ochzeit  Als man bei der Hochzeitstafel etwas lustiger wurde und der Wein die Hirnschale bestieg, fing Herr Lorenz seinem alten Gebrauch nach an, mit der Sauglocke zu läuten und überhaupt zu rülpsen. Die Braut wußte nicht, wie sie das verstehen sollte und wurde ganz entfärbet. Aber Lorenz fuhr fort und ließ spannlange Fürze, darob teils gelacht, teils geseufzet haben. So sehr ich nun meinen  Herren in die Seite gestoßen, mit solchem Schnarrwerk bis zu einer andern Musik innezuhalten, hatte er sich doch so voll gesoffen, daß er allen diesen Vermahnungen kein Gehör geben konnte. «Ach», sagte der Braut Mutter zu mir, «macht's dein Herr zu Haus tauch so?» «Ja, Frau», sagte ich, «das ist noch Kinderspiel, zu Haus scheißt er gar in die Hosen.» «O wehe», sagte sie, «was hab ich getan, daß ich meine Tochter an einen solchen Unflat verheiratet habe.» «Frau Mutter», sagte das Fräulein, «ich laufe von ihm, ehe der Winter herkommet, nun sehe ich erst, was mein Herr Bräutigam für ein ehrbarer Gesell ist.»

Diese Worte hörte der trunkene Lorenz und «saprament», sagte er, «wegen eines Furzes eine Ehescheidung anfangen, das wäre wider die allgemeine Polizeiordnung gehandelt. Ha, was ist es denn mehr, daß ich so offenherzig bin, so siehet Braut, daß ich fein vertreulich umgehe und nicht das geringste verhalte, was ich in Leib und Leben habe. Wenn's Euch eine Ehre ist, so laufet noch heut davon und gebt Eure Motiven bei dem Consistorio ein. Bei meiner Seelen, sie werden darüber zu lachen haben.» Damit nun diese Disputation nicht zu laut würde, stillete die Mutter alle vorgelaufene Fauten und sagte der Tochter in ein Ohr: «Liebes Kind, was willst du machen, dein seliger Vater hat's ebenso gekonnt, ja noch wohl ärger als dein Bräutigam tut. Die Gewohnheit ist in solchen Sachen das beste Mittel, sich zufrieden zu stellen, und wer mehr nimmt als eine Nase voll, das übrige ist ein Geiz und gedeihet nicht.» Aber es währte nicht so lang, so schiß Herr Lorenz gar in die Hosen. «Seht Ihr, Frau», sagte ich zu der Alten von Adel, »daß es wahr ist, was ich Euch zuvor gesaget habe?» Damit wurde ein Aufstand, und die Diener brachten ihn in eine Kammer, da ihm ein Bad zu seiner Säuberung zubereitet wurde. O schöner Herr Bräutigam! - Johann Beer, Das Narrenspital. Reinbek bei Hamburg 1957 (RK 9, zuerst 1681)

Hochzeit (2) So wird für Monate die Hochzeit der Pflanze zum treibenden und wirbelnden Taumel, der alles Lebende zu sich hin verführt, auf sich und bei sich versammelt, die Atmosphäre der Erde beherrscht und sie dem Himmel näher zu bringen verspricht. Der Nektar zu dem der Farbenkelch winkt, als wäre er nur Nahrung, ist ein Liebestrank, der Duft ein Liebeszauber, der Pollen eine Behexung. Die Schranken zwischen den Geschöpfen sind versunken und der Mensch kehrt hinter das Drama der Individuation ins All zurück, in ein geahntes ihm verschollenes Sein. Die Blume bemächtigt sich seiner Gedanken und seiner Sprache. Er bricht Blumen und schenkt. Er vergleicht mit Blumen und fühlt sein Gefühl sich ihm durch den Vergleich erklären. Die ganze Blumensprache der Liebe entsteht.  - (garten)

Hochzeit (3) Es war kein anderer als Martin O'Bannassa, der uns rettete. Als alles sich zum schlimmsten gewendet hatte, erschien er mit einem Fäßchen von dem wahren Wasser unter dem Arm. Ruhig überreichte er mir das Fäßchen und gratulierte mir formvollendet zu meiner Eheschließung. Als die Gesellschaft im Haus gewahrte, daß die Tür der Gastfreundschaft endlich aufgestoßen war, wollte sie fröhlich und guter Dinge sein und begann zu trinken, zu tanzen und mit aller Kraft Musik zu machen. Nach einem Weilchen waren sie so in Fahrt, daß das Haus erschüttert wurde und die Schweine, von Angst und Schrecken ergriffen, durcheinanderstoben. Man gab der Frau im Ende des Hauses eine volle Tasse jenes feurigen Wassers - trotz dem Umstand, daß sie nicht den Magen dafür hatte -, und es dauerte nicht lange, bis sie ihren Widerstand aufgegeben hatte und in den Binsen in einen trunkenen Schlummer gefallen war. Je mehr die Männer sich voll tranken, desto mehr verloren sie ihre angeborenen guten Manieren und guten Sitten. Gegen Mitternacht wurde bereits großzügig Blut vergossen, und einige Männer in der Gesellschaft lagen ohne einen Faden Kleidung auf dem Fußboden. Um drei Uhr morgens starben zwei Männer im Ende des Hauses, nachdem sie miteinander gekämpft hatten.   - Flann O'Brien, Irischer Lebenslauf. Eine arge Geschichte vom harten Leben. Herausgegeben von Myles na Gopaleen. Aus dem Irischen ins Englische übertragen von Patrick C. Power. Aus dem Englischen ins Deutsche übertragen von Harry Rowohlt. Frankfurt am Main 2003 (st 3503, zuerst 1941)

