- in Mengen, Kieschen -
(gau)
Geld
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Ich habe gelernt,
Bücher besonders negativ zu werten, in denen auch nur in irgendeiner Weise "Geld"
zur Durchführung von Plänen oder Ideen gehört. Irgendwie fühle ich, daß es "das
Geld" nicht gibt, nicht geben kann, ohne daß es vorher gestohlen wird...
- Ernst Fuhrmann, nach dem Vorwort zu E.F.: Der Geächtete. Berlin
1983 (zuerst 1931)
Geld
(3) Alle Menschen
lieben das Geld: sie streicheln es, küssen es, drücken
es ans Herz, wickeln es in hübsche Fetzchen und wiegen es wie eine Puppe. Manche
rahmen sich einen Geldschein ein, hängen ihn an die Wand und verneigen sich
davor wie vor einer Ikone.
Manche füttern ihr Geld: sie sperren ihm den Mund auf und stecken ihm die besten Bissen hinein.
Bei Sommerhitze tragen sie es in den kühlen Keller, und im Winter, bei grimmiger Kälte, werfen sie es in den Ofen, ins Feuer.
Manche plaudern sogar mit ihrem Geld oder lesen ihm spannende Bücher oder singen ihm schöne Lieder vor.
Ich aber schenke dem Geld keine besondere Beachtung, ich trage es im Portemonnaie oder in der Brieftasche und gebe es je nach Bedarf aus. Juchhei!
August 1940 - (
charms
)
Geld
(4) Eugens Schwester schien von ihrem
Mann auch wenig zu bekommen, obwohl er Bäcker und Cafetier war; denn Geld erschien
Emil als etwas Heiliges, das man auf jede Art zusammenkratzen und beiseite schaffen
mußte. Weil sein Bruder in Rußland verschollen war, hatte er jetzt alles für
sich oder würde es bekommen, wenn seine Mutter tot war; denn die ließ den Besitz
noch immer nicht auf Emil überschreiben, weil sie wußte, daß sie dann sowohl
von ihrem Sohn als auch von dessen Frau abgeschoben würde. - Hermann Lenz, Ein Fremdling. Frankfurt am
Main 1988 (st 1491, zuerst 1983)
Geld
(5) Nichts geht verloren, der Staat
arbeitet mit dem, was wir nicht sehn. Wohin geht unser Geld, wenn wir es endlich
losgeworden sind? Warm fühlen sich die Hände auf den Scheinen an, die Münze
schmilzt von der Faust, die sich doch von ihr trennen
muß. Die Zeit soll am Monatsersten stehenbleiben, damit wir unser warmes Geldhäufchen,
das stinkt und dampft von unsrer Arbeit, noch ein
wenig anschauen können, bevor wir's auf unsre Konten tragen, damit es unsre
Bedürfnisse schön saftig wachsen läßt. Am liebsten ruhten wir aus in unsrem
heißen goldenen Dung. Aber die unruhige Liebe schaut
bereits um uns herum, wo es etwas Besseres gibt als das, was wir schon haben.
Das Schifahren kennen die Menschen, die ursprünglich hier wuchsen wie Gras,
an seinem Ursprung (in Mürzzuschlag/Stmk. ist das
berühmteste Schimuseum der Welt!), nur vom Anschauen her. So tief über den kalten
Boden sind sie gebeugt, daß sie die Spur nicht finden.
Dauernd fahren andre an ihnen vorüber und hinterlegen ihre Notdurft in den Wäldern.
- Elfriede Jelinek,
Lust
.
Reinbek bei Hamburg 1992 (rororo 13042, zuerst 1989)
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Währungseinheit Büchsengeld busengeld
deckgebühr deichselgeld |
- Horst Bienek, aus (
abc
)
Geld
(8) Seltsamerweise
hat man für den Sicherheitsbedarf aller Menschen
nach dem Versagen der zehn Gebote einen Generalnenner gefunden, den man »Geld«
nennt. Mit Geld, denkt man, kann man alle Sicherheiten haben. Alsdann hat man
das Geld in die Banken getan, und auch die haben im
allgemeinen nichts mehr davon, so daß es verhältnismäßig schwer zu stehlen ist.
Die Begehrlichkeit, die eigentlich verboten war, ist ins Unbegrenzte gewachsen,
und man gibt relativ freiwillig einen Teil des erlangten Geldes direkt aus,
um sich neue Sicherheiten zu kaufen, die man »Versicherungen« nennt. Diese Dinge
kann der Leser sich nach solchen kurzen Skizzen selbst weiter überlegen. Der
Contrat Social der zehn Gebote schützt ihn nicht gegen Angst. Das Geld hat ebensowenig
zur Sicherheit führen können. Es hat schon seit Jahrhunderten
oder Jahrtausenden die völlig stabile Gewohnheit, langsam (und manchmal rapide)
entwertet zu werden, und wenn man alle Versicherungen bezahlt hat, möchte man
gern eine Versicherung aufnehmen, die dagegen versichert, daß sich die Versicherung
entwertet. -
Ernst Fuhrmann, Die Angst als soziales Problem. Nach (
fuhr
)
Geld
(9) Wenn du wissen
willst, was Gott über Geld denkt, dann guck dir bloß
die Leute an, denen Er es gegeben hat. -
Dorothy Parker
, nach: Michaela
Karl , "Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber". Salzburg
2011
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(12) Als ob
dieses Geld tatsächlich eine Last darstelle, die man loswerden muß, um die Augen
für die Welt offen zu haben, und ich also diesen Verlust erleiden müsse, um
frei zu sein. Kurz und gut, ich bin wieder abgefahren, beinahe ungern und als
ob ich dem, was ich doch noch vor Augen hatte, schon nachtrauerte (dabei hätte
ich weitermachen können, denn das Geld war noch nicht ganz zu Ende. Wie könnte
man das nennen: ein Ante- oder AntiBedauern?); genauer gesagt, als sehnte ich
mich nach dem, was ich bereits hatte; als sehnte ich mich nach meinem eigenen
Ich, nach einer inzwischen unmöglichen Jugend (und deshalb bin ich so rasch
wie möglich wieder abgereist). Um noch genauer zu sein, ich meine, daß die Aufhellung
meiner Sicht allein durch eine solch schmerzliche Erinnerung von mir an mich
signalisiert wurde: Aber das war immerhin etwas im Vergleich zu der vorausgegangenen
totalen Gleichgültigkeit. Und ich meine auch, mehr oder weniger abschweifend,
daß unter einem gewissen äußeren Aspekt in dem Ganzen auch etwas Exemplarisches
liegt, das heißt eine exemplarische Absurdität, nach folgendem Schema: Das Geld
verhindert jeden Genuß, indem es einen in eine abgetrennte, ausschließliche
Leidenschaft treibt; aber sein Verlust, der doch das Tor zur Welt wieder öffnet,
verschließt es auch sogleich wieder, sozusagen mit der anderen Hand, weil man
ohne Geld auf der Welt nicht leben kann. Die Formulierung ist zu trocken. Doch
wenn man weiterdenkt, so ist das der Grund, aus dem ich mir einst diese halben
oder provisorischen Genüsse ausgedacht habe, die dem Verlust selbst vorausgingen
und ihn beinahe nicht zwingend erscheinen ließen (wie an anderer Stelle angedeutet)
und die sich nun mit allen anderen jugendlichen Torheiten verflüchtigt zu haben
scheinen. Und wirklich könnte sogar die Tatsache tröstlich sein (wenn etwas
das sein könnte oder zu etwas führte), daß mir jetzt das Geld an sich lästig
ist, unabhängig von der negativen Schicksalsladung, die es mit sich führt: Ich
hatte mir jene Methode ausgedacht, um einem Geschick zu entgehen, das zwangsläufig
jeden Genuß auszuschließen schien, aber sie war zu artifiziell und unbesorgt,
und jetzt büße ich dafür (sogar für so läßliche Sünden büße ich in meinem Leben.
Alles scheint mich auf die größeren Lösungen hinzuschieben und -zustoßen, für
die mir jedoch ganz sicher die Kräfte fehlen. Was für eine Posse ist das?).
- (land3)