- Diderot
an Sophie Volland,
nach (
kis
)
Berührung (2) In jeder Berührung entsteht eine Substanz, deren Wirckung so lange, als die Berührung, dauert. Dies ist der Grund aller synthetischen Modificationen des Individuums.
Es giebt aber einseitige und wechselseitige Berührungen - Jene begründen
diese. - Novalis, Blüthenstaub (1798)
Berührung (3) Gleich an einem der ersten Tage
bestieg ich den Oksen bis zur oberen Grenze des Baumgürtels. Der Wald
besitzt hier eine starke geistige Kraft, besonders in den höheren Lagen,
in denen ein Behang aus zottig weißen Flechten die Hölzer umspinnt. Man
sagt, daß hier die Huldren wohnen, betörende weibliche
Geister, denen gegenüber Vorsicht geboten ist. Man spricht von Fällen,
in denen Menschen, die den Tag bei einsamer Arbeit im Walde verbrachten,
etwa Holzhauer, »bergtagen« zurückkehren - das will sagen, mit einer Benommenheit
oder Berührung, die vom Berge stammt. Solche Leute gelten als gestört,
doch ist ihnen, wie Celsus mir erzählte, nicht sehr viel anzumerken, nur
schaffen, sprechen, gehen und denken sie seit der Zeit langsamer und schwerfälliger,
auch sind sie etwas wunderlich. - Ernst Jünger, Myrdun. Briefe aus
Norwegen (15. Juli 1935). München 1980 (dtv bibliothek kubin, zuerst
1943)
Berührung (4) Wenn Ihr heimkommt, so sendet alle
Eure Diener mit irgendeinem Auftrag nach verschiedenen Richtungen aus. Der,
welchen Ihr am weitesten fortschickt, wird trotzdem als erster wieder zurück
sein, und das ist der, welcher niemals betet. Wenn er von seiner Reise zurückkommt,
so fragt Ihr ihn, was er als Lohn für die schnelle Erledigung seines Auftrages
verlangt. Er wird Euch bitten, ihm das zu geben, auf was er zuerst die Hand
legt. Ihr werdet es ihm gewähren, und dann wird er versuchen. Eure Gemahlin
zu bekommen. Schließt diese in das höchste Zimmer Eures großen Schloßturms ein,
derart, daß jener eine Leiter ergreifen muß, um zu ihr hinaufzugelangen. Sobald
er die Hand an die Leiter legt,
müßt Ihr ihm sagen, daß sie ihm gehört und daß er sie mitnehmen kann. Sogleich
wird er sich in seiner eigenen Schlinge gefangen sehen und sich mit einem furchtbaren
Schrei in die Lüfte erheben mitsamt der Leiter; denn
er ist der Teufel.
- (
bret
)
Berührung (5) Es fängt damit an, daß die Weibchen nach der Befruchtung etwa zehn Gelege mit jeweils dreißig bis hundert Eiern im Sand vergraben und die Löcher mit Schaumpfropfen verschließen. Konstante Brutgebiete haben sie nicht. Bevorzugt werden jedoch die Sahelzone, der Sudan, Äthiopien und Somaliland, das südliche Mauretanien, der Tschad, die arabische Halbinsel, der südliche Iran, das nordwestliche Indien und auch der Westen der Vereinigten Staaten von Amerika.
Nach sechs bis acht Wochen, je nach Regenfall und Wärme, schlüpfen die jungen, noch nicht flugfähigen Larven wie kleine Würmer. Heranwachsend häuten sie sich und streifen dabei jedesmal ihre beengende Hülle ab. Das geschieht auch später noch mehrmals. Sind genügend Tiere beisammen, so werden sie durch die fortgesetzte gegenseitige Berührung wanderlustig. Während sie die Nähe der Artgenossen jetzt förmlich suchen, wechseln sie auch ihre Farbe von gelb über braun zu schwarz, auch zu rot. In riesigen Heeren brechen sie auf und ziehen zu Fuß übers Land. Dabei überqueren sie sogar Gewässer, indem die Ertrinkenden den Nachfolgenden als schwimmende Brücken dienen.
Auch auf ihrem Wanderzug häuten sich die Larven noch mehrmals. Für die letzte Häutung, aus der das erwachsene, flugfähige Insekt hervorgeht, sitzen sie lange unbeweglich an einem Ort. Die neue Haut liegt noch gefältelt unter dem Chitinpanzer, der schließlich am Rücken unter dem Druck von Blut und Luft der Länge nach aufplatzt. Langsam schlüpft dann das Tier aus seiner zu eng gewordenen alten Haut. Seine Flügel sind noch zusammengerollt, doch schon bald strömt Blut in die Flügeladern und spannt sie auf.
Solange die Heuschrecken dort, wo ihre letzte Häutung
stattfand, genügend »Ellenbogenfreiheit« haben, bleiben sie, wo sie sind. Erst
wenn sich immer mehr Tiere immer häufiger berühren und begegnen,
regt sich auch bei ihnen der Wandertrieb - nun jedoch zieht es sie in die Luft.
Aus der Ruhephase wird die Wanderphase. Dann brechen sie auf, hungrig, ruhelos
und gefräßig. Dabei verlassen sie sich nicht allein auf ihre Flügel. Ihr wichtigstes
Transportmittel ist der Wind, der sie, wie die Bibel
es nennt, als seine »Zähne« über Hunderte von Kilometern verfrachten kann. - Theo Löbsack, Das unheimliche Heer. Insekten erobern die
Erde. München 1991 (dtv 11389)
Berührung (6) Gerede von Ruhm,
Ehre, Freude, Reichtum ist verglichen
mit Berührtsein nichts als Mist. - Charles
Darwin, nach: Stephen Jay Gould: Bravo, Brontosaurus. Die verschlungenen Wege der Naturgeschichte. Hamburg 1994
Berührung (7) Huxley war zwar kein Gegner
der Religion, aber er war ein kompromißloser und
streitlustiger Feind des Klerus. Außerdem verachtete
er Bischof Wilberforce und seine honigsüßen Sophistereien. Als Wilberforce 1873
an Kopfverletzungen starb, die er sich bei einem Sturz
vom Pferd zugezogen hatte, soll Huxley (der Überlieferung zufolge) bemerkt haben:
»Ein einziges Mal ist sein Kopf mit der Realität
in Berührung gekommen, und schon waren die Folgen tödlich.« - Stephen Jay Gould: Bravo, Brontosaurus. Die verschlungenen Wege der Naturgeschichte. Hamburg 1994
Berührung (8) Diese Vorsichtsmaßregel ist
zu jeder Zeit vom Richter und allen Beisitzern zu beachten: daß sie sich
von ihr körperlich nicht berühren lassen, besonders an der nackten Verbindungsstelle
der Hände und Arme; sondern sie
sollen auf jeden Fall am Palmensonntag geweihtes Salz und geweihte Kräuter bei
sich tragen. Diese Dinge nämlich, zusammen mit geweihtem Wachs eingewickelt
und am Halse getragen, haben eine wunderbare vorbeugende Wirksamkeit,
nicht nur nach den Zeugnissen von Hexen, sondern auch infolge der Praxis und
Gepflogenheit der Kirche. -
Jakob Sprenger, Heinrich Institoris, Der Hexenhammer. München 1985 (dtv klassik,
zuerst 1487)
Berührung (9) Wer die Giftspinne auch nur berührt, den
tötet sie, und zwar, wie es heißt, ohne große Schmerzen. Auch der Biß der ägyptischen
Kobra ist ganz leicht, wie Kleopatra erfuhr. Beim Heranrücken des Augustus
warf sie auf einem Gastmahl die Frage auf, welche Todesart die schmerzloseste
sei. Dabei erfuhr sie, daß der Tod durchs Schwert schmerzhaft ist, wie die bestätigten,
die verwundet gewesen waren, der Tod durch Gift qualvoll, weil es Krämpfe verursacht
und unvermeidlich innere Schmerzen bringt. Der Tod durch den Biß einer Kobra
aber sollte sanft sein und, um ein Wort Homers
zu gebrauchen, „sorgenlos". Die Kobra tötet gelegentlich auch durch bloße
Berührung oder durch den Anhauch, ebenso wie die Feigenwespe und die Kröte.
- (
ael2
)
Berührung (10) Zuerst in den Handflächen, dann
im Bereich der Stirn und sogleich im gesamten übrigen Körper das Gefühl
der festen Berührung mit eine großen Anderenwesen — kein Schmerz — ein seltsames
Strömungsgemisch aus Ruhe u Kraft durchdringt mit elektrisierender Wärm jede
1zelne Nervenfaser im Leib, als wäre die Verbindung mit Fleisch u Wäldern einer-Anderen
Erde neu geknüpft.
- (jir)
Berührung (11)
Berührung (12) Die allererste Berührung: Er hatte gerade wieder was Gemeines gesagt, auf Mexicos übliche Selbstquäler-Tour: ach, du kennst mich nicht, ich bin wirklich ein Schweinehund - «Nein», sofort wollte sie ihm die Finger auf die Lippen legen, «so was darfst du nicht sagen ...» Als sie die Hand ausstreckte, griff er, ohne zu denken, nach ihrem Handgelenk, schob die Hand weg, reine Verteidigung - und hielt sie doch fest, am Gelenk. Sie sahen einander starr an, keiner wollte den Blick abwenden. Dann führte Roger ihre Hand an seine Lippen und küßte sie, ohne seine Augen von ihren zu nehmen. Eine Pause, sein Herz hämmerte gegen sein Brustbein ... «Ohh ...» brach es aus ihr hervor, und sie warf sich m seine Arme, völlig außer Fassung, offen, zitternd, während sie sich aneinanderklammerten. Spater erzählte sie ihm, daß es ihr damals sofort gekommen war, in dem Augenblick, als er ihr Handgelenk faßte. Und als er zum erstenmal ihre Fotze berührte, Jessicas weiche Fotze durch ihren Schlüpfer hindurch sanft drückte, begann dieses Zittern von neuem, hoch oben in ihren Schenkeln, wurde immer stärker, riß sie mit sich fort. So war sie zweimal gekommen, bevor er ihr den Schwanz zum erstenmal offiziell in die Möse gesteckt hatte, und das bedeutet ihnen beiden sehr viel, obwohl sich noch keiner so recht überlegt hat, warum.
Jedenfalls wird immer dann, wenn es passiert, das Licht sehr rot für sie.
- Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
Berührung (13) Wenn organische Berührung
(== tierischem Magnetismus) organisch-elektrischer Prozeß, und Koitus
organisch-chemiscber, ist, so kann man alle Gesetze der elektrisch-galvanischen
Kette auf Organismen bequem übertragen. Eine Reihe Individuen in bloßer Berührung
werde eine Klasse ausmachen. Man setzt aber zwischen zwei Gliedern in dreigliedriger
Kette chemischen Prozeß (Koitus), und man hat eine organisch-galvanische
Kette mit verstärktem Koitus. Man wiederholt diese Kette viele Male, und man
bekommt eine (tierisch-magnetische) galvanisch-organische Batterie, mit überall
in steigendem Verhältnis verstärktem Koitus, und die Möglichkeit, so wie Wasser
durch Gold und Gold differenziert (geschwängert) wird, ob es sich gleich nur
in bloßer Berührung mit ihm befindet, auch ein weibliches Individuum durch bloße
männliche Berührung zu schwängern.
- (rit)
Berührung (14) Sie sahen sich lange
an. Ihre blauen Augen und die glatte Kinderstirn darüber hatten etwas, das ihn
immer schon berührt hatte und er spürte es auch jetzt in den Handwurzeln und
gleichzeitig im Unterkiefer und in dem Chi-Punkt zwischen Nabel und Schwanz;
ein Glühen, eine angenehme Versteinerung,
ein Vibrieren. -
Thomas Pynchon, Vineland. Reinbek bei Hamburg 2015
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