utter   Peleus ist ein Sterblicher, Thetis eine Göttin, und sie wehrt sich gegen eine Verbindung mit ihm, da er ihrer nicht würdig erscheint. Er überrascht sie schlafend in einer Höhle, packt sie und läßt sie nicht los. Sie versucht es wie Proteus mit allen möglichen Verwandlungen. Sie wird zu Feuer und zu Wasser; zu einem Löwen und einer Schlange: er läßt sie nicht los. Sie verwandelt sich in einen ungeheuren schlüpfrigen Tintenfisch und bespritzt ihn mit Tinte. Es nützt ihr alles nichts. Sie muß sich ihm ergeben und wird später, nach einigen Versuchen, sich seiner Nachkommenschaft zu entledigen, zur Mutter des Achilles.   - (cane)

Mutter (2) Mit der Mutter zu verkehren, auch wenn sie tot ist, verheißt Überfluß. - (byz)

Mutter (3) Meine Mutter stammte, wie sie behauptete, aus einem alten Hugenottengeschlecht, de Bonsac. Im 16. Jahrhundert geadelt. Der Vorfahr habe als Mundschenk guten von schlechtem Wein rasch unterscheiden können. Es war noch ein Wappen auf die Familie überkommen, das hing jetzt in Wandsbek, in das war eingeschnitzt

Bonum bono, dem Guten das Gute

Und auf dem Wappen Kelch und Traube.

Beim Gutenachtsagen legte sie mir die Hand auf die Stirn. (»Sieht sie nicht aus wie eine Gräfin?«)
Dann sprach sie lange Gebete, bei denen sich ihre Augen allmählich mit Tränen füllten.
»Oh, lieber Gott, sieh an, wie wir ohnmächtig sind vor Dir, sei barmherzig, hilf uns in allen Nöten des Leibes und Lebens, daß das Gute in uns aufkomme, und mach uns zu Deinen Kindern. Hilf allen Menschen durch Deine allmächtige, alles ver-, ver-, ver- veranlassende, verordnende Güte... « und so weiter.
Das dauerte oft lange, und ich suchte durch Strecken und Dehnen anzudeuten, daß es nun genug sei.
Dann sang sie

Müde bin ich, geh‘ zur Ruh'...

Alle vier Strophen. Sie hatte eine schöne Stimme.
Zum Schluß beugte sie sich auf mich herab, und ich durfte sie küssen. »Aber nicht auf den Mund.« - Walter Kempowski, Tadellöser & Wolff. Ein bürgerlicher Roman. München 1971

Mutter (4) Wenn nur Inger noch wie in den alten Tagen gewesen wäre! Aber Ingers Gesundheit war wohl eben leider nicht mehr so gut wie früher, was ja nach der langen Einsperrung nicht anders zu erwarten war. Daß ihr Sinn sich verändert hatte, war eine Sache für sich, ach, sie war jetzt soviel weniger nachdenklich, war gleichsam oberflächlicher, leichtsinniger. Von dem Kinde, das sie umgebracht hatte, sagte sie: Ich bin eine recht dumme Person gewesen, wir hätten sie operieren und ihren Mund zunähen lassen können, dann hätte ich nicht nötig gehabt, sie zu erwürgen. Und niemals ging sie hinaus in den Wald an ein kleines Grab, wo sie einstmals die Erde mit den Händen zusammengescharrt und ein kleines Kreuz darauf gesetzt hatte.

Aber Inger war keine unmenschliche Mutter, sie sorgte treulich für ihre anderen Kinder, hielt sie in Ordnung, nähte für sie und konnte bis spät in die Nacht hinein aufsitzen, um ihre Kleider zu flicken. Es war ihr höchster Traum, daß etwas Rechtes aus ihnen werden sollte. - Knut Hamsun, Segen der Erde

Mutter (5) Als ich noch ganz klein war, schaukelte sie mich eines Tages gerade auf den Knien, als man meldete, ein von einem Kunden ausgestellter Wechsel sei nicht eingelöst worden. Sie setzte mich so heftig auf die Erde, daß ich hinfiel und mir das Handgelenk verstauchte.

Einmal hat sie mich belohnt, weil ich einem alten Bettler, der am Gitter um ein Almosen bat, antwortete: »Gehen Sie doch lieber arbeiten, Sie Faulenzer!«

»Gut, gut, mein Kind«, sagte sie zu mir. »Die Arbeit ist die einzige Arznei gegen das Elend und eine starke Vorkehrung gegen die Schlechtigkeit. Wenn man arbeitet, denkt man nicht daran, anderen etwas Böses zu tun.«

Und sie schenkte mir ein kleines Gewehr, mit dem man prächtig Vögel schießen konnte.

