chlechtigkeit  Die tierische Roheit ist weniger schlimm als die Schlechtigkeit, aber gefährlicher. Denn da ist das Beste nicht zerstört wie beim normalen Menschen, sondern es ist gar nicht vorhanden. Man könnte also ebensogut Unbeseeltes und Beseeltes vergleichen und fragen, was schlechter sei. Die Schlechtigkeit dessen, was kein Prinzip des Handelns hat, ist immer harmloser; und Prinzip ist der Geist. Es ist also ähnlich, wie wenn man die Ungerechtigkeit mit dem ungerechten Menschen vergleicht. Jedes von beidem kann in gewissem Sinne das Schlechtere sein. Der schlechte Mensch kann sicherlich tausendmal mehr Schlechtes tun als ein Tier.

Was nun Lust und Schmerz, Begehren und Meiden im Bereich des Berührens und Schmeckens betrifft und worauf sich, wie gesagt, Zügellosigkeit und Besonnenheit beziehen, so kann man sich so verhalten, daß man dem unterliegt, was sonst die meisten beherrschen, oder man kann beherrschen, wem die meisten unterliegen. Im Hinblick auf die Lust heißt man unbeherrscht und beherrscht, im Hinblick auf den Schmerz weichlich oder abgehärtet. Dazwischen steht das Verhalten der meisten, auch wenn sie eher zum Schlechteren hinneigen.  - (eth)

Schlechtigkeit (2) Die vom Äther betäubten Schmetterlinge flatterten hierhin und dorthin und fielen im Todeskampf in den Saal. Einer blieb zerquetscht unter den Füßen der Tänzer. Ein anderer, über eine Rose geneigt, als wollte er sich in einem Tautropfen spiegeln, starb entkräftet in dieser koketten Haltung. Wieder ein anderer mit schneeweißen Flügeln, der sich auf dem Rand eines Aschentellers niedergelassen hatte, schien sich in Demut kleiden zu wollen, bevor er starb.

Die Armenierin steckte ihren kleinen Finger in ein Glas und ließ einen Tropfen auf den Kopf des Tierchens fallen, das wie vom Blitz getroffen rücklings fiel.

«Nein, nein, Kalantan, das ist eine dumme Grausamkeit!» rief die blonde Frau, als ob man ihr die Hände mit einer großen Nadel durchbohrt hätte. «Das ist eine dumme Grausamkeit. Du bist schlecht und wahnsinnig, Kalantan!»

Die Stimme der Frau klang hölzern und herb, als wäre ihr etwas Wasser im Hals geblieben, das, während sie sprach, gurgelte. Die Augen gläsern, die Finger verkrallt, als wollte sie sich an jemandes Arm festklammern...

Die Violine klagte.

Die aufgeregte Frau sank zurück, von einer heftigen Krise befallen. Die Armenierin riß dem Chirurgen das Kokainschächtelchen aus der Hand, füllte die Nasenlöcher der wutentbrannten Frau, die mit gerunzelter Stirn und schreckerfüllten Augen fortfuhr zu zischen: «Schlecht, schlecht, schlecht!»

Tito Arnaudi erhob sich, trat an die angelehnte Falltür der Versenkung; durch die Öffnung sah er weder den Geiger noch das Instrument; nur der weißliche Bogen wurde bald sichtbar, bald verschwand er wieder.

«Sie kommt wieder zu sich», sagte Kalantan, die schöne Armenierin, und gab die goldene Schachtel zurück.

Das Gift heilte sie für den Augenblick: die Stirn glättete sich, die Finger streckten sich, in die Augen kam ein fast heiterer Ausdruck.

«Du bist gut, meine kleine Kalantan», flüsterte sie. «Verzeihe mir». - Pitigrilli, Kokain. Reinbek bei Hamburg 1988 (rororo 12225, zuerst 1922)

Schlechtigkeit (3) »Weißt du«, sagte sie, »mir gefällt eine ganze Menge an dieser Party nicht. Und am wenigsten gefallen mir die Leute. Mir kommt es vor, als ob sie nicht deshalb schlecht sind, weil das ihrem Wesen entspricht, sondern weil sie das Gefühl haben, schlecht sein zu müssen. Sie scheinen das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen, wenn sie sich nicht wie alle benehmen. Du bist anders als sie.« »Danke.«

»Ja, du bist einfach von Natur aus ein schlechter Mensch.« »Was für eine Frechheit.«

»Ja, du kannst nicht anders. Du bist einfach schlecht. Du versuchst nicht, es zu sein. Vermutlich willst du es gar nicht sein. Es stellt sich spontan ein, und so bist du eben schlecht. Und deshalb bist du soviel besser als die sogenannten guten Männer - diese moralischen Typen. Leuten, die nicht von Natur aus schlecht sind, fällt es nicht schwer, gut zu sein. Ich kann gute Leute ertragen und schlechte, aber diese Scheinheiligen mit ihren Tanzmädchen dort oben langweilen mich einfach zu Tode.«

»Du meinst die Sorte, die freitags ihre Koffer packt, ihren illegalen Schnaps einkauft und dann zu einem wilden Wochenende aufbricht. Sie geben immer Partys, oder für sie werden Partys gegeben, und dann sind sie im allgemeinen boshaft, und das macht ihnen viel Spaß.«

»Vermutlich«, sagte Meg, »aber ich habe schließlich keine große Erfahrung mit solchen Leuten. Ich glaube, sie gehen nie schlicht und einfach miteinander ins Bett. Sie treffen alle möglichen aufwendigen Arrangements, planen, flüstern und telefonieren, tuscheln miteinander wie die beiden, die gerade vorbeigegangen sind. Und dann kommt die große Enttäuschung. Keine Reize, keine Überraschung, kein Genuß. Sie entdecken nicht das Laster, sondern sie suchen es bewußt.« - (goetter)

Schlechtigkeit (4) Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es haßt: denn der Mann ist im Grunde der Seele nur böse, das Weib aber ist dort schlecht. - Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra (zuerst 1885)

Schlechtigkeit (5)  Faol fuhr fort: »Begeht der Stein Sünden? Begeht der Baum Sünden? Begeht das Tier Sünden? Oder begeht Sünden allein der Mensch?«

»Mlam-mlam«, sagte Myschin, Faol lauschend. »Schup-schup.«

Faol fuhr fort: »Wenn nur der Mensch Sünden begeht, heißt das, alle Sünden der Welt befinden sich allein beim Menschen. Die Sünde dringt nicht in den Menschen ein, kommt aber aus ihm heraus. Das ist so ähnlich wie mit der Nahrung: der Mensch nimmt Gutes zu sich und gibt nur Schlechtes von sich. Es gibt nichts Schlechtes auf der Welt; nur das, was durch den Menschen gegangen ist, kann zu etwas Schlechtem werden.«

»Klugscher«, sagte Myschin und versuchte vom Fußboden aufzustehen.  - (charms)

Schlechtigkeit (6)  

Ethik Gefühle, unfreundliche
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