eidenschaftsmuskel  Vor mehreren Jahren habe ich eine Diatribe über die Nase geschrieben, und es ist noch jetzt eine meiner gewöhnlichen unwillkürlichen Beschäftigungen, die Nasen zu belugen und zu ordnen.

Den Familienstoff abgerechnet, bin ich immer noch der Meinung, daß jeder Mensch so ziemlich seine Nase selbst macht. Daher haben die Kinder fast durchaus unbestimmte Nasen.

Zu der Nase, als der festen Prominenz, rechne ich zu psychologischem Behufe auch alle angrenzenden Muskelpartien, vorzüglich die Nasenwinkel und Augenwinkel und Mundwinkel, die sich sogar bis zum Kinn herabziehen. Auch die Maler nennen diese ganze Partie, wenn ich nicht irre, die Leidenschaftsmuskeln, und das mit Recht.

Aber die Nase scheint vorzugsweise das Aushängeschild des herrschenden Charakters zu sein, woran Jeder ziemlich viel lesen kann, dem die Natur ein ordentliches Rhinoskop gegeben hat.

Ich classificire dann mit vieler Gewißheit alle meine Nasen. Da ist die stolze Nase, die ärgerliche Nase, die eingebildete Nase, die vornehme Nase, die impertinente Nase, die tyrannische Nase, die listige Nase, die sclavische Nase, die dumme Nase, die bigotte Nase, die fromme Nase und viele andere Nasen. Zur bessern Bestimmung muß man die oben angeführten Winkel mitnehmen. Ich sehe jedes Gesicht als eine Grenzfestung der Seele an, von welcher die Nase den Cavalier und das Hornwerk macht. Vor andern zeichnen sich noch aus die vorwitzige und die geile Nase.

Unschuldige Nasen oder vielmehr Näschen findet man auch; aber ich erinnere mich nie, eine vernünftige Nase gesehen zu haben. Sehr selten sind die rein schönen, ganz charakterlosen Nasen, und wo man sie triffl, gehört viele artistische Beschauung dazu, sie auch reizend zu finden. Die Vernunft scheint mit und auf dem Gesichte wenig zu thun zu haben, wie überhaupt mit dem Menschen.

Das Gesicht ist der Tummelplatz der Leidenschaften. Bei Vielen ist es sehr unterhaltend, zu untersuchen, wie kommt der Mensch zu der Nase? Die besten Nasen haben im Allgemeinen die Frauen, ausgenommen die vielen verdrießlichen und spöttischen Nasen, welche den Trägerinnen nicht weniger als den Beschauern zur Last fallen.

Die vernünftigsten Nasen haben noch die Lazzaroni in Neapel. Der geizigen Nase thut man zu viel Ehre, wenn man sie Nase nennt; sie nähert sich an Gestalt und Bewegung dem Rüssel. - (seume)

Leidenschaft Nase Muskel
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