wigkeit  Es gibt eine Ewigkeit von Himmel und Hölle, weil die Würde des freien Willens es so erfordert; entweder haben wir die Fähigkeit, für immer zu wirken, oder dieses Ich ist eine Wahnvorstellung. Die Macht dieses Gedankens geht uber das Logische weit hinaus:

Es ist ein durch und durch dramatischer Gedanke. Er verstrickt uns in ein furchtbares Spiel, er billigt uns das gräßliche Recht zu, uns zu verderben, im Bösen zu verharren, die Wirkungen der Gnade abzuweisen, ein Fraß des ewigen Feuers zu sein, Gott in unserem Schicksal zum Scheitern zu bringen; er gibt uns ein Recht auf den lichtlosen Leib in Ewigkeit und auf das detestabile cum cacodaemonibus consortium. Dein Schicksal, sagt er zu uns, ist untrüglich; ewige Verdammnis und ewige Errettung stehen in deiner Macht: diese Verantwortlichkeit ist deine Ehre. Diese Empfindung ähnelt der von Bunyan: » Gott spielte nicht, als er mir zuredete, der Teufel spielte nicht, als er mich versuchte, und ich spielte nicht, als ich gleichsam in einen bodenlosen Abgrund versank, als die Trübsale der Hölle sich meiner bemächtigten; so darf ich auch heute nicht spielen, da ich sie aufzähle.« (Grace Abounding to the Chief of Sinners, Preface.)

Ich glaube, daß in unserem unausdenkbaren Schicksal, in dem Schmählichkeiten wie der fleischliche Schmerz herrschen, alles Verschrobene möglich ist, sogar die ewige Dauer einer Hölle, daß es aber gegen die Religion verstoßt, an sie zu glauben.

Nachschrift. Auf dieser lediglich mitteilenden Seite kann ich auch einen Traum mitteilen. Ich träumte, daß ich aus einem anderen — von Zusammenbrüchen und Tumulten wimmelnden —Traum zu mir kam und in einem unerkennbaren Zimmer erwachte. Es dämmerte: Ein verhaltenes neutrales Licht umzeichnete den Fuß des eisernen Bettes, den strengen Stuhl, die Tür und das Fenster beide geschlossen, den nackten Tisch. Ich dachte voll Angst: Wo bin ich, und begriff, daß ich es nicht wußte. Ich dachte: Wer bin ich? und konnte mich nicht wiedererkennen. Die Angst in mir wuchs. Ich dachte: Dieses trostlose Wachsein ist bereits die Hölle, dieses ziellose Wachsein wird meine Ewigkeit sein. Dann erst wachte ich wirklich auf: bebend. - (bo2)

Ewigkeit (2)

 

Ein Hindu-Bild der Ewigkeit.

Wischnu ruht auf Sescha, der gewaltigen, tausendköpfigen Schlange, einem Zeichen der Ewigkeit, die zu Schiva, dem Herrn der Tiere, gehört. Die sitzende Gestalt ist Wischnus Frau, Sri Laksmi, die sanft seine Beine streichelt. Die Scanda Purana, eine alte Sammlung von Gedichten über legendäre Themen, erzählt, daß Wischnu, als die ganze Welt mit Wasser bedeckt war, am Busen der Ewigkeit lag und von der Erschaffung der Welt träumte. Sein Traum ließ Brahma, auf einem Lotos sitzend, aus seinem Nabel entspringen. In dieser Abbildung hat Brahma wie üblich vier Gesichter; er hält die Weden.

