(gau)
Enthaupten (2) Dann legte sie sich ganz ruhig auf den Block und rief, die Arme und Beine ausstreckend, In manus tuas domine, drei oder vier Mal, und endlich, während einer der Henker sie sacht mit einer Hand festhielt, schlug der andere zweimal mit der Axt zu, erst dann hatte er ihren Kopf abgeschnitten. Und doch blieb ein kleiner Knorpel zurück, und nun machte sie sehr leise Geräusche und lag ganz reglos da ... Ihre Lippen zuckten noch fast eine Viertelstunde, nachdem ihr Kopf abgeschlagen worden war.
Als dann einer der Henker ihr die Strümpfe löste, da sah er ihr Hündchen,
das unter ihren Rock gekrochen war, und man konnte es nur mit Gewalt hervorholen,
und hinfort wollte es sich nicht von ihrer Leiche trennen. Es kam herbei und
legte sich zwischen ihren Kopf und ihre Schulter, was aufmerksam beobachtet
wurde. - Richard Wingfield, Schilderung der letzten Tage der Königin der
Schotten, nach (
krypt
)
Enthaupten (3) Als Dionysos in Thrakien
einfiel, lehnte Orpheus es ab, ihm Ehre zu erweisen.
Statt dessen führte er andere, frommere Mysterien ein und predigte gegen das
Übel der Menschenopfer. Die Männer von Thrakien hörten ihm voll Ehrfurcht zu.
Jeden Morgen stellte er sich auf den Gipfel des Berges Pangaion, um die Sonne
zu grüßen, und verkündete, daß Helios, den er Apollon nannte, der größte aller
Götter sei. Voll Zorn darüber hetzte Dionysos die Mainaden auf ihn. Sie warteten,
bis ihre Männer die Waffen abgelegt und Apollons Tempel betreten hatten, wo
Orpheus als Priester diente. Dann ergriffen sie die Waffen, brachen in den Tempel
ein, töteten ihre Männer und zerrissen Orpheus Glied um Glied. Sein Haupt warfen
sie in den Fluß Hebros, aber es schwamm, immer noch singend, zum Meere und wurde
zur Insel Lesbos getragen. - (
myth)
Enthaupten (4)
Vier hingerichtete Räuber
(enthauptet):
Manne Friedrich 1, Hölzerlips
2, Kramer Mathes ,
Veit Kraemer 4
Kupferstich aus dem Jahre 1812
- (
ave
)
Enthaupten (5) Es darf nicht übergangen werden, daß der Wal während des Abspeckens zugleich enthauptet wird. Das Abtrennen des Kopfes ist nämlich eine chirurgische Leistung, auf die der sachkundige Flenser sich nicht wenig zugute tut, und zwar mit Fug und Recht.
Man bedenke, daß es am Walfisch, streng genommen, nichts gibt, was als Hals anzusprechen wäre; im Gegenteil, wo der Kopf offenbar in den Rumpf übergeht, gerade dort befindet sich die fetteste Rundung seines Leibes. Man vergesse auch nicht, daß der Flenser von oben herab arbeitet, gut und gern drei Meter über seinem Opfer, wobei dieses von einer mißfarbigen und oft hochgehenden See beinahe ganz verdeckt wird. Ferner muß man sich in Erinnerung rufen, daß er unter diesen widrigen Verhältnissen metertiefe Einschnitte in das Fleisch zu stechen hat; blindlings, ohne auch nur den flüchtigsten Blick in die sich immer wieder schließende Wunde werfen zu können, muß er behutsam alle benachbarten, verbotenen Teile schonen und das Rückgrat an einer genau bestimmten, wesentlichen Stelle durchstoßen, dicht beim Genick. Ist es unter so bewandten Umständen nicht erstaunlich, wenn Stubb sich anheischig macht, jeden Pottwal in längstens zehn Minuten zu enthaupten?
Das abgetrennte Haupt läßt man zuerst achteraus sacken und schleppt es an einer Trosse nach, bis der Wal fertig abgespeckt ist. Falls es sich um einen kleineren Walfisch handelt, wird danach der Kopf binnenbords geholt, um an Deck in aller Ruhe verarbeitet zu werden. Bei einem ausgewachsenen Ungetüm geht dies freilich nicht an, da das Haupt des Pottwals nahezu ein Drittel seiner Leibesfülle ausmacht; ein solches Gewicht aus dem Wasser heben zu wollen, selbst mit den riesigen Takeln eines Walfängers, dies wäre so vergeblich wie der Versuch, eine Scheune an eine Federwaage zu hängen.
Nachdem der längsseits der «Pequod» liegende Wal enthauptet und abgespeckt worden war, holte man den Kopf an die Bordwand auf, ungefähr halbwegs aus dem Wasser, so daß er immer noch zum großen Teil von dessen Auftrieb getragen wurde. Und während das Schiff infolge des ungeheuren Gewichts, das am Topp des Untermastes zerrte, stark überlag, wobei die Rahen wie die Ausleger von ebensoviel Kranen auf die Schlagseite zielten, hing dieses bluttriefende Haupt mittschiffs der «Pequod» wie das des Holofernes einst am Gürtel der Judith.
