ichtung

Cheshire-Katze, verschwindend

Alice: »Können Sie mir bitte sagen, wie ich von hier fortkomme?«
Die Cheshire-Katze »Das hängt sehr davon ab, wohin du gehen willst »

»Wohin ist mir egal ...«

»Dann ist es egal, welchen Weg du nimmst...« - Lewis Carroll, Alice im Wunderland (Illustr. Sir John Tenniel)

Richtung (2)  

- Charles M. Schulz, Nobody's perfect, Charlie Brown. Greenwich Conn. 1968 (Fawcett Crest, zuerst ca. 1962)

Richtung (3) Es war längst dahin gekommen, daß sich die meisten seiner Überlegungen nur noch mit einer Frage beenden ließen, die äußerst simpel war und auf alles mögliche anwendbar: Wohin soll ich gehen? - Eigentlich war er der Meinung, er sei von dieser Frage schon immer beherrscht gewesen, aber jetzt beherrschte sie ihn bis zur Ausschließlichkeit. Nun warf sie sich alle paar Schritte auf, die er irgend ging und zu gehen suchte. Sie bedrängte ihn um so mehr, je weniger er sie sich beantworten wollte. Er unterdrückte sie, doch sie verfolgte ihn schon, wenn er nur zu ein paar harmlosen Besorgungen auf die Straße ging, schlimmer noch, sie fiel ihn mitten in der Wohnung an. Seit er eine Wohnung mit drei Zimmern, plus Küche und Duschzelle, bewohnte, und somit über Räumlichkeiten von nie gekannter Größe und Übermacht verfügte, geschah es auf einmal, daß er mitten in der Wanderschaft über den Parkettboden zur Salzsäule erstarrte, so als habe er ungewollt einen Blick zurück nach Gomorra geworfen, und sich verwirrt fragte: In welches Zimmer soll ich gehen? - Wolfgang Hilbig, Das Provisorium. Frankfurt am Main 2001 (Fischer-Tb. 15099, zuerst 2000)

Richtung (4) In dem Traum war der Bahnhof auf einmal verschwunden, statt dessen führte der Weg immer tiefer in ein düsteres, offenbar ärmliches Viertel hinein, wo alte verbogene Lampen ein kaum leuchtendes, irgendwie qualmendes Licht verstreuten. Er fragte sich schon, ob er in eine falsche Richtung gegangen sei, als sich eine Gestalt aus dem Schatten niedriger Häuser löste und ihm ein Zeichen gab, er möge ruhig geradeaus weitergehen. Der Mensch schloß sich ihm an, ihn in ein Gespräch verwickelnd, in einem mühsamen und gebrochenen Deutsch; er hatte das Gefühl, einen Irren neben sich zu haben, und blickte sich nach einem Fluchtweg um, doch es schien keinen Ausgang aus der Gasse zu geben. Der Mann trat ihm plötzlich in den Weg und fragte deutlich, in nicht mehr gebrochenem Deutsch, ob er vielleicht zur Beichte gehen wolle. - Ein Deutschenhasser! dachte C.; er blickte ihm ins Gesicht: ein älterer Mann mit einem weißen Bart, er war von ziemlich kräftiger Statur. - Jetzt faßte er nach C.s Jacke und wiederholte: Ob er ihn vielleicht zur Beichte begleiten solle? Dabei lächelte er mit tadellosem Gebiß, die Hände hielten C.s Jackenkragen; der Griff wurde immer fester. C. stieß ihn heftig vor die Brust, der Alte wurde gegen das Gemäuer geworfen, hörte aber nicht auf zu lächeln. Im gleichen Moment wußte C., daß er Gott vor sich hatte ... kein Zweifel, es war Gott, er hatte ihn so in seiner Vorstellung schon gesehen. In einem Ausbruch von Wut, vermischt mit Angst, fuhr er dem Alten an die Gurgel und drückte zu. - Du hast alles, und ich habe nichts! schrie C., doch seine Stimme kam ihm nur dünn und schrill vor. Der Alte lächelte noch immer; C. würgte ihn mit beiden Fäusten und preßte seine Daumen gegen den Kehlkopf: Du hast alles, ich habe nichts! brüllte er noch einmal. - In diesem Augenblick sah er, daß der Hals den Kopf einer Frau trug, das Gesicht einer Frau, das ihn anlachte. Es war ein fast schönes Gesicht, grell und raffiniert geschminkt, mit offenem Mund; durch den Druck seiner Hände quoll ihr die Zunge zwischen den blutroten Lippen hervor. Und die Zunge war lang und spitz und bewegte sich zuckend, züngelnd wie die einer Schlange; es war nicht zu leugnen, daß die Frau spöttisch lächelte. C. lockerte erschrocken den Griff, die Frau fragte: Willst du mein Arschloch sehen? Sehen kostet nur die Hälfte ... Diesen Worten folgte ein Lachen, weich und leise, das glucksend aus der Kehle hinter der Zunge stieg. - Wolfgang Hilbig, Das Provisorium. Frankfurt am Main 2001 (Fischer-Tb. 15099, zuerst 2000)

