annibalen
Um für das Gastmahl zu Ehren seiner Freunde frisches Wildbret zu
besorgen, ging Staden am Morgen gemeinsam mit seinem indianischen Leibdiener
zur Jagd in den Wald. Niemand hatte bemerkt, daß über Nacht heimlich Tupinambas
gelandet waren und in der Inselwildnis lauerten - hochgewachsene, nackte
Krieger, die sich rot und schwarz bemalt hatten und in den durchbohrten
Lippen und Backen grüne Steinpflöcke trugen. Prompt fiel Staden den »Wilden«,
wie er sie stets nannte, in die Hände: »Plötzlich ertönte das Kriegsgeheul
der Wilden. Als ich die Gefahr erkannte, hatten sie mich schon umzingelt.
Ich konnte nur noch ausrufen: ›Gott sei meiner Seele gnädig!‹ Und schon
wurde ich niedergeschlagen. Sie schossen und stachen nach mir, dennoch
wurde ich nur an einem Bein verletzt.«
Dann rissen sie ihm alle Kleider vom Leib und »bissen sich in die Arme,
um mir anzudrohen, daß ich verspeist werden sollte«. Angesichts des keulenschwingenden
Anführers sah Staden schon sein letztes Stündlein gekommen, doch dieser
entschied, »mich lebend in ihr Dorf zu bringen, damit auch ihre Frauen
mich sehen könnten und ihren Spaß mit mir hätten«. - Georg Bremer,
Unter Kannibalen. Die unerhörten Abenteuer der deutschen Konquistadoren
Hans Staden und Ulrich Schmidel. Zürich 1996
Kannibalen (2) Im Blätterwerk und Dickicht dieser ungeheueren
Pflanzenwucherungen verborgen, verkamen hie und da ein paar sehr verstreute
Stämme unter Flöhen und Fliegen. Sie waren durch ihre Totems
völlig verblödet und nährten sich in der Regel von verfaultem Maniok. Es waren
ganz naive Menschen, die offenkundig Menschen fraßen, verstört durch ihre Not
und von tausenderlei Seuchen aufgezehrt. Es bestand gar kein Grund zu einer
amtlichen Expedition, die peinlich und nutzlos gewesen wäre.
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reise
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Kannibalen (3)