Bis diese letzte Arbeit verrichtet war, wurde es Mittag, und das Schiffsvolk begab sich hinunter zum Essen. Nach all dem Aufruhr lag nun das Deck ruhig und verödet da. Eine eherne Stille entfaltete sich wie eine ungemeine gelbe Lotosblüte auf den grenzenlosen Wassern.
Nicht lange, und in diese Stille hinauf stieg Ahab an Deck. Ein paarmal stelzte er achtern hin und her, blieb dann stehen, um versonnen über die Reling zu schauen, und turnte hierauf bedächtig in die Großrüst, wo er Stubbs Speckspaten ergriff, der nach der Enthauptung des Wals dort zurückgeblieben war, und ihn unten in die an der Bordwand schwebende Masse hineinstach, den Stiel gleichsam als Krücke unter die Achsel klemmte und sich dann vornüberneigte, den Blick nachdenklich auf das Haupt des Walfischs gerichtet.
Es war ein schwarz verkapptes Haupt, und wie es so inmitten der ehernen Stille
hing, gemahnte es an das des Sphinx in der Wüste. «Sprich,
ehrwürdig Haupt», kam es leise von Ahabs Lippen, «zwar nicht bärtig, doch da
und dort wie grau bemoost; sprich, gewaltig Haupt, und verrate mir dein Geheimnis.
Von allen Tauchern hast du am tiefsten getaucht. Das Haupt, welches jetzt im
Sonnenglast spiegelt, hat sich in den Urgründen dieser Welt umgetan, wo ungezählte
Schiffe verrotten, deren Namen keiner kennt; wo Hoffnungen und Anker begraben
liegen, von denen niemand weiß; wo in seinem mörderischen Kielraum das stolze
Schiff, die Erde, als Ballast die Gebeine der Gebliebenen geladen hat; dort,
in jener schauerlichen Welt des Wassers warst du zu Hause. Du weiltest, wo kein
Taucher je hindrang; du hast neben manch einem Seemann geschlummert, an dessen
Seite sich zur Ruhe legen zu können, gar manche ruhlose Mutter ihr Leben hingäbe.
Du hast mitangesehen, wie sich Liebende engumschlungen vom lodernden Schiff
stürzten; Herz an Herz tauchten sie in die grausame Tiefe, einander treu, selbst
als alles sich gegen sie verschworen. Du hast mitangesehen, wie der meuchlings
umgebrachte Steuermann von den Seeschäumern nächtlicherweile über Bord geworfen
wurde; stundenlang sank er in die tiefere Nacht des unersättlichen Schlundes,
und seine Meuchelmörder entsegelten wohlbehalten, dieweil daneben zuckende Blitze
das Schiff zerspellten, das einen rechtschaffenen Gatten in die sehnsüchtig
nach ihm ausgestreckten Arme gebracht hätte. O Haupt, was du alles mitangesehen
hast, ist danach angetan, Himmel und Erde zerbersten zu lassen und selbst Abraham
irrezumachen, und dabei bist du nicht eines einzigen Wortes mächtig!» -
(mob)
Enthaupten (6) Auf ein von Wang
gegebenes Zeichen (il etait impassible comme une statue de Bouddha, wie
Persy dann immer sagte, wenn sie diese Szene erzählte) erhob der Scharfrichter
das gerade Schwert, das in der Sonne aufblitzte. Wuiii! Und Zypcio sah das gleiche,
was vor vier Stunden alle zusammen mit dem Gencralquartiermcistcr gesehen hatten:
das Durchschneiden einer satanischen Preßwurst, die dann von dem aus den Arterien
des letzten Individualisten sprudelnden Blut übergössen wurde. Der Kopf rollte
dahin. Der Chef empfand im Moment des Köpfens nur Kälte im Nacken, und als der
Kopf wankte, schlug die Welt in seinen Augen einen solchen Purzelbaum wie die
Erde, von einem Flugzeug aus in einer scharfen Wendung gesehen. Dann umfing
fade Finsternis den schon auf dem Rasen liegenden Kopf. In diesem Kopf hatte
sein Ich das Dasein beendet, unabhängig von dem Korpus in der Generalsuniform,
der weiterhin kniete und nicht umfiel (das hatte etwa fünfzehn Sekunden gedauert).
Persy wußte nicht, ob sie sich zum Kopf werfen sollte oder zu dem Korpus - irgendwohin
mußte sie sich werfen. Sie wählte ersteren, sich an Salome erinnernd, an die
Königin Margarete und an Mathilde de la Môle von Stendhal (die nächstfolgende
Person in dieser Situation wird sich auch noch an sie erinnern müssen: an Persy
Zwierzontkowskaja — sie wird dann so berühmt wie jene anderen). Sie nahm den
wilden, unbeugsamen Kopf Kocmotuchowicz', der aus dem Hals Blut und Mark kotzte,
vom Rasen und, sich vorsichtig vorneigend, küßte ihn mitten auf den Mund, der
noch nach ihr selber roch. - Stanislaw I. Witkiewicz, Unersättlichkeit.
Nach: S.I.W.: Verrückte
Lokomotive. Ein Lesebuch, mit Bildern des Autors. Hg. Andrzej Wirth. Frankfurt am Main 1994 (zuerst 1930)