Und gleicherweis, wie der Henker seine Kinder mit lästerlichen Zeichen zeichnet, desgleichen bezeichnen die bösen Ascendenten ihre Kinder mit unnatürlichen lästerlichen Zeichen, auf daß man sich vor ihnen wie vor den henkersmäßigen Leuten, da einer ein Brandzeichen an der Stirne hat, ein anderer an der Backe, zu hüten wisse, — einer hat seine Ohren nimmer, der andere etliche Finger verloren, eine Hand verloren, die Augen verloren, die Zunge verloren usw.
Von diesen henkersmäßigen Zeichen allen zeigt ein jedes sein besonderes
Laster an, wie ihr seht, daß das Brandzeichen unter dem Angesicht an einer
Frau gemeiniglich »Diebstahl« bedeutet, Verlierung der Ohren desgleichen.
Verstümmelung der Finger zeigt gemeiniglich einen Falschspieler an, einer
Hand einen Friedbrecher, Verlierung des Zeigefingers einen Meineidigen.
Kein Auge: falsche, subtile und spitzfindige Mißhandlung. Keine Zunge haben,
das zeigt einen Gotteslästerer, falschen Klaffer das ist Verräter, oder
dergleichen an. Und so, wie ihr an solchen Zeichen die henkersmäßigen Lasterleute
erkennt, könnt ihr auch einen Mamelucken an dem Kreuz erkennen, welches
ihm in die Fußsohle gebrannt worden ist, zu einem Zeichen, daß er ein verleugnender
Christ ist und Christum, seinen Heiland, verleugnet. — Damit wir aber von
diesem lassen und wieder auf die monstrosischen Zeichen der bösen Ascendenten
kommen, so wißt, daß nit alle monstrosischen Zeichen allein von den Ascendenten
ihren Ursprung haben, sondern vielmals auch von den astris des menschlichen
Gemüts, die dann für und für, alle Augenblicke,
mit der Phantasei, Aestimation und Imagination, gleicherweis wie die im
obern Firmament, auf- und absteigen. Aus dem folgt nun, daß aus Furcht
und Erschrecken der schwangeren Frauen viel monstra und Kinder mit monstrosischen
Zeichen geboren und im Mutterleib so bezeichnet werden. Wie aber nun diese
Zeichen ihren Ursprung haben, — da sollt ihr wissen, daß Furcht, Erschrecken
und Gelüsten die vornehmste Ursach sind, daraus imaginatio
entsteht. Wenn nun die schwangere Frau zu imaginieren anhebt, hat ihr Himmel
gleicherweis seinen Gang wie der Himmel des oberen Firmaments, da alle
Augenblick die Ascendenten auf- und absteigen. So steigen auch die astra
microcosmi durch die Imagination auf und ab und
bewegen sich, so lange, bis da ein Angriff geschieht, in welchem Angriff
der schwangeren Frau die astra der Imagination eine Influenz und Impression
geben, gleicherweis wie einer, der ein Merkzeichen aufdrückt oder einen
Stempel aufschlägt. Daher werden diese Zeichen und Muttermale impressiones
der unteren Gestirne genannt, über welche Zeichen viel philosophiert haben
und nach denselbigen alle Menschen beurteilen und erkennen wollen, was
nit möglich ist. Wiewohl nit minder, etwas bleibt den Kindern anhängen
und wird ihnen impressioniert, je nachdem die astra der Mutter
viel und stark auf das Kind gehen und ihr Gelüst nicht im Werk vollbracht
wird. Wie ein Exempel zeigt: wenn die Mütter ein Gelüsten ankäme etwas
zu essen oder zu trinken und es kann ihr doch nit werden, wenn dann die
astra in ihr selbst ertrinken und untergehen müssen, so daß sie dem Gestirn
widersteht und keinen Angriff tut, bleibt solches Gelüsten dem Kind sein
Leben lang anhangen, so daß es desselben nit recht ersättigt werden kann.
