Die Physiologen sind nämlich darüber einig, daß, so nützlich uns der Alkohol als Genußmittel - mäßig genossen - auch sein kann, er doch nur in sehr verdünnter Form genossen werden darf.
Als dritter wesentlicher Bestandteil des Bieres ist die Kohlensäure
zu nennen, welcher dasselbe seine labende und erquickende Eigenschaft verdankt.
- (samt
)
Bier (2)
Bier (3) Bier wird gekocht mit Weizen, Gersten, Haber und Hopfen. Es ist zweierlei: Das dicke wird Doppelbier genannt, das andere ist lieblicher, subtiler und besser. Dickes Bier machet Feuchtigkeit, das andere, das lieblicher ist, nicht so viel. Bier mehret die Kräfte, Fleisch und Blut, ist von großer Nahrung, bewegt den Harn, bringt Linderung des Bauchs, zumal wenn es mit Hopfen gekocht ist. Mit zu viel Hopfen schadet es denen, die ein schwaches Hirn haben, dieselben macht es trunken und diese Trunkenheