrad, Der Geheimagent. Frankfurt am Main 1972  (zuerst 1907)

Professor  (29) 


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