- Aus De natura rerum, von Theophrastus Paracelsus, 1537, nach (
bisch
)
Zeichen (2) Schönheit
ist nicht mehr in dem Körper, dem man die Haut abgezogen
hat, für ein höheres Auge wäre sie sicherlich noch
da. Gott kann die Tugend nicht mit dem Stempel des Lasters zeichnen, das
ist es eben worüber [wir] disputieren, es gibt keine andere Zeichen des
Lasters als die pathognomischen, und nachdem diese mehr oder weniger von
Häßlichkeit begleitet werden, desto auffallender sind sie. Die Häßlichkeit
macht sie merklicher. Die Zeichen der Dummheit,
auf ein regelmäßiges gesundes Gesicht getragen (auf ein schönes), können
freilich dort nicht so sehr erkannt werden, so wie ein weißer Strich auf
einer weißen Tafel, in häßlichen Gesichtern wird sie merklicher, und das
Gesicht besteht nicht aus Häßlichkeit und Dummheit, sondern die Menge hält
es für ganz häßlich und Herr Lavater für
ganz dumm. Was eigentlich dumm darin ist ist das
pathognomische Zeichen der Schlaffigkeit, Trägheit, des gaffenden Staunens,
das übrige ist oft National-Häßlichkeit, so
können die Feuerländer Gesichter verteidigt werden. Ein dummer Franzose
sieht nicht aus wie ein dummer Engländer, obgleich
die pathognomischen Zeichen der Dummheit in abstracto dieselben sein mögen.
»Die leidende Tugend wird leicht erkannt«, freilich Schwären von Pocken,
ausgelaufne Augen, verwachsener Rückgrat, aber gerechter Gott, welcher
Sterblicher will die Grenzen da bestimmen? (Die Geschichte von dem Mädchen
neben Mathiäs Garten muß hieher, die Lippen sind gespannt, breit glänzend
und blau, und von dem unschuldigen Lächeln, den Grübchen in den Wangen
ist nicht die flüchtigste Spur mehr da, und ich bin überzeugt, kein Gesichter-Beobachter
wird, alle die Schwären und ausgelaufnen Augen pp. abgerechnet, glauben
können, das Kind sei je ein schönes Kind gewesen.) Ist etwa eine Liebliche
Sprache auch ein Zeichen von Vollkommenheit des Herzens oder der Kehle?
Die schönsten Augen sind nicht einmal die, die am besten sehen (contra
Mendelssohn) und umgekehrt. Ja mit einem Wort die schönsten Menschen sind
ja nicht einmal die gesündesten. Da also die innere Unvollkommenheit des
Körpers selbst sich nicht allemal durch äußere Verzerrung äußert, Unvollkommenheiten
die ihn selbst, sein Wesen und seine Erhaltung angehen, wie könnt ihr in
aller Welt glauben, daß solche Unvollkommenheiten des Körpers, die die
Seele affizieren und die an sich mikroskopisch sein können, sich durch
Verzerrung äußern sollen? Jeder denke seine ganze Bekanntschaft bei dieser
Stelle durch und trete als Zeuge auf: Wer recht hat. Gütiger Gott! was
habe ich für Leute gekannt, die beim ersten Anblick, bis zum Lächerlichen
(besser) häßlich, und die die vortrefflichsten Leute waren. Bei näherer
Bekanntschaft entwickelte sich freilich alles, und die erst übersehenen
Reize wurden nun durch Räsonnement fühlbar.
- (
licht
)
Zeichen (3) In hartnäckigen alten Familien
kehren gewisse Gesichtszüge als Markierungen und Schöpfersignets immer
wieder. Die Nabokowsche Nase (z. B. die meines Großvaters)
ist mit ihrer weichen, runden, aufwärts gebogenen Spitze und einer sanften
Einwärtskrümmung im Profil typisch russisch; die
Korffsche Nase (z. B. meine) ist ein hübsches germanisches Organ mit kühn
knochigem Rücken und einer leicht abwärtsgeneigten, deutlich eingekerbten
fleischigen Spitze. Die hochmütigen oder erstaunten Nabokows haben Augenbrauen,
die nur proximal behaart sind und somit zu den Schläfen hin ausgehen; die
Korffschen Brauen sind feiner gewölbt, aber gleicherweise recht spärlich. -
(
nab
)
Zeichen (4) Du magst prahlen und großtun mit Königen,
die kein Blut und keine Wunden kennen. Sie mögen glücklich gewesen sein,
Ochos und Artoxerxes, die du schon von ihrer Geburt an auf des Kyros Thron
setztest. Mein Leib trägt Zeichen genug von den Kämpfen mit der Göttin
des Glücks, nicht von ihrer Huld und Hilfe. Bei den Illyrern traf mich
ein Stein am Kopf und eine Keule in den Nacken. Am Granikos bekam ich von
einem Barbarensäbel einen Hieb gegen den Schädel, am Issos mit dem Schwert
gegen den Schenkel. Bei Gaza flog mir ein Pfeil in den Fuß, und ein Erdklumpen,
der von oben herunterstürzte, verrenkte mir die Schulter. Im Lande der
Marakandanen zerschmetterte mir ein Pfeil den Knochen des Schienbeins.