Richtung (5) Schließlich muß man den geheimnisvollen Kräften Rechnung tragen, die so viele Städte nach Westen treiben und ihre östlichen Viertel dem Elend oder dem Verfall preisgeben. Vielleicht ist dies nur die Widerspiegelung jenes kosmischen Rhythmus, unter dessen Einfluß die Menschheit seit ihren Anfängen von der unbewußten Überzeugung durchdrungen war, daß die Richtung der Sonne positiv, die umgekehrte Richtung dagegen negativ sei; daß die eine die Ordnung, die andere das Chaos bedeute. Zwar beten wir schon lange nicht mehr die Sonne an und haben aufgehört, den vier Himmelsrichtungen magische Eigenschaften zuzuschreiben: Farben und Tugenden. Aber so sehr unser euklidischer Geist inzwischen gegen die qualitative Auffassung des Raums rebelliert, können wir doch nichts daran ändern, daß die großen astronomischen, ja sogar die meteorologischen Phänomene die Erdregionen mit einem zwar unmerklichen, aber unauslöschlichen Koeffizienten versehen; daß für alle Menschen die Ost-West-Richtung diejenige der Erfüllung ist und daß für den Bewohner der gemäßigten Zonen der nördlichen Hemisphäre der Norden stets Nacht und Kälte, der Süden dagegen Licht und Wärme symbolisiert. Nichts von alledem kommt im vernünftigen Verhalten des einzelnen Menschen zum Ausdruck. Aber das Stadtleben zeigt einen merkwürdigen Gegensatz. Obwohl es die komplexeste und raffinierteste Form der Zivilisation darstellt, aufgrund der außergewöhnlichen Konzentration von Menschen auf kleinem Raum und der Dauer seines Zyklus, häufen sich im Schmelztiegel der Stadt unbewußte Verhaltensweisen, die jeweils zwar verschwindend gering sind, jedoch aufgrund der Vielzahl der Individuen, welche sie an den Tag legen, große Wirkungen zeitigen können. So zum Beispiel das Wachstum der Städte von Osten nach Westen sowie die Polarisierung von Luxus und Elend gemäß dieser Achse, was unverständlich bliebe, wenn man nicht jenes Privileg - oder jene sklavische Notwendigkeit - der Städte erkennt, nämlich gleich einem Mikroskop, und dank der ihnen eigentümlichen Vergrößerung, auf der Unterlage des kollektiven Bewußtseins das mikrobische Gewimmel der immer noch lebendigen abergläubischen Vorstellungen unserer Vorväter ans Licht zu bringen.