Ein anderes Mal bestrafte sie mich, weil ich immer fragte, wohin die Wege führten, die beim Spaziergang. unsere Straße kreuzten. Meine Mutter hatte recht, ich hab's inzwischen eingesehn. Jawohl, es ist lächerlich, immer zu fragen, wohin die Wege führen. Sie führen einen immer dahin, wohin man muß.  - Georges Darien, Der Dieb. Nördlingen 1989 (Die Andere Bibliothek 54, zuerst 1897)

Mutter (6)  1) einmal hat die M. nicht verboten: Redewendung, wenn der Spieler einmal Trumpf oder eine bestimmte Farbe aufspielt, weil jeder Mitspieler wahrscheinlich einmal bedienen muß, und danach ein anderes Verfahren einschlägt oder den weiteren Verlauf abwartet. Leitet sich möglicherweise von der geschlechtlichen Aufklärung durch die Mutter her, dann aber abgefälscht durch das Sprichwort »einmal ist keinmal«. 2) jm. zeigen, wo die Mutter die Milch aufbewahrt (wo der Mutter die Brust sitzt) = den Gegner in die Enge treiben.  - ()

Mutter (7)  Ich hab es zufällig an einer Stelle aufgeschlagen, wo es um die Mütter der Künstler geht, Prousts Mutter, die ihren Sohn im Asthma erstickt, Artaud, der von der ständigen Schwangerschaft seiner Mutter verfolgt wird, Mozart, unberührt vom Tod seiner Mutter (»une magnifique sonate quand mêne«), Céline, und natürlich auch im Leben Johnsons, den Sollers nicht erwähnt, spielt die Mutter eine problematische Rolle. Zum einen versucht sie, das Schielen auf dem linken Auge pragmatisch durch eine Augenklappe zu heilen »und durch Entschiedenheit, zum anderen sagt sie wiederholt: Du schielst äs een Schafbock«. Doch es war angeblich Fürsorge, die Johnsons Mutter dies sagen ließ, da sie sich für ihren Sohn die Profession des Chirurgen ausgedacht hatte, und wenn man Menschen aufschneidet, benötigt man einen genauen Blick. Welche Eingebung aber rationalisiert hier die andere? Der Berufswunsch die mütterliche Unbarmherzigkeit dem Leiden gegenüber oder die mütterliche Unbarmherzigkeit den Berufswunsch? Weil sie ihre Kinder einfach nicht abnabeln, scheinen die Mütter so grausam, da sie längst nicht mehr das Kind, sondern sich selbst an ihm nähren. - Frank Witzel, Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969. Berlin 2016

Mutter (8)  O Nacht ohne Gegenstände. O stumpfes Fenster hinaus, o sorgsam verschlossene Türen; Einrichtungen von alters her, übernommen, beglaubigt, nie ganz verstanden. O Stille im Stiegenhaus, Stille aus den Nebenzimmern, Stille hoch oben an der Decke. O Mutter: o du Einzige, die alle diese Stille verstellt hat, einst in der Kindheit. Die sie auf sich nimmt, sagt: erschrick nicht, ich bin es. Die den Mut hat, ganz in der Nacht diese Stille zu sein für das, was sich fürchtet, was verkommt vor Furcht. Du zündest ein Licht an, und schon das Geräusch bist du. Und du hältst es vor dich und sagst: ich bin es, erschrick nicht. Und du stellst es hin, langsam, und es ist kein Zweifel: du bist es, du bist das Licht um die gewohnten herzlichen Dinge, die ohne Hintersinn da sind, gut, einfältig, eindeutig. Und wenn es unruhigt in der Wand irgendwo, oder einen Schritt macht in den Dielen: so lächelst du nur, lächelst, lächelst durchsichtig auf hellem Grund in das bangsame Gesicht, das an dir forscht, als wärst du eins und unterm Geheimnis mit jedem Halblaut, abgeredet mit ihm und einverstanden. Gleicht eine Macht deiner Macht in der irdischen Herrschaft? Sieh, Könige liegen und starren, und der Geschichtenerzähler kann sie nicht ablenken. An den seligen Brüsten ihrer Lieblingin überkriecht sie das Grauen und macht sie schlottrig und lustlos. Du aber kommst und hältst das Ungeheuere hinter dir und bist ganz und gar vor ihm; nicht wie ein Vorhang, den es da oder da aufschlagen kann. Nein, als hättest du es überholt auf den Ruf hin, der dich bedurfte. Als wärest du weit allem zuvorgekommen, was kommen kann, und hättest im Rücken nur dein Hereilen, deinen ewigen Weg, den Flug deiner Liebe.  - Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. Fankfurt am Main 2000 (it 2691, zuerst 1910)


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