lied  Alles liegt in dem menschlichen Munde, was im menschlichen Geiste liegt, wie alles, was in Gott ist - sichtbar wird in Jesus Christus!

Der Mund in seiner Ruhe, und der Mund in seinen unendlichen Bewegungen - welch eine Welt voll Charakter! wer will aussprechen, was er ausspricht - selber, wenn er schweigt! -

So heilig ist mir dieß Glied, daß ich kaum davon reden kann - Ich erstaun' über mir selber, werde mir Wunder aller Wunder, daß ich nicht nur ein thierisches Maul zum Essen und Athmen - daß ich einen menschlichen Mund zum Sprechen habe - und einen Mund, der immer spricht, wenn er auch immer schweigt.

Erwartet nichts, Leser, über dieß beseelteste und bedeutsamste aller unserer Organen - Ich bin nicht fähig und nicht würdig, davon zu sprechen.

Ein Mensch, der die Würde dieses - Gliedes? - wie ganz anders ist's, als alles andere, was man Glied nennt? wie nicht abzulösen? wie nicht zu bestimmen? wie viel einfacher und zusammengesetzter? - Ein Mensch, der die Würde dieses Gliedes kennte, fühlte - innigst fühlte - Er spräche Gottesworte, und seine Worte wären Gottesthaten ... O daß ich nur zittern kann, statt zu sprechen - von der Herrlichkeit des Mundes - dieses Hauptsitzes der Weisheit und Thorheit, der Kraft und Schwachheit, der Tugendhaftigkeit und Lasterhaftigkeit, der Feinheit und Grobheit des menschlichen Geistes! diesem Sitze aller Liebe und alles Hasses, aller Aufrichtigkeit und Falschheit - aller Demuth und alles Stolzes! aller Verstellung und Wahrheit!

O zu welchen Anbetungen würd' er sich öffnen oder schließen mein Mund - wenn ich - mehr Mensch - wäre! - (lav)

Glied (2) Bevor ich die Straße vor unserem Hause überquerte, fiel mein Blick zufällig auf dessen obere Fenster. Im selben Augenblick begann es mir in den Ohren zu sausen und zu dröhnen, mein Herz schlug zuerst bis zum Halse, um dann fast stillzustehen: eine unheimliche Angst und ein unsagbarer Schrecken ließen mich wie angewurzelt stehenbleiben. Blind streckte ich in dem Tal des Schreckens, in das ich gefallen war, eine Hand aus und griff irgendwohin in die undurchdringliche Finsternis, so daß ich mich aufrecht halten konnte, während der Boden unter nieinen Füßen zu schwanken, zu schaukeln und sich zu neigen begann und jeder Sinn für die Wirklichkeit mir abhanden zu kommen schien. Ich hatte zum Fenster der Dachkammer hinauf geblickt; in diesem Moment war der Vorhang zurückgezogen worden und ein — ein Wesen hatte mich angestarrt. Nein, es war kein Gesicht oder irgend etwas Menschenähnliches, was ich dort sah: es war ein lebendes Wesen mit flammenden Augen, die aus einer formlosen Masse hervortraten — Symbol und Gegenwart des Bösen und der Verderbnis. Ich zitterte und bebte wie im Fieber; krank vor unaussprechlicher Angst, brachte ich fünf Minuten lang nicht die Kraft auf, mich zu bewegen. Dann riß ich die Haustür auf, rannte die Treppen hinauf und pochte wild gegen die Tür.

«Francis, Francis», schrie ich, «um Gottes willen antworte mir! Was ist das für ein gräßliches Ungeheuer in deinem Zimmer? Wirf es hinaus! Jag es weg!»

Ich hörte ein Geräusch wie von langsamen, schlurfenden Schritten und einen würgenden, gurgelnden Laut, wie wenn jemand zum Sprechen ansetzte und schließlich eine gebrochene, erstickte Stimme einige kaum noch verständliche Worte sagen.

«Hier ist kein Ungeheuer», sagte die Stimme, «bitte stör mich nicht; ich fühle mich heute nicht sehr wohl.»