Aber handelt es sich überhaupt um Aberglauben? In solchen Vorlieben sehe ich eher den Ausdruck einer Weisheit, der die wilden Völker spontan gehorcht haben und der gegenüber die moderne Rebellion als der wahre Irrwitz erscheint. Oft haben es diese Völker verstanden, unter sehr geringen Anstrengungen zur geistigen Harmonie zu gelangen. Wieviel Verschleiß, wieviel sinnloser Ärger bliebe uns nicht erspart, wenn wir uns entschließen würden, die realen Bedingungen unserer menschlichen Erfahrung anzuerkennen und zu begreifen, daß es nicht in unserer Macht steht, uns völlig von ihrem Rahmen und ihrem Rhythmus zu befreien. Der Raum besitzt seine eigenen Werte, so wie die Töne und Düfte Farben und die Gefühle ein Gewicht haben. Diese Suche nach den Entsprechungen ist weder ein poetisches Spiel noch eine Mystifizierung (wie man es anläßlich des Sonetts von Rimbaud über die Vokale zu schreiben wagte, heute ein klassisches Beispiel für den Linguisten, der die Grundlage nicht der Farbe der Phoneme - denn diese verändert sich je nach den Individuen -, sondern der die Beziehung kennt, die sie vereint und die eine begrenzte Stufenleiter von Möglichkeiten zuläßt); sie öffnet dem Wissenschaftler ein ganz neues Feld, dessen Erforschung ihm noch zu reichen Entdeckungen verhelfen kann. - (str2)

Richtung (6) In einem andern und specieller bestimmten Sinn, war der ausdrückliche und absichtliche Gegensatz zum Aristoteles Bako von Verulam. Jener nämlich hatte zuvörderst die richtige Methode, um von allgemeinen Wahrheiten zu besondern zu gelangen, also den Weg abwärts, gründlich dargelegt; das ist die Syllogistik, das Organum Aristotelis. Dagegen zeigt Bako den Weg aufwärts, indem er die Methode, von besondern Wahrheiten zu allgemeinen zu gelangen, darlegte: dies ist die Induktion, im Gegensatz der Deduktion, und ihre Darstellung ist das novum organum, welcher Ausdruck, im Gegensatz zum Aristoteles gewählt, besagen soll: »eine ganz andere Manier es anzugreifen.« - Des Aristoteles, aber noch viel mehr der Aristoteliker Irrthum lag in der Voraussetzung, daß sie eigentlich schon alle Wahrheit besäßen, daß diese nämlich enthalten sei in ihren Axiomen, also in gewissen Sätzen a priori, oder die für solche gelten, und daß es, um die besonderen Wahrheiten zu gewinnen, bloß der Ableitung aus jenen bedürfe. Ein Aristotelisches Beispiel hievon gaben seine Bücher de coelo. Dagegen nun zeigt Bako, mit Recht, daß jene Axiome solchen Gehalt gar nicht hätten, daß die Wahrheit noch gar nicht in dem damaligen System des menschlichen Wissens läge, vielmehr außerhalb, also nicht daraus zu entwickeln, sondern erst hineinzubringen wäre, und daß folglich erst durch Induktion allgemeine und wahre Sätze, von großem und reichem Inhalt, gewonnen werden müßten.

Die Scholastiker, an der Hand des Aristoteles, dachten: wir wollen zuvörderst das Allgemeine feststellen: das Besondere wird daraus fließen, oder mag überhaupt nachher darunter Platz finden, wie es kann. Wir wollen demnach zuvörderst ausmachen, was dem ens, dem Dinge überhaupt zukomme: das den einzelnen Dingen Eigenthümliche mag nachher allmälig, allenfalls auch durch die Erfahrung, herangebracht werden: am Allgemeinen kann Das nie etwas ändern. - Bako dagegen sagte: wir wollen zuvörderst die einzelnen Dinge so vollständig, wie nur immer möglich, kennen lernen: dann werden wir zuletzt erkennen, was das Ding überhaupt sei.