Hochzeit (4) Waren die Heiducken auch stets freie Männer, so handelte es sich im Falle des Heiduckentums auf dem Balkan dennoch nicht um freie Gemeinschaften. Die ceta oder Bande war nämlich im wesentlichen eine Vereinigung von Individuen, die sich freiwillig zusammenschlossen und von den eigenen Verwandten trennten, sie war aber zugleich eine abnorme soziale Einheit, denn weder gehörten ihr Frauen und Kinder an, noch hatte sie eigenes Land. Oftmals war sie gewissermaßen »doppelt unnatürlich«, und zwar darum, weil dem Heiducken die Rückkehr ins gewöhnliche Leben innerhalb seines Geburtsdorfes nicht selten von den Türken versperrt wurde. Heiduckenballaden besingen Männer, deren Schwert ihre einzige Schwester, deren Gewehr ihre Frau war und die einander schweigend und traurig die Hand drückten, ehe sie sich wie Verlorene in alle Windrichtungen zerstreuten, wenn sich ihre ceta aufgelöst hatte. Sie gingen keine Ehe ein, sie gingen in den Tod. Die Balladen nennen ihn denn auch die »Hochzeit« der Heiducken.  - (hob)

Hochzeit (5) Oppian sagt dem Kraken in den Halieutika eine ausgeprägte Geilheit nach. Seine Liebesglut stürzt ihn ins Verderben: »Die verhängnisvolle Hochzeit des Kraken und sein grausamer Tod erfolgen kurz nacheinander; das Ende seiner Liebe ist auch das Ende seines Lebens. Er läßt einfach nicht von seinem Weibchen ab und hält in der Liebe erst notgedrungen inne, nämlich wenn ihn die Kräfte verlassen und er schlaff und erschöpft in den Sand sinkt. Dann wird er Beute all derer, die in seiner Umgebung herumschweifen15.« Das Schicksal des Weibchens ist demselben Verfasser zufolge auch nicht beneidenswert: Es stirbt bei der Eiablage vor Schmerz, denn die Eier kommen nicht nacheinander, sondern alle gleichzeitig und zu einer Traube verklebt durch einen engen Ausgang. - (krak)

Hochzeit (6) Ich kam gleich zu der Hochzeitsfeier, die ich erwartet hatte. Es war eine Hochzeit, wo man nur Jungfrauen verheiratete, aber es waren da auch Schauspielerinnen und Prostituierte; und um zu der Jungfrau zu gelangen, mußte man einen kleinen Fluß überqueren, einen Wasserlauf voll stachliger Binsen. Dann schlössen sich die Männer mit den Jungfrauen ein und nahmen sofort Besitz von ihnen.

Eine unter ihnen, noch jungfräulicher als die anderen, trug ein Kleid mit hellen Karos und hatte lockige Haare. Sie wurde von einem bekannten Schauspieler genommen. Sie war klein und ziemlich rundlich. Es tat mir leid, daß sie nicht mich liebte.

Das Zimmer, in welches man sie brachte, hatte eine Tür, die schlecht schloß, und durch den Türschlitz hindurch wurde ich Zeuge, wie sie sich hingab. Ich war übrigens ziemlich weit von dem Türspalt weg, aber von allen Leuten, die im Saal waren, interessierte sich keiner außer mir für das, was da in dem Zimmer vor sich ging. Ich sah, wie sie schon nackt war und einfach dastand, und ich bewunderte es, wie ihre Schamlosigkeit von Reinheit und von einer Art fester Entschlossenheit ganz umhüllt war. Sie empfand ihr Geschlecht sehr stark, aber wie etwas vollkommen Natürliches und Normales in diesem Augenblick, in dem sie mit ihrem jungverheirateten Mann zusammen war. Und so verfolgten wir sie in einem Boot.  - Antonin Artaud, nach: Als die Surrealisten noch recht hatten. Texte und Dokumente, Hg. Günter Metken. Stuttgart 1976

Hochzeit (7) Da die Hochzeit dem Tod gleicht und durch den Tod angedeutet wird, hielt ich es für angezeigt, sie an dieser Stelle zu behandeln. Eine Jungfrau heiraten bedeutet einem Kranken den Tod; denn dieselben Bräuche, die bei einer Hochzeit geübt werden, kommen auch bei einer Bestattung vor. Von guter Vorbedeutung ist es hingegen für einen, der m ein neues Unternehmen einzusteigen beabsichtigt - es zeigt das Gelingen seines Vorhabens an - und für einen Mann, der von irgendeiner Seite einen Profit erhofft; in jedem Fall übernimmt ja derjenige, der heiratet, ein Vermögen, das ihm die Braut in die Ehe bringt. Allen anderen zeigt es Aufregungen und üble Nachreden an; denn ohne Wirrwarr geht es bei keiner Hochzeit aus. Heiratet einer ein Frauenzimmer, das keine Jungfrau mehr ist, so wird er sich nicht auf neue, sondern auf alte Unternehmungen verlegen, aber dabei nicht schlecht fahren. Dünkt es einen, seine Frau heirate einen anderen, so zeigt es einen Wechsel im Beruf oder die Scheidung an. Träumt eine verheiratete Frau, sie eheliche einen anderen Mann, so wird sie, wie die Alten sagen, ihren Mann zu Grabe tragen oder sich sonstwie von ihm trennen.  - (art)

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