egende An irgendeiner Stelle seines Werkes versichert Rafael Cansinos Asséns, er sei imstande, den Sternen in vierzehn klassischen und modernen Sprachen seinen Gruß zu entbieten. Burton träumte in siebzehn Sprachen und beherrschte, so wird erzählt, deren fünfunddreißig: semitische, dravidische, indo-europäische, äthiopische... Dieser Sprachenstrom gibt seine Persönlichkeit aber noch nicht völlig wieder: er ist nur ein Zug in seinem Porträt und steht mit anderen in Einklang, die nicht weniger exzessiv sind. Niemand brauchte sich von dem bekannten Scherzwort im Hudibras gegen die Doktoren, die imstande seien, in verschiedenen Sprachen rein nichts zu sagen, weniger getroffen zu fühlen als er: Burton war ein Mann, der überaus viel zu sagen hatte, und die 72 Bände seines Werks legen immer noch Zeugnis davon ab. Ich zitiere aufs Geratewohl ein paar Titel: Goa und die Blauen Berge, 1851; Bajonettübungen, systematisch dargestellt, 1853; Persönlicher Bericht von einer Wallfahrt nach Medina, 1855; Die Seengebiete von Äquatorialafrika, 1860; Die Stadt der Heiligen, 1861; Erforschung der Hochflächen Brasiliens, 1869; Über einen Hermaphroditen der Kapverdischen Inseln, 1869; Briefe von den Schlachtfeldern von Paraguay, 1870; Ultima Thule oder ein Sommer in Island, 1875; An der Goldküste auf Goldsuche, 1883; Das Buch des Schwertes (erster Band), 1884; Der Duftende Garten von Nafzaua — ein nachgelassenes Werk, das Lady Burton dem Feuer übergab, ebenso eine Sammlung von Epigrammen im Geist des Priap. Der Schriftsteller wird in diesem Verzeichnis faßbar, der engliche Kapitän, der an Erdkunde ebenso leidenschaftlich interessiert war wie an den unzähligen Arten des Menschseins, die unter den Menschen bekannt sind. Ich will seinem Gedächtnis nicht zu nahe treten, indem ich ihn mit Morand vergleiche, dem seßhaften Reiter auf zwei Sprachen, der ohne Ende in den Fahrstühlen ein und desselben internationalen Hotels hinauf- und hinunterfährt und ehrfürchtig das Schauspiel eines Koffers genießt... Burton war als Afghane verkleidet zu den heiligen Städten Arabiens gepilgert; seine Stimme hatte den Herren angefleht, er möge seine Gebeine und seine Haut, sein schmerzempfindliches Fleisch und sein Blut vor dem Feuer des Ewigen Zorns und der Gerechtigkeit verschonen; er hatte mit seinem vom Samum ausgedörrten Mund auf dem Aerolith, der in der Kaaba verehrt wird, einen Kuß hinterlassen. Dieses Abenteuer ist berühmt geworden: wäre das Gerücht aufgekommen, ein Unbeschnittener, ein Mazrani, sei im Begriff das Heiligtum zu entweihen, so wäre sein Tod besiegelt gewesen. Vorher hatte er im Gewand eines Derwisch in Kairo die Heilkunde betrieben, nicht ohne zwischendurch Taschenspielerkünste und Zauberei zu praktizieren, um das Vertrauen seiner Patienten zu gewinnen. Um das Jahr 1858 hatte er eine Expedition zu den verborgenen Quellen des Nil angeführt: ein Kommando, das ihm die Entdeckung des Tanganjika-Sees eingebracht hatte. Bei diesem Unternehmen wurde er von hohem Fieber befallen; im Jahr 1855 durchbohrten ihm die Somalis die Backen mit einer Lanze. (Burton kam von Harrar, der für Europäer verbotenen Stadt im Inneren Abessiniens.) Neun Jahre später machte er Bekanntschaft mit der furchtbaren Gastfreundschaft der in strengen Bräuchen erzogenen Kannibalen des Dahome; als er von dort zurückkam, fehlte es nicht an Gerüchten (die er vielleicht selber ausstreute, sicher aber bestärkte), die behaupteten, er hätte von «sonderbarem Fleisch» gegessen wie der allesverschlingende Prokonsul bei Shakespeare. Die Juden, die Demokratie, das Auswärtige Amt und das Christentum waren ihm besonders verhaßt; Lord Byron und den Islam verehrte er. Aus dem einsamen Geschäft des Schreibens hatte er eine Kraftleistung pluralistischer Art gemacht: schon früh am Morgen ging er sie an, in einem weiträumigen Salon, der in elf Tische aufgeteilt war; aufjedem Tisch lag das Material für ein Buch, und auf einem von ihnen stand ein lichter Jasminzweig in einem Gefäß mit Wasser. Er entfachte bedeutende Freundschaften und Liebschaften; was die ersten angeht, sei an die mit Swinburne erinnert, der ihm die zweite Folge von Poems and Ballads widmete — «in recognition of a friendship which I must always count among the highest honours of my life» — und der seinen Hingang in einer Menge Strophen beklagte. Als ein Mann in Worten und Taten konnte Burton mit vollem Recht den auftrumpfenden Spruch des Diwan von Almotanabi für sich in Anspruch nehmen:

Das Roß, die Wüste, die Nacht kennen mich,
Der Gastfreund und das Schwert, das Papier und die Feder.

Man wird bemerkt haben, daß ich — angefangen mit dem Amateur-Menschenfresser bis hin zu dem polyglotten Schläfer — auch jene Wesenszüge Richard Burtons nicht verworfen habe, die wir, ohne in unserer Teilnahme für ihn nachzulassen, als legendär ansprechen können. - Jorge Luis Borges, Vorwort zu Tausendundeine Nacht nach Burton (Die Bibliothek von Babel 26, Stuttgart 1984)

Legende (2)

Rocklegende

- (tom)

Legende (3)  Soweit ich weiß, nahm er alle gewöhnlichen Rauschmittel - Morphium, Heroin und auch Kokain. Zu welcher Dosis er sich steigerte, ist schwer zu sagen. Ich habe erlebt, daß drei Gran Morphium nicht mehr bewirkten, als eine Frau - in einer Geburtsabteilung - normal ruhigzustellen.

Natürlich hat es ihn schließlich erwischt; er fing in späteren Jahren mächtig zu schlittern an, machte schlimme Fehler. Aber diese Schlußphase war gekennzeichnet durch jene seltsame Bewunderung, die manchmal Leute zu einem Mann hinzieht, gerade weil sein Name so einen gefährlichen Klang hat. Sie lebte wieder auf in der Art und Weise, wie viele Leute, nicht alle, noch an Rivers hingen, je tiefer und tiefer es mit ihm bergab ging.

Sie schienen sich sein Bild im Geiste für sich selbst zu schaffen, der geliebte Sündenbock für ihre eigenen schweifenden Begierden - und sie glaubten, er allein könnte sie heilen.

Er wurde zu einer Legende und ließ sich immer mehr gehen.

Aber er machte schreckliche Sachen. Es heißt, er hätte die Bemerkung von sich gegeben, alle Frauen brauchten bloß die Hälfte ihrer Organe - die anderen wären nur eine Gelegenheit für Chirurgen. Die Hälfte der jungen Frauen von Creston lebten ohne die Hälfte ihrer Organe, durch seine Dienste, wenn man seinen Reden glauben kann. - William Carlos Williams, Der alte Doc Rivers, nach (messer)

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