chlange   Und nun kam Kaa, eilig, hungrig und begierig, zu töten.

Die Kampfesstärke einer Pythonschlange liegt in der furchtbaren Stoßkraft des Kopfes, der mit der ganzen Wucht und Macht des ungeheuren Körpers vorwärts geschnellt wird. Denkt euch, ein Sturmbock, wie er früher zum Brechen der Stadtmauern benutzt wurde, oder ein tausend Pfund schwerer Schmiedehammer besitze Leben, und in dem langen Stiele wohne kalter, berechnender Geist, der das Werkzeug regiert, dann könnt ihr euch ungefähr eine Vorstellung von Kaa, dem Kämpfenden, machen. Er war gut dreißig Fuß lang, wie ihr wißt, und eine nur vier oder fünf Fuß große Pythonschlange vermag schon einen ausgewachsenen Mann niederzustoßen.

Den ersten Stoß richtete Kaa gegen die Mitte der dichten Masse um Baloo - es war ein Stoß mit geschlossenem Munde, in tiefstem Schweigen . . . und kein zweiter war nötig. Entsetzen packte die Affen, und mit dem Schrei: »Kaa! Es ist Kaa! Fort! Fort!« flohen sie davon wie Frösche vor dem Reiher.

Wie man bei uns die Kinder mit dem schwarzen Mann schreckt, so hatten Generationen junger Affen alle Untaten gelassen, wenn ihnen die Eltern mit Kaa drohten, dem Nachträuber, der auf den Ästen entlanggleitet, so geräuschlos, wie das Moos auf ihnen wächst; von Kaa, dem Gewaltigen, der den allerstärksten Affen töten kann, wenn er ihn nur mit der Nase berührt; von Kaa, dem schlauen Schurken, der einen morschen Ast oder einen alten Baumstumpf so täuschend nachzuahmen vermag, daß auch der weiseste Affe sich irreführen läßt, bis plötzlich der Baum zu leben beginnt und sein zappelndes Opfer verschlingt. Kaa war der Inbegriff alles dessen, was die Affen in der Dschungel fürchteten, denn kein Wesen kannte die Grenzen seiner Macht, niemand vermochte ihm in die stechenden Augen zu sehen, und keiner war bisher aus seiner Umschlingung mit dem Leben davongekommen. - Rudyard Kipling, Das Dschungelbuch, nach (ki)

Schlange (2) Ich irrte inmitten einer großen Stadt, ich glaube, es war Amsterdam, durch ein Ghetto voll niedriger Häuser und Brücken. Fortwährend traten aus den Hauseingängen Männer an mich heran und raunten mir Sätze zu, die ich nicht verstand, die mich jedoch sehr beunruhigten. Endlich kam ein Mädchen und nahm mich mit, zu einem Experiment, wie sie sagte. Sie führte mich in ein riesiges Universitätsgebäude. Wir traten in ein Zimmer voll Präparaten, Instrumenten, weißmäntligen Ärzten, Studenten und Studentinnen. Es handelte sich darum, festzustellen, ob eine gewisse Schlangenart durch den Magensaft und überhaupt durch die menschliche Verdauungstätigkeit in ihrer Lebenskraft beeinflußt würde. Dazu mußte eine dicke grünschwarze Viper, die mit zugebundener Schnauze in einer flachen Glasschüssel lag, verschluckt werden. Niemand wollte das Experiment wagen; es wurde viel geredet, bis zuletzt alle auf mich eindrangen, von Ungefährlichkeit, Mut, Selbstüberwindung im Dienste der Wissenschaft sprechend, kurz mir sehr geschickt den point d'honneur zuschiebend. Auch meine Führerin bat mich sehr und versprach mir eine Nacht. Halb gezwungen gab ich nach, man hielt mich auf einem Stuhle fest und schob mir, mit Glasstäben und langen gebogenen Pinzetten nachhelfend, die Schlange mit Gewalt in den Mund.

Dann nahm mich das Mädchen wieder mit. Es wohnte in einem großen, verwinkelten Hause. Ich wurde unter Vorsichtsmaßregeln in ein Schlafzimmer geführt und legte mich in ein mächtiges Bett. Meine Freundin zeigte vielsagend auf einen Klingelknopf und verschwand. Nachdem ich lange gelegen hatte, drückte ich auf den Knopf. Sofort entstand Lärm im Hause, die Tür meines Zimmers sprang auf, und eine Familie von sehr bösartigen Gestalten erschien vor meinem Bett. Alle richteten ihre röhrenförmigen Zauberstäbe gegen mich.