Inzwischen steht Bako dem Aristoteles darin nach, daß seine Methode zum Wege aufwärts keineswegs so regelrecht, sicher und unfehlbar ist, wie die des Aristoteles zum Wege abwärts. Ja, Bako selbst hat, bei seinen physikalischen Untersuchungen, die im neuen Organon gegebenen Regeln seiner Methode bei Seite gesetzt. - (schop)

Richtung (7) Der Abt Terrasson unterscheidet irgendwo die von gestörtem Gemüte in solche, welche aus falschen Vorstellungen richtig schließen, und in diejenige, die aus richtigen Vorstellungen auf eine verkehrte Art schließen. - Immanuel Kant, Versuch über die Krankheiten des Kopfes (1764

Richtung (8)  Wenn man von dem Himmel als dem Sitze der Seligen redet, so setzt die gemeine Vorstellung ihn gerne über sich, hoch in dem unermeßlichen Weltraume. Man bedenket aber nicht, daß unsre Erde, aus diesen Gegenden gesehen, auch als einer von den Sternen des Himmels erscheine, und daß die Bewohner anderer Welten mit eben so gutem Grunde nach uns hin zeigen könnten, und sagen: sehet da den Wohnplatz ewiger Freuden und einen himmlischen Aufenthalt, welcher zubereitet ist, uns dereinst zu empfangen. Ein wunderlicher Wahn nämlich macht, daß der hohe Flug, den die Hoffnung nimmt, immer mit dem Begriffe des Steigens verbunden ist, ohne zu bedenken, daß, so hoch man auch gestiegen ist, man doch wieder sinken müsse, um allenfalls in einer andern Welt festen Fuß zu fassen. - Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik (1766)

Richtung (9)  Ein wichtiges Postulat der Physik besagt, dass der Raum isotrop ist, das heißt, dass darin keine Richtung in irgendeiner Weise privilegiert ist. Die Gesetze der Physik kennen daher keine absolute Richtung. So erfährt die elektrische Kraft, die das PROTON und das ELEKTRON innerhalb des Wasserstoffatoms aneinander bindet, keinerlei Veränderung, wenn das ATOM eine Drehung um sich selbst vollführt. Man sagt, die Gesetze der Physik seien invariant gegenüber einer Rotation. Diese Aussage folgt unmittelbar aus der Isotropie des Raumes. Und aus der genannten Invarianz folgt wiederum unmittelbar die Erhaltung des Drehimpulses.

In Wirklichkeit ist die Isotropie des Raumes keineswegs offenkundig. Sie scheint sogar widerlegt, wenn wir etwa den senkrechten Fall eines Steins oder die ständige Ausrichtung der Magnetnadel nach Norden betrachten. Tatsächlich gibt es in unserer Umgebung durchaus privilegierte Richtungen, die je nach dem betrachteten Phänomen (Fall des Steins, Ausrichtung der Magnetnadel) unterschiedlich sind. Die Begriffe des FELDES und des Vektors wurden eingeführt, um dieser unsichtbaren Ausrichtung des Raumes gerecht zu werden, die aus der Anwesenheit von Objekten mit bestimmten Eigenschaften resultiert: aus der Masse des Steins oder dem magnetischen Moment des Eisens. Gilt das für den Raum auch im allergrößten Maßstab, im Bereich der Galaxien oder sogar der Galaxienhaufen? Auf dieser Ebene haben die von den einzelnen Objekten erzeugten Gravitations- und Magnetfelder keine privilegierte Richtung mehr. Besteht auch dort noch eine Differenz zur Isotropie, das heißt, ist der Raum auch auf dieser Ebene anisotrop?

Um die Isotropie des Weltraums zu prüfen, kann man die Galaxien zählen, die sich von der Erde aus in alle Richtungen bis zu einer bestimmten Entfernung (z. B. hundert Millionen Lichtjahre) beobachten lassen. Dabei stellt man fest, dass die Zahl der beobachtbaren Galaxien in allen Richtungen dieselbe ist. In dem durch unsere Beobachtungsmöglichkeiten und die festgelegte Entfernung definierten Maßstab ist der Raum also von Galaxien gefüllt, ohne dass sich dabei eine privilegierte Richtung ausmachen ließe. Auch die Expansion des Universums ist in allen Richtungen, in die wir sehauen, dieselbe. Die kosmische Strahlung des SCHWARZEN KÖRPERS - das Licht also, das einst von einem noch heißen Universum lange vor der Entstehung der Galaxien emittiert wurde und das heute zu uns gelangt - zeigt gleichfalls keinerlei erkennbare Unterschiede, wenn wir in verschiedene Richtungen blicken. Wenn es darum geht, eine möglichst einfache mathematische Darstellung des Universums zu finden, hält man es daher für gerechtfertigt, von der Isotropie des Raumes auszugehen, auch wenn ein strenger positiver Beweis dafür nicht erbracht werden konnte. So ist es denn auch nicht ausgeschlossen, dass wir dieses Postulat eines Tages werden aufgeben müssen.  - (thes)