Verängstigt und hilflos wandte ich mich ab. Denn ich konnte nichts tun, obgleich ich mich fragte, warum Francis mich anlog; ich hatte die Erscheinung hinter den Scheiben zu deutlich gesehen, als daß ich mich hätte getäuscht haben können - wenn auch nur für einen kurzen Moment. Doch ich meinte, mich an noch etwas anderes erinnern zu können. Als der Vorhang zurückgerissen wurde, hatte ich kurz auch das Glied gesehen, das ihn bewegte; ein gespenstisches Bild hatte sich für immer in mein Bewußtsein eingegraben: es war keine Hand gewesen, die ich da gesehen hatte; nicht von Fingern war das Tuch ergriffen worden, sondern ein schwarzer Stumpf hatte an ihm gezerrt, etwas wie die haarigen Konturen und plumpen Bewegungen der Pranke eines wilden Tieres hatten sich auf meiner Netzhaut abgebildet, bevor die dunklen Wogen des Schreckens über mir zusammenschlugen.   - Arthur Machen, Die Geschichte vom weißen Pulver. In: A.M., Die leuchtende Pyramide. Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 16, Hg. Jorge Luis Borges.

Glied (3) Nachts erwachte ich von dem Lärm jener Zischlaute, die ich inzwischen so gut kannte; als ich ins Zimmer des verwunschenen Jungen trat, sah ich ihm zuckend und mit Schaum vor dem Munde sich auf dem Bette herumwälzen, als ob er versuchte, sich dem Zugriff der Dämonen zu entwinden. Ich trug ihn in mein Arbeitszimmer und zündete eine Lampe an, während er sich am Boden wälzte und die Macht, die von ihm Besitz ergriffen hatte, beschwor, ihn zu verlassen. Dann sah ich seinen Körper anschwellen und sich dehnen wie eine Blase; während schließlich sein Gesicht sich schwarz färbte, tat ich, was nach den Anweisungen des Siegels notwendig war. Ich vergaß alle Skrupel und wurde zum reinen Wissenschaftler, der nur registriert, was um ihn vorgeht. Was ich jetzt sah, übersteigt die Grenzen des menschlichen Auffassungsvermögens bei weitem, ja es sprengt die Grenzen der menschlichen Phantasie. Aus der Masse, die dort am Boden lag, streckte sich ein schleimiges, zappelndes Glied, langte durch den ganzen Raum, ergriff die Büste auf dem Schrank und setzte sie auf dem Schreibtisch wieder ab.  - Arthur Machen, Die Geschichte vom schwarzen Siegel. In: A.M., Die leuchtende Pyramide. Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 16, Hg. Jorge Luis Borges

Glied (4)  Eintreten wird, was Gott durch seinen Propheten über die ewige Strafpein der Verdammten gesagt hat; es wird in seiner ganzen Schwere eintreten: »Ihr Wurm wird nicht sterben, und ihr Feuer wird nicht erlöschen.« Um das noch eindringlicher zum Bewußtsein zu bringen, hat auch der Herr Jesus ein Gleichnis gebraucht und von Gliedern gesprochen, die den Menschen ärgern. Er meinte damit jene Menschen, die man liebt wie die wichtigsten Glieder des Leibes; und sie befiehlt er abzuschneiden und sagt: »Es ist besser für dich, verstümmelt ins Leben einzugehen, als mit beiden Händen in die Hölle zu kommen, in das unauslöschliche Feuer, wo ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht erlischt.« Und das Gleiche sagt er vom Fuß: »Es ist besser für dich, lahm in das ewige Leben einzugehen, als mit zwei Füßen in die Hölle des unauslöschlichen Feuers gestürzt zu werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.« Nicht anders spricht er vom Auge: »Es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes einzugehen, als mit beiden Augen in die Feuerhölle geworfen zu werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.« Es war ihm nicht zuviel, an der einen Stelle die Worte dreimal zu sagen. Wen erschrickt nicht diese Wiederholung, diese gar so heftige Einschärfung jener Strafe aus göttlichem Munde? - Augustinus, Vom Gottesstaat, nach (boc)

Glied (5)  Auf eine etwas uneigentlichere Art führt diesen Nahmen das männliche Glied, nach welchem Einige auf eine völlig unschickliche Art auch das weibliche Glied gebildet haben, welches eben so wenig ein Glied genannt werden kann, als solches von der Nase oder andern Theilen des Leibes üblich ist. Auch den Kopf pflegt man nicht ein Glied zu nennen, ungeachtet er ein beweglicher Theil des Körpers ist.  - Johan Georg Krünitz, Ökonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft in alphabetischer Ordnung

Körperteile, menschliche
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