slam   Abulgualid Muhámmad Ibn-Ahmad ibn-Muhámmad ibn-Rushd (ein Jahrhundert sollte vergehen, bevor dieser lange Name zu Averroes wurde, wobei er noch seinen Weg über Benraist und Avenryz wie über Aben-Rassad und Filius Rosadis nahm) war dabei. das elfte Kapitel des Werkes Tahafut-ul-Tahafut (Zerstörung der Zerstörung) abzufassen, worin entgegen dem persischen Asketen Ghazali, Verfasser des Tahafut-ul-falasifa (Zerstörung der Philosophen) behauptet wird. daß die Gottheit lediglich die allgemeinen Gesetze des Weltalls kennt, jene, die sich auf die Gattung, nicht auf das Individuum beziehen.

Er schrieb mit langsamer Sicherheit, von rechts nach links: seine Gewandtheit im Aufstellen von Syllogismen und im Aneinanderknüpfen weitläufiger Paragraphen hinderte ihn nicht, die kühle Tiefe des Hauses, das ihn umgab, als Wohlgefühl zu empfinden. Am Grunde der Mittagsstille gurrten sich verliebte Tauben heiser: aus einem unsichtbaren Patio stieg das Murmeln eines Brunnens; etwas, das Averroes im Blut lag — seine Vorfahren stammten aus der arabischen Wüste —, war dankbar für die Beständigkeit des Wassers. Drunten waren die Gärten. die Obstfelder, tiefer noch der rege Guadalquivir und dann die geliebte Stadt Córdoba, nicht minder berühmt als Bagdad oder Kairo, ein kompliziertes und zartgestimmtes Instrument gleichsam, und rundum (auch dies empfand Averroes) breitete sich bis an den Horizont die Erde Spaniens, auf der es nur wenige Dinge gibt, wo aber jedes einzelne vollkräftig und wie für immer dazustehen scheint.

Die Feder lief über das Blatt, die Argumente verketteten sich, unwiderleglich, doch ein leises Unbehagen trübte Averroes' glückliche Stimmung. Nicht der Tahafut, der mehr eine Nebenarbeit war, trug die Schuld daran, sondern ein Problem philologischer Art, das mit seinem denkwürdigen Hauptwerk, das ihn in den Augen der Welt rechtfertigen sollte, zusammenhing: dem Aristoteles-Kommentar. Dieser Grieche, Urquell aller Philosophie, war den Menschen gesandt worden, um sie alles, was sich wissen läßt, zu lehren; seine Schriften auszulegen, so wie die Ulemas den Koran auslegen, war Averroes‘ schwieriges Vorhaben. Die Geschichte kennt kaum Schöneres und Bewegenderes als diese Hingabe eines arabischen Arztes an die Gedanken eines Menschen, von dem ihn vierzehn Jahrhunderte trennten; zu den im Stoff liegenden Schwierigkeiten müssen wir noch hinzunehmen, daß Averroes, der weder des Syrischen noch des Griechischen mächtig war, seiner Arbeit die Übersetzung einer Übersetzung zugrunde legen mußte.

Am Abend vorher hatten ihn zwei Wörter von zweifelhafter Bedeutung am Anfang der Poetik stocken lassen. Es waren die Wörter Tragödie und Komödie. Jahre vorher war er ihnen im dritten Buch der Rhetorik begegnet; kein Mensch im Umkreis des Islam hatte eine Ahnung, was sie bedeuten sollten. Vergebens hatte er die Schriften Alexanders von Aphrodisias durchstöbert, vergebens hatte er die Versionen des Nestorianers Hunain ibn-Isháq und des Abu-Bashar Mata befragt. Diese beiden Geheimwörter fanden sich im Text der Poetik an unzähligen Stellen; unmöglich sie zu umgehen. - Jorge Luis Borges, Averroes auf der Suche, in (bo3)

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