Richtung (10)  Ein Text der selber sich liest, liest sich selber in Leserichtung durch und in der anderen, die keine Leserichtung, ihm aber gleichwohl eigen ist, auf. Nur wenn diese andere Richtung, in der er sich selber aufliest (andere Lesart: auflöst), auch in der einen Leserichtung, die er durchliest, zum Tragen kommt, das durch ihn liest, hört er nicht auf, ein sich selber lesender Text zu sein, d. h. eine Stimme, die aufhört wo sie durchkommt und aufkommt wo sie sich durchhört, sondern trägt sich selber so glücklich fadenscheinig vor, daß jedes Ohr (das in Leserichtung, und das in der anderen) im Nachteil ist, denn auch sie gehören nur zum Text der selber sich liest.  - (palin)

Richtung (11)  Er hatte an der gleichen Stelle schon während des Tages Posten gestanden. Aber alles war jetzt anders; er sah nichts im Detail, sondern nur Gruppen von Dingen, deren Umrisse jetzt ganz unvertraut wirkten, weil man sie nicht bemerkt, wenn es mehr zu sehen gibt. Sie schienen früher nicht dagewesen zu sein. Einer Landschaft, die nur aus Bäumen und Unterholz besteht, fehlt im übrigen auch die Besonderheit; sie wirkt wirr und hat keine auffälligen Punkte, an denen sich die Aufmerksamkeit eine Stütze suchen kann. Wenn dann die Dämmerung der mondlosen Nacht hinzukommt, dann wird mehr als natürliche Intelligenz und städtische Erziehung erfordert, um den Richtungssinn zu bewahren. Und so kam es auch, daß Soldat Grayrock, nachdem er die Gegend vor sich aufmerksam beobachtet und dann unklugerweise einen Rundgang durch seine undeutlich sichtbare Umgebung unternommen hatte - wobei er leise um seinen Baum wanderte - so kam es also, daß er den Richtungssinn verlor und seine Nützlichkeit als Posten ernsthaft beeinträchtigte. Verloren auf seinem Posten, unfähig zu bestimmen, in welcher Richtung er nach feindlicher Annäherung auszuschauen hatte und in welcher Richtung sich das schlafende Lager befand, für dessen Sicherheit er mit seinem Leben einstand, in dem Bewußtsein auch manch anderer widriger Umstände der Situation und voller Bedenken für seine Sicherheit, war Soldat Grayrock tief beunruhigt. Es wurde ihm aber auch nicht Zeit gelassen, seine Ruhe wiederzufinden, denn fast in dem Augenblick, als ihm das Unheimliche seiner Lage deutlich wurde, hörte er ein Rauschen von Blättern und das Knacken toter Zweige, und indem er sich mit aussetzendem Herzschlag in die Richtung wandte, aus der das Geräusch kam, sah er in der Dunkelheit die undeutlichen Umrisse einer menschlichen Gestalt. - Ambrose Bierce, Die Spottdrossel. In: A.B., Der Gnadenstoß. Reinbek bei Hamburg 1965 (rk 184)