Ich sagte mir: »Mut, du liegst ganz gemütlich in deinem Bett«, griff nach dem Kontakt und schaltete Licht ein. Allein zu meinem unbeschreiblichen Schrecken erreichte ich nur, daß das Zimmer nun in einem geisterhaft strahlenden Violett schwamm, während sich die Gestalten noch drohender gegen mich bewegten.

Vor Entsetzen erwachte ich zum zweiten Male, um gleich wieder einzuschlafen. - (ej2)

Schlange (3) Ophiten (hebr. Naassener), gnostische, ursprünglich jüdische Sekte, die dann teilweise zum Christentum übertrat, ohne ihr sehr abenteuerliches Dogma, in dem die Personen der als Mannweib gedachten Sophia (Weisheit), ihres Sohnes Jaldabaoth (des Weltenschöpfers) und wieder seines Sohnes: der heiligen Schlange, die Hauptrollen spielten, der christlichen Lehre sonderlich anzupassen. Die Schlange, die für sie das gefeierte Sinnbild gleichgeschlechtlicher Liebe gewesen zu sein scheint, galt ihnen als ausgesprochen gutes Prinzip, denn ihre Aufgabe im Paradies bestand darin, die Menschen zur Erkenntnis Gottes zu führen.

Jede ihrer Gemeinden unterhielt in einer Höhle eine lebendige Schlange, die beim Abendmahl auf einen Tisch herausgelockt wurde, um die Hostie, ehe sie die Gläubigen zu sich nahmen, zu belecken. Außerdem hatte jeder die Schlange bei dieser Gelegenheit zu küssen. - (erot)

Schlange (4)  Wer in einen Zug steigt, in dem sechshundert Nonnen eine Wallfahrt nach Lourdes antreten, ist froh, ein Abteil für sich allein zu finden, auch wenn ihm darin ein komisches leises Pfeifen und mehr noch ein leichter kalter, säuerlicher Geruch auffällt.

— Wahrscheinlich singt die Glühbirne, dachte ich mir, Glühbirnen singen vor ihrem Ende bisweilen, darin den Schwänen ähnlich. Ich legte meinen Koffer ins Gepäcknetz und öffnete das Fenster, um die Ausdünstung des wohl schweißfüßigen Vorpassagiers auszulüften. Als aber der Zug abfuhr, ich mich hinsetzte, die Beine aus- und die Füße unter die gegenüberliegende Bank streckte, da wurden sie mit einem Griff umklammert und festgehalten.

Ich ließ meine Zeitung fallen, konnte vor Schreck nicht schreien und versuchte instinktiv, zu strampeln. Wenn ich mich nachträglich auf meine Gedanken in jenen Bruchteilen von Sekunden besinne, so meine ich, ich hätte im ersten Moment an eine Riesenschlange gedacht.

Es war aber ein Mensch; ein Mann in einem für die Jahreszeit viel zu dicken und für seine Statur viel zu großen Fischgrätmuster-Mantel mit außerordentlich ausgebeulten Taschen, so wie sie Leute haben, die stets all ihre Habe mit sich tragen. Vorerst sah ich allerdings nur seinen Kopf, den er unter der Bank hervorstreckte.

»Helfen Sie einem Verfolgten«, flüsterte er, »einem bedauernswerten Opfer seines Berufes.«

»Lassen Sie meine Füße los«, sagte ich. - (ruin)

Schlange (5) Wir kämpften acht Tage lang gegen eine Strömung, die durch die täglichen Regenfälle immer stärker wurde. Als wir einmal an einem kleinen Strand zu Mittag aßen, hörten wir ein Rascheln: es kam von einer sieben Meter langen Boa-Schlange, die wir mit unserem Gespräch aufgeweckt hatten. Mehrere Kugeln waren nötig, um sie zu erledigen, denn diesen Tieren machen Wunden am Körper nichts aus: man muß den Kopf treffen. Als wir sie ausnahmen - was einen halben Tag in Anspruch nahm -, fanden wir in ihrem Leib ein Dutzend Junge, die schon lebendig waren, aber an der Sonne eingingen. - (str2)