- (zeit)

Ewigkeit (3)  Ständigkeit, Selbigkeit und eine Bewegung in der Einheit eines in sich selbst verharrenden Lebens sind die ersten Kennzeichen der Unwandelbarkeit und Unausgedehntheit, für die das Wort Ewigkeit verwendet werden kann. Ewigkeit ist ein einziges Leben, in dem die Andersheit in das unaufhörliche, unveränderliche und unausgedehnte Wirken der Selbigkeit aufgehoben ist. Plotin sagt: »Wer all dies sieht, sieht Ewigkeit: Leben, das im Selben verharrt, da es immer das Ganze gegenwärtig hat, nicht jetzt dieses, dann ein Anderes, sondern alles zugleich, und nicht jetzt anderes und dann wieder anderes, sondern teillose Vollendung; gleichwie in einem Punkt Alles (alle Linien) versammelt ist, und niemals in Fluß hervorgeht, so verharrt jene (die Ewigkeit) im Selben in sich und verändert sich nicht, sondern ist immer in der Gegenwart, weil nichts von ihr vergangen ist und nichts von ihr erst sein wird, sie ist vielmehr das, was sie ist.«

Ewigkeit also ist das in sich im Selben Verharrende, das Ganze oder Alles zugleich (weil ohne Vergangenheit und Zukunft) seiende unwandelbare Leben des Geistes, das ständig denkend bei sich selbst ist. Diese ewige Selbstgegenwart des Denkens im Sein durch das Leben gleicht dem Punkt, in den alles zugleich denkend versammelt ist, der jedoch seine unausgedehnte, in sich durch das Denken bewegte und lebende Einheit nicht dadurch aufgibt, daß er fließend aus sich hervorgeht. Weil Ewigkeit reine Gegenwart (des Seins als des sich selbst denkenden Denkens) ist, die immer schon ist, was sie ist und daher immer schon das Ganze zugleich ist, kann sie nicht als ein solches Zugrundeliegendes begriffen werden, zu dem noch etwas von außen hinzukommen müßte, oder das sich selbst in ein ihm Künftiges entfalten oder vollenden müßte, um ganz es selbst sein zu können. Ewigkeit ist vielmehr »das aus dem Zugrundeliegenden gleichsam Hervorleuchtende gemäß der Selbigkeit, die es verheißt für sein nicht erst künftiges, sondern schon seiendes Sein: daß es so und nicht anders ist«. In der Ewigkeit kommt die unwandelbar-bewegte Ständigkeit des Geistes zum Scheinen. Ewigkeit ist das zeitlose Ereignis des sich selbst denkenden Seins. Dies Ereignis ist sein Leben. Das Wirken der aus dem Denken des Seins erscheinenden Selbigkeit, welche der Grund dieses Ereignisses ist, verursacht, daß in ihm nichts ist, was nicht schon ist, so daß die Abmessungen der Zeit in das zeitlose Jetzt eingefaltet sind. Ewigkeit ist weder gewesen noch wird sie sein. Ewigkeit ist das Ist, das nicht aus einer Vergangenheit in das zeitlos gegenwärtige Jetzt gelangt, das aber auch nicht erst künftig ein Jetzt sein wird. Dieses Ist der Ewigkeit ist immer schon jetzt, indem es die Fülle des Seins immer schon denkend ist. Gerade in dieser Benennung der Ewigkeit auf diese Weise zeigt sich das Sein der Ewigkeit für das menschliche Denken als paradox, daß Ewigkeit zwar nicht Zeit ist, gleichwohl aber aufgrund der in die Zeitlichkeit verflochtenen Sprache mit Namen benannt werden muß, die ursprünglich zeitlichen Sinn haben. Ewigkeit ist der höchste Gedanke der Plotini-schen Philosophie: das eine Selbst, das nur in einer negativen Dialektik zugänglich wird. Plotin schreibt in der genannten Abhandlung im n. Kapitel, daß Zeit noch nicht gewesen ist und Ewigkeit völlig in sich ruhte. Die Frage entsteht, wie die Zeit in einem mythischen Urakt aus der Ewigkeit herausfiel. Die Ewigkeit ruhte in der beschriebenen Weise. Und dann heißt es: »Es war aber dort eine Natur, geschäftig und danach strebend, Herr ihrer selbst zu sein und sich selbst zu gehören; sie war gewillt, mehr zu suchen, als bei ihr war: So geriet sie in Bewegung, es geriet aber auch in Bewegung die Zeit, und wir wurden bewegt zum Immer-Künftigen und Späteren und niemals Selbigen hin, sondern zum immer wieder Anderen - und haben wir ein Stück des Weges durchmessen, dann haben wir als Bild der Ewigkeit die Zeit hervorgebracht.« Plotin hebt hervor, daß in der Seele eine unruhige Kraft waltet, die das in der Ewigkeit Geschaute auf Anderes übertragen möchte und nicht zufrieden ist, wenn sich das Ganze in ihr als gegenwärtig versammelt. Wie aus ruhendem Samen entfaltet der Logos selbst den Durchgang ins Viele. Was stattfindet, ist ein Verzeitlichungsakt, in dem an Stelle der Ewigkeit die Zeit kreiert wird, woraus sich dann auch die gewordene Welt, die ja nur in der Zeit gedacht werden kann, ergibt. - Hans-Jürg Braun, Das Jenseits - Die Vorstellungen der Menschheit über das Leben nach dem Tod. Frankfurt am Main 2000 (it 2616, zuerst 1996)