Auch in Indien gab es Wunden genug. Bei den Aspasiern bekam ich einen Schuß
in die Schulter und bei den Gandriden in den Schenkel. Bei den Mallern
endlich fuhr mir ein Pfeil in die Brust und blieb stecken, ein Keulenschlag
traf mich am Nacken, als die Leitern an den Mauern zusammenbrachen, und
so schloß die Göttin des Glücks mich allein, ohne meine Freunde, in der
fremden Festung ein und gönnte namenlosen, unbekannten Gegnern, nicht stolzen,
berühmten Feinden den Ruhm einer solchen Tat. Hätte Ptolemaios mich nicht
mit seinem Schild gedeckt, und wäre Limnaios nicht vor mir dem Hagel der
Geschosse entgegengegangen und gefallen, hätten die Makedonen nicht in
ihrem Zorn mit Gewalt die Mauer eingerissen, dann hätte jenes unbekannte
Barbarennest Alexanders Grabstätte werden müssen.
- (
plu
)
Zeichen (5) Ein Seufzer entrang sich dem Alten-Grauen-Knaben, und über seinem Gesicht breitete sich ein trauriger, abwesender Ausdruck aus, der mir andeutete, daß er über die Ewigkeit als solche meditierte. Er antwortete mir nicht, aber seine Lippen waren trocken, und seine Stimme war schwach und kaum vernehmbar.
- Kleiner Sohn, sagte er, ich glaube nicht, daß der Regen
der kommenden Nacht noch jemanden nässen wird, denn bevor noch diese Nacht
angebrochen ist, wird das Ende der Welt gekommen sein. Am ganzen Firmament
sind der Zeichen genug. Heute sah ich zum erstenmal einen Sonnenstrahl
über Corkadoragha, einen Glanz, nicht von dieser Welt und hundertmal giftiger
als das Feuer, und er bleckte mich aus den Himmeln
über mir an und stach mir mit der Spitzigkeit einer Nadel in die Augen.
Außerdem sah ich, wie eine Brise über das Gras einer Wiese strich und am
anderen Ende wieder zurückkam. Auf dem Feld hörte ich eine Krähe mit der
Stimme eines Schweins quieken, hörte eine Amsel
brüllen und einen Stier pfeifen. Ich muß leider
sagen, daß diese beängstigenden Dinge nichts Gutes verheißen. - Flann
O'Brien, Irischer Lebenslauf. Eine arge Geschichte vom harten Leben. Herausgegeben
von Myles na Gopaleen. Aus dem Irischen ins Englische übertragen von Patrick
C. Power. Aus dem Englischen ins Deutsche übertragen von Harry Rowohlt.
Frankfurt am Main 2003 (st 3503, zuerst 1941)
Zeichen (6)
Die Zeichen
Die Stunde rückt vor. Das Kind wird Greis. Die Straße stirbt ab. Der Hund hält erschrocken den Mund. |
Zeichen (7) Wo man bei den Buprestiden schwarze Arten findet, wird man doch das Licht auch seinem Wesen nach in Andeutungen auf ihnen spielen sehen, sei es als Erz- und Bronzeschimmer, sei es als irisierender Puder, der in mikroskopischen Kristallen aufleuchtet oder in bunten Makeln, mit denen die dunkle Panzerung sich ziert. Das ist ein Merkmal, das man nie bei einem Nacht- oder Dämmerungstier erblicken wird.
