chlund
Die übliche Art, sich Arnheim zu nähern, war auf
dem Flußwege. Der Besucher verließ die Stadt morgens in aller
Frühe. Während des Vormittags wurde er zwischen Ufern von einer
ruhigen, häuslichen Schönheit dahingeführt, auf denen unzählige
Schafe grasten, deren weiße Vließe das starke Grün leichtgewellter
Wiesenweiten tüpfelten. Ganz allmählich minderte sich der Eindruck
von Landbau, und machte dem bloßer schäferlicher Hutung Platz.
Dieser verschmolz langsam mit einem aufkommenden Gefühl der Zurückgezogenheit
- dieses wiederum mit dem bewußten Innewerden von Einsamkeit.
Als es gegen Abend ging, wurde das Fahrwasser schmäler, die Ufer
zunehmend steiler, und das Laubwerk, das die letzteren bekleidete,
reicher, verschwenderisch & wirrer & schwerfarbiger.
Das Wasser nahm zu an Durchsichtigkeit. Der Strom
beschrieb tausend Windungen, so daß seine schimmernde Fläche
keinen Moment auf größere Entfernung zu übersehen war, als einige
Ruten weit. Jedweden Augenblick schien das Schifflein eingefangen
in einen Zauberzirkel, der unübersteigbare & undurchdringliche
Wälle aus Blättrigem hatte, ein Dach von ultramariner Seide,
und keinen Fußboden - balancierte sich der Kiel doch mit admiraliger
Finesse auf dem einer Fantombarke, die, durch irgendeinen Zufall
das Untere zu Oberst gekehrt, als ständiger Begleiter der materialisierten
mit ihr dahintrieb, zum Zweck, sie zu unterstützen. Der Kanal
wurde nunmehr zum Schlunde - obwohl der Ausdruck irgendwie unzuständig
ist, und ich ihn nur deshalb verwende, weil die Sprache über
kein Wort verfügt, das den frappierendsten - nicht den bezeichnendsten
- Zug der Szenerie korrekter wiedergäbe. Der Schlundcharakter
wurde hauptsächlich durch die Höhe und Parallelität der Steilufer
hervorgebracht; nahezu jeder andere Einzelzug widersprach dem
jedoch. Die Wände der Hohlschlucht, (durch die das klare Wasser
aber immer ruhevoll dahinfloß), stiegen bis zu einer Höhe von
100, ja gelegentlich 150 Fuß auf, und neigten sich derartig gegeneinander,
daß das Tageslicht in hohem Maße ausgesperrt wurde; während die
dichten gefiederten Moosbärte, die aus dem ineinanderverrankten
Strauchwerk zu Häupten reich & lang herniederschwankten,
der ganzen Spalte etwas makaber Glummes verliehen. Die Flußschlingen
wurden häufiger & immer verwickelter, und schienen oftmals
wie in sich selbst zurückzukehren, so daß dem Reisenden längst
schon jeglicher Sinn für Richtung verloren gegangen war. Auch
hatte ihn, allmählich, zusätzlich, ein exquisites Gefühl der
Fremdartigkeit eingehüllst. Der Eindruck der ‹ Natur › war
durchaus noch vorhanden; aber ihr herkömmlicher Charakter schien
eine Abwandlung erfahren zu haben: man gewahrte eine überirdische
Symmetrie, eine aufpeitschende Uniformheit,
eine verhexte Adrettität in ihren Werken hier. Kein abgestorbener
Zweig, kein welkes Blatt, nicht 1 verirrter Kiesel, nicht 1 Fleckchen
der braunen Erde war irgendwo zu sehen. Das krystallene Wasser
strich an dem reinlichen Granit, an den makellosen Moosen, in
so sauberer Linie entlang, daß es das Auge ebenso entzückte wie
verwirrte.
Nachdem es sich durch die Irrgärten
dieser Kanalhaftigkeiten mehrere Stunden lang hindurchgewunden,
und das Düster mit jedem Augenblick an Tiefe zugenommen hatte,
brachte 1 scharfe & unerwartete Schwenkung des Schiffleins,
es, wie aus dem Himmel gefallen, in ein kreisrundes Becken von,
mit der Enge des Schlundes verglichen, sehr beträchtlicher Ausdehnung.