Ewigkeit (4)  Die letzte und größte Qual aller Qualen dieses gräßlichen Ortes ist die Ewigkeit der Hölle! Ewigkeit! O furchtbares, schreckliches Wort! Ewigkeit! Welcher Menschengeist könnte es begreifen! Und vergeßt nicht: es ist eine Ewigkeit der Qual. Und wären die Qualen der Hölle nicht so furchtbar, wie sie sind, sie würden doch unendlich werden, da sie ja ewig dauern müssen. Während sie nun ewig dauern, sind sie zugleich, wie ihr wißt, unerträglich intensiv, unerträglich groß. Den Stich eines Insektes die ganze Ewigkeit auszuhalten, wäre schon furchtbare Qual. Was bedeutet es da erst, die mannigfachen Qualen der Hölle für immer auszuhalten! Für immer! Für alle Ewigkeit! Nicht für ein Jahr, eine bestimmte Zeit, sondern für immer! Versucht euch die schreckliche Bedeutung dieser Worte klarzumachen. Ihr habt oft den Sand am Ufer des Meeres gesehen. Wie fein sind seine kleinen Körnchen! Und wie viele dieser kleinen Körnchen gehören dazu, die Hand des Kindes zu füllen, das in ihm spielt. Nun denkt euch ein Gebirge aus diesem Sande, eine Million Meilen soll es hoch sein, soll von der Erde reichen bis in den fernsten Himmel, soll eine Million Meilen breit sein und reichen bis in den fernsten Raum, soll eine Million Meilen dick sein; und denkt euch nun eine solch ungeheure Menge von zahllosen Sandkörnern, so oft vervielfacht, als es Blätter gibt im Walde oder Wassertropfen im Meere oder Federn auf den Vögeln, Schuppen auf Fischen, Haare auf Tieren, Atome in der Luft; und denkt euch, am Ende jedes millionsten Jahres komme ein kleiner Vogel zu diesem Gebirge und trüge in seinem Schnabel ein kleines Sandkorn davon. Wie viele Millionen und aber Millionen von Jahrhunderten müßten vergehen, ehe dieser Vogel auch nur einen Quadratfuß des Gebirges, wieviel Äonen und aber Äonen, ehe er es vollständig abgetragen hätte. Aber am Ende dieser ungeheuren Zeitspanne ist noch kein Augenblick der Ewigkeit vergangen. Nach Verlauf aller dieser Billionen und Trillionen von Jahren hat die Ewigkeit kaum begonnen. Und erstünde dieses Gebirge wieder, nachdem es ganz abgetragen worden ist, und käme der Vogel wieder und trüge es wieder ab, Körnchen nach Ivörnchen, und erstünde und verginge es so oft, wie es Sterne am Himmel, Atome in der Luft, Wassertropfen im Meere, Blätter auf den Bäumen, Federn auf den Vögeln, Schuppen auf den Fischen, Haare auf den Tieren gibt, am Ende dieses Vergehens und Entstehens dieses unermeßlich großen Gebirges würde doch noch kein Augenblick der Ewigkeit vergangen sein; selbst dann, nach Verlauf einer solchen Zeit - unsere Gedanken können das gar nicht fassen - hätte die Ewigkeit kaum begonnen.