Richtung (12)  Es gibt Leute, die sich die Epochen, in welchen die Bildung einer Nation fortschreitet, in einer gar wunderlichen Ordnung vorstellen. Sie bilden sich ein, daß ein Volk zuerst in tierischer Roheit und Wildheit daniederläge; daß man nach Verlauf einiger Zeit, das Bedürfnis einer Sittenverbesserung empfinden, und somit die Wissenschaft von der Tugend aufstellen müsse; daß man, um den Lehren derselben Eingang zu verschaffen, daran denken würde, sie in schönen Beispielen zu versinnlichen, und daß somit die Ästhetik erfunden werden würde: daß man nunmehr, nach den Vorschriften derselben, schöne Versinnlichungen verfertigen, und somit die Kunst selbst ihren Ursprung nehmen würde: und daß vermittelst der Kunst endlich das Volk auf die höchste Stufe menschlicher Kultur hinaufgeführt werden würde. Diesen Leuten dient zur Nachricht, daß alles, wenigstens bei den Griechen und Römern, in ganz umgekehrter Ordnung erfolgt ist. Diese Völker machten mit der heroischen Epoche, welches ohne Zweifel die höchste ist, die erschwungen werden kann, den Anfang; als sie in keiner menschlichen und bürgerlichen Tugend mehr Helden hatten, dichteten sie welche; als sie keine mehr dichten konnten, erfanden sie dafür die Regeln; als sie sich in den Regeln verwirrten, abstrahierten sie die Weltweisheit selbst; und als sie damit fertig waren, wurden sie schlecht- Heinrich von Kleist

Richtung (13)   WOHIN GEHEN WIR? In neunundneunzig von hundert Fällen würde ich Ihnen mit Sicherheit antworten, daß wir alle zum Teufel gehen, und ich werde zweifellos nicht von der kleinen Zahl hergelaufener Meßner Lügen gestraft, die als Leute von Welt gelten möchten, indem sie gute Manieren zur Schau stellen. Ja, meine Freunde, wir gehen alle zum Teufel, und wir sitzen in einem Schnellzug. Die Reisenden können nicht zurückkehren, es gibt nur eine einzige Spur ohne Signale, und es ist keinerlei Zusammenstoß zu befürchten.  - (bloy)

Richtung (14)  Die Schlange Amphisbaina hat zwei Köpfe, einen vorn und einen am Schwanzende. Ist sie unterwegs und will vorwärts, dann läßt sie das hintere Ende Schwanz sein und ernennt das vordere zum Kopf. Möchte sie dann in die Gegenrichtung kriechen, benutzt sie die Köpfe umgekehrt wie zuvor.   - (ael2)

Richtung (15)  Wenn jemand vertrauensvoll in der Richtung seiner Träume vorwärts schreitet und danach strebt, das Leben, das er sich einbildete, zu leben, so wird er Erfolge haben, von denen er sich in gewöhnlichen Stunden nichts träumen ließ. Er wird mancherlei hinter sich lassen, wird eine unsichtbare Grenze überschreiten. Neue, allgemeine und freiere Gesetze werden sich um ihn und in ihm bilden oder die alten werden ausgedehnt und zu seinen Gunsten in freierem Sinne ausgelegt werden. - N.N., (cel) zugeschrieben

Richtung (16)  

Richtung (17)  

- Alfred Eisenstaedt

Richtung (18)  

Die Meister der Vier Richtungen. Chinesisches Amulett zur Abwendung von Geisterflüchen.

Der Kaiser betraute seine obersten Lehensleute, die Vier Berge genannt, mit der Aufrechterhaltung des Friedens in den Vier Richtungen (nach alten Legenden). China kannte allerdings fünf Weltrichtungen: in der fünften, der Mitte, hat man sich den Sitz des Kaisers vorzustellen.

- (zahl)

Richtung (19)  Es gibt kein Ding, das mit einer leichten Drehung der Imagination nicht ein anderes sein könnte. In einer grünen See emporgestiegene Tümmler, der bei Einbruch der Nacht die Türen haben auch eine Rückseite. Und Grashalme sind zweischneidig. Zu versuchen, mich zu täuschen, ist sinnlos, Blätter fallen mehr durch die Knospen, die sie abstoßen, als durch Mangel an Grün. Oder werfe zwei Schuhe auf den Boden und schau dir an, wie sie liegen falls du denkst, alles verlaufe in einer Richtung.  - (kore)

Richtung (20)  

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