Es hatte an die 200 Yards im Durchmesser, und war an allen Punkten,
außer 1 - demjenigen, beim Eintritt des Schiffleins ihm genau
gegenüber - von Hügeln umgürtet, die gleiche durchschnittliche
Höhe mit den Wänden der Spalte aufwiesen, ansonsten aber von
grundauf verschiedenem Charakter waren. Ihre Hänge böschten sich
vom Wasserrand aus in einem Winkel von rund 45 ° nach oben, und
waren vom Fuß bis zum Gipfel - ohne
daß auch nur 1 Pünktchen eine sichtbare Ausnähme gemacht hätte
- in ein Gewand der allerprachtvollsten Blumenblüten gekleidet,
sodaß in der ganzen weiten See von duftenden & wallenden
Farben kaum ein grünes Blättchen zu erkennen war. Das Becken
war von beträchtlicher Tiefe; aber so transparent war die Flut,
daß sein Boden, der aus einer dichten Masse von kleinen rundlichen
Alabasterkieseln zu bestehen schien, zuweilen, obschon flüchtig,
ganz deutlich erkennbar wurde - das heißt sobald das Auge es
sich einmal erlauben konnte, nicht also tief in den verkehrten
Himmel, das Doppel der Blütenhügel, hineinzuschauen. Auf diesen
letzteren befanden sich keinerlei Bäume, ja nicht einmal Buschwerk
von nennenswerter Größe. Die beim Beschauer ausgelösten Impressionen
waren zusammengesetzt aus Üppigkeit, Wärme, Farbigkeit, Stille,
Gleichförmigkeit, Weichheit, Köstlichkeit, Eleganz, Wollüstigkeit,
und ein wundersames Äußerstes von Kultur allgemein, das Träume
von einem neuen Geschlecht von Feen hervorrief, emsig geschmackvoll
prachtliebend & wählerisch zugleich; aber wenn das Auge die
Myriaden Tinten der Hänge aufwärts schweifend verfolgte, von
der scharf durchgezogenen Wasserlinie, bis hinauf zu der verschwimmenden
Begrenzung inmitten der Falten überhängenden Gewölks, dann wurde
es wahrlich schwierig, sich nicht der Vision eines Rundumkataraktes
aus Rubinen, Saphiren, Opalen und Goldonyxen hinzugeben, der
lautlos aus dem Himmel auf Einen einrollte.
-
Edgar Allan Poe, Der Park von Arnheim, in (
poe
)
Schlund (2) Natürlich
können die Bisse der giftigsten Schlangen innerhalb weniger Minuten
zum Tod fuhren. Besonders die der Asiatischen Königskobra, die
mehr als fünf Meter lang werden kann und damit die größte Giftschlange
ist. Berichte aus Asien überliefern,
daß selbst Elefanten ihre Bisse nur
einige Stunden lang überlebten. Kobras sind aber eher scheu und
zurückhaltend und nicht so schnell und wendig wie Schwarze Mambas,
vor denen man besser mit großen Schritten flieht. Zudem mögen
Königskobras am liebsten andere Schlangen.
Sie schrecken dabei auch nicht vor Giftschlangen zurück. Sogar
Netzpythons und Warane sah man sie schon verschlingen.
Afrikanische Kobras bevorzugen Kröten
und junge Hühner. Ihre Nahrung ziehen
sie meist mit dem Kopf voran in ihren Schlund. - Cord Riechelmann,
Bestiarium. Der Zoo als Welt - die Welt als Zoo. Frankfurt am
Main 2003
Schlund (3) Der enge Schlund, durch den dann alles Erbeutete hindurch muß, ist für die wenigen, die noch so lange leben, der letzte aller Schrecken. Immer war die Phantasie des Menschen mit diesen Etappen der Einverleibung beschäftigt. Das starrend geöffnete Maul der großen Bestien, die ihn bedrohten, hat ihn bis in seine Träume und Mythen verfolgt. Entdeckungsfahrten ihren Rachen hinunter waren ihm nicht weniger wichtig als die übers Meer und sicher ebenso gefährlich. Manche, die keine Hoffnung mehr hatten, sind noch lebend aus dem Maul dieser Bestien gezogen worden und trugen die Narben ihrer Zähne ein Leben lang an sich.
Es ist ein langer Weg, den die Beute durch den Körper
geht. Auf diesem Wege wird sie langsam ausgesogen;
was immer verwendbar an ihr ist, wird ihr entzogen. Was übrigbleibt, ist Abfall
und Gestank. -
(cane)
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