Ein seliger Heiliger (einer unserer Patres war es, glaube ich) hatte einst die Gunst einer Vision der Hölle. Es schien ihm, er stünde mitten in einer großen Halle, und die Halle war dunkel und still bis auf das Ticken einer großen Uhr. Und das Ticken hörte nicht auf, und der Heilige glaubte, in dem Ticken die Worte zu hören: immer, nie, immer, nie. Immer in der Hölle sein, nie in den Himmel kommen; immer verstoßen sein, nie in den Himmel kommen; immer .verstoßen sein aus der Gegenwart Gottes, nie seines glückseligen Anblicks sich erfreuen; immer von Flammen verzehrt, von Würmern zernagt, von glühenden Nägeln durchbohrt werden, nie frei sein von all diesen Qualen; immer Gewissensqualen, immer qualvolles Erinnern, immer Finsternis und Verzweiflung im Geist, nie ein Entrinnen; immer fluchendes Schmähen gegen die gemeinen Dämone, die jetzt teuflisch höhnen über das Elend ihrer armen Opfer; nie die glänzenden Gewänder der glückseligen Geister schauen; immer aus dem Abgrund des Feuers zu Gott schreien um einen Augenblick, einen einzigen Augenblick der Erlösung von solch gräßlicher Qual, und nie, selbst nicht für einen Augenblick, Gottes Verzeihung erlangen; immer leiden, nie sich freuen; immer verdammt, nie gerettet werden; immer, nie, immer, nie! O welch gräßliche Strafe! Eine Ewigkeit nie endender Qual, nie endender körperlicher und geistiger Qual, hoffnungsloser, unaufhörlicher, unendlich intensiver, unendlich mannigfacher Qual, die ewig erhält, was sie verzehrt; ewige Qual, die den Geist zernagt und das Fleisch foltert, eine Ewigkeit, und jeder Augenblick dieser Ewigkeit ist eine Ewigkeit der Schmerzen.  - James Joyce, Jugendbildnis des Dichters. Frankfurt am Main 1967 (zuerst 1916)

Ewigkeit (5)  Der Engel überquerte die Hochebene, was diejenigen, denen er sich näherte, veranlaßte, zu ihm hochzublicken in der vergeblichen Hoffnung, er komme sie abholen. Er verschwand hinter einer Tür, deren Feierlichkeit sich dadurch äußerte, daß sie aufrecht im leeren Raum stand und weder zur Rechten noch zur Linken noch darüber von einer Mauer eingefaßt war.

Nachdem der Engel vorübergegangen war, ließen alle ihre Köpfe sinken und widmeten sich dem Boden, als wäre er ein abwechslungsreiches und einzigartiges Buch. Auf diese Weise vergingen Tage und vielleicht sogar Jahre. Es ist kaum möglich, sich im Reich der Toten zu langweilen, da es kindisch wäre, angesichts der Ewigkeit eine Zeitrechnung in Minuten aufzustellen. Nach tausend Jahrhunderten, die man damit zugebracht hat, eine Margerite mit der Fußspitze zu schaukeln, hat man nicht einmal das Recht auszurufen: »Wie langweilig ist das Leben hier!«, da die Zukunft, die vor einem liegt, nicht weniger lang ist als diejenige, die sich ankündigte, bevor die ersten tausend Jahrhunderte abgelaufen waren. Und die Zukunft, so heißt es, ist immer für eine Überraschung gut. Niemand also gähnte. - Vitaliano Brancati, Auf der Suche nach einem Ja. In: V.B.: Der Alte mit den Stiefeln. Zürich 1991 (zuerst 1946)

Dauer
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Verwandte Begriffe
Zeitlosigkeit
Synonyme