Schlange (6)  Heute nacht besuchte ich im Traum meine Mutter und fand eine große Riesenschlange auf dem Tabouret zusammengeringelt liegen, wie früher unsere rote Katze, welche gestorben ist. Die Schlange bildete eine ordentliche Pyramide auf dem kleinen Stühlchen, auf dem obersten engsten Ringe lag der kleine Kopf, und neben ihm ragte das spitzige Schwanzende empor, welches aus dem hohlen Innern des Turmes vom untersten Ringe her aufstieg. Da ich erschrak, so versicherte meine Mutter, es sei ein ordentliches, gutes Haustier, und sie weckte dasselbe. Wirklich entwickelte sich die Schlange sehr gemütlich, gähnte und reckte sich nach allen Seiten, wobei sie die schönsten Farben schimmern ließ. Dann spazierte sie in hohen Wellenbewegungen in der Stube umher, über den Schreibtisch und über den Ofen hin, stellte sich auf den Schwanz und fuhr mit dem Kopfe, da sie sich bei weitem nicht ganz aufrichten konnte, rings an der Stubendecke umher, als ob sie Raum suche. Dann folgte sie der Mutter in die Küche und auf den Estrich, wo sie hinging. Auch ich tat bald vertraut mit dem Tier und rief es gebieterisch beim Namen, den ich vergessen habe. Plötzlich aber hing die Schlange tot und starr über den Ofen herunter, und nun fürchteten wir sie erst entsetzlich und flohen aus der Stube. Da wurde sie wieder munter, putzte sich, lachte und sagte: „So ist es mit euch Leutchen! Man muß immer tot scheinen, wenn man von euch respektiert werden soll." Wir lachten auch, spielten mit ihr und streichelten sie. Da stellte sie sich wieder tot, sogleich wichen wir entsetzt zurück; sie machte sich wieder lebendig, und wir näherten uns wieder, sie erstarrte nochmals, und wir sprangen immer wieder fort. So trieb sie das Spiel, während ich mich in andere Träume verlor, die sehr schön waren.  - Gottfried Keller, nach (je)

Schlange (7)  MEPHISTOPHELES als grüne Schlange aus dem Baum fallend: Frrit! . . . frrrit! Wieder so eine Fruchtgeschichte... Immer das alte Stück . . . Und noch niemals ist jemand auf den Gedanken gekommen, auch mir einen Apfel, einen Pfirsich oder eine Birne anzubieten! Ich bin ein alter Freund der Bäume, aber ich mag noch soviel zwischen ihnen herumstreichen, dem Baum der Erkenntlichkeit bin ich bisher noch nicht begegnet. Der Undank gegen den Teufel versteht sich von selbst! Pah! Alle Früchte sind bittere Früchte, und wer in süßes Fleisch zu beißen glaubt, wird selbst ins Herz gebissen. Alles ist Gift in der Natur: da ist kein Lüftchen, kein Duft, kein Bach, in dem ich nicht schwebe und flüstere. Die Liebe ohne mich wäre nur ein hastiger Akt, dumm und verflackernd. Ich würze sie mit allem, dessen sie bedarf: Schatten und Tiefe, den Gedanken an die Hölle, Furcht, Haß und Reue; ich mische Träume und Zweifel hinein und mache derart ein Wunder an Vielfalt daraus. Was wäre die Liebe ohne die Schlange und ihre Einflüsterungen ? Eine monotone, periodische Vereinigung der Geschlechter nach der Naturhistorie . . . Pfui!  - Paul Valéry, Mein Faust. München 1963 (dtv sr 16, zuerst ca. 1940)

Schlange (8)  

- Alain Le Saux

Schlange (9)  Die Schlange, die für die Ophiten das gefeierte Sinnbild gleichgeschlechtlicher Liebe gewesen zu sein scheint, galt ihnen als ausgesprochen gutes Prinzip, denn ihre Aufgabe im Paradies bestand darin, die Menschen zur Erkenntnis Gottes zu führen. Jede ihrer Gemeinden unterhielt in einer Höhle eine lebendige Schlange, die beim Abendmahl auf einen Tisch herausgelockt wurde, um die Hostie, ehe sie die Gläubigen zu sich nahmen, zu belecken. Außerdem hatte jeder die Schlange bei dieser Gelegenheit zu küssen.  - (erot)

Schlange (10)  

- N.N.

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Unterbegriffe
 Schlangenmensch Heerwurm
VB
ElefantentodSchlangenmensch Aal
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