Auf diese Weise gleicht der Habitus des Tieres einem Schilde, der seinen
Träger in der Bewegung des Lebens schirmt und der auf seine Notdurft zugeschnitten
ist. Zugleich jedoch ist auch sein Wappen darin eingelassen, sein Symbolon,
das Zeichen des großen Ordens, zu dem er zählt. Und
wenn man ein wenig Übung im Lesen dieser Ideogramme
hat, erkennt man sogleich den Vogel an den Federn, die er trägt. »Ich bin ein
Ritter der Sonne, des Waldes, von der dürren Heide,
vom halben Mond.« Hier darf man nicht nach den Zwecken fragen — es liegt ein
Urgenuß darin, zu zeigen, was man ist. Und darin liegt auch die Bedeutung dieser
prunkvollen Zeichen beim Liebesspiele: die Weibchen
lieben nicht, was die Männchen wirken, sie lieben,
was sie sind. - Ernst Jünger, Notat v. 28. April
1929 (Aus der Goldenen Muschel. Stuttgart 1984)
Zeichen (8) Da war ein gewisser Panzieri, den kannte sie schon von Kindesbeinen an, denn er belästigte sie immer mit seinen widerlichen Anträgen, die er jedoch immer aus großer Entfernung machte, damit sie es nicht hörte; aber sie hörte ihn keuchen, wenn er in die Nähe kam, wie einer, der so tut, als hätte er Asthma. Um sich zu rächen und abzureagieren, hatte er sich ein Spitzbärtchen wachsen lassen und, wenn er bei ihr vorbeiging, trug er es wie ein Häkchen aufwärts gekrümmt. Insbesondere einmal war es geschehen, als sie am Fenster saß und nähte. Sie hörte unten auf der Straße jemanden gehen und schaute. Es war Panzieri mit seinem Spitzbärtchen, der von rechts kam, und das Bärtchen war wie gewöhnlich zugespitzt und aufwärts gekrümmt, um sie zu foppen. Er stolzierte wie ein Pfau und stellte sein Bärtchen zur Schau, womit er sagen wollte: gestrandete Nutte, das hieß, sie sei als Nutte ein Versager, weil den Männern bei ihr vor Langeweile der Bart wuchs. Genau unter ihrem Fenster, vor ihren Augen nämlich blieb er bei Paterlini stehen, der von der anderen Seite herkam, und sie gaben sich die Hand. Dieses Zusammenfügen ihre Hände sollte einen ganzen Satz mit Verb darstellen, der lautete: Die gestrandeten Nutten sind Schiffe oder Fregatten aus Fett. Worauf sie durch die Ritzen der Fensterläden Wörter hinunterschrie, die heißen sollten, sie habe jetzt genug, das heißt, sie schrie: Ihr Sitzenbleiber und Seifensieder (weil sie nicht originell waren und vor Wut kochten). Das waren Worte, die sie im Innersten treffen mußten, es war nicht irgendeine Beschimpfung. Die beiden gaben sich aber wieder die Hand, um aufs neue den Satz mit dem Verb an sie zu richten, das heißt, um ihr das mit der gestrandeten Nutte und der fetten Fregatte noch einmal zu sagen; und sie rief dann aufs neue einige Worte hinunter, um sie diesmal noch tiefer zu treffen; sie schrie: Ihr seid archaisch — das heißt so vollgestopft mit Blödsinn wie die Arche Noah voll Tiere. Daran sah man, daß sie ein Hirn im Kopf hatte, während sich die beiden da unten aushaken ließen. Sie gingen nämlich auf der Stelle weg. Paterlini ein wenig langsamer, weil er die Beine wie ein Ruderer bewegte, und Panzieri, indem er über sein Bärtchen strich, wie man es im Bordell macht.
Die Männer interessieren sich sehr für sie; sie hatten sich schon immer für
sie interessiert, und daher haben sie jetzt einmütig nur im Sinne, sie zu beleidigen
und Nutte zu sagen oder feiste Nutte. Es gibt zum Beispiel eine Gruppe, die
geht nur vorbei, um ihr zu sagen, daß sie dick ist. Durch Zeichen sagen sie
ihr, daß sie nichts essen darf, weil sie sonst platzt, oder sie sagen ihr durch
ein Zeichen, daß sie ein aufgeplatztes Faß ist, wobei sie auf das Hinterteil
zeigen. Sie machen sich in großer Zahl auf, um ihr das zu sagen; das sieht sie
von ihrem Fenster aus, wo sie immer sitzt und auf den Platz hinunterspäht, während
sie näht oder Perlen einfädelt. Diese Arbeit macht sie für eine Firma, die Konfektionsfirma
De-anna. Aber andere gehen wiederum vorbei, um ihr zu sagen, daß sie schlank
ist. Anfangs glaubte sie, sie wären ihr freundlich gesinnt und kämen eigens,
um den anderen zu widersprechen. Dann sah sie, sie sagten schlank auf eine Weise,
daß es eigentlich dick hieß. Einer von ihnen trug beispielsweise ein dürres
Bambusrohr, aber eines Tages merkte sie, daß er mit dem Kopf eine Bewegung machte,
die hieß nein, du bist nicht dürr. Dann schlug er mit dem Rohr an eine Blechschachtel
und gab ihr einen Fußtritt, um zu sagen: Die alten Schachteln enden im Abfall,
du häßliche verseuchte Kuh — verseucht, weil man von verrostetem Blech den Wundstarrkrampf
bekommt, und häßliche Kuh, weil in der Blechschachtel noch ein paar Krümel verdorbenes
Rindfleisch waren. Die Typen glauben, sie versteht das nicht, aber sie hat ein
sehr feines Hirn, das versteht alles, viel mehr, als die Typen verstehen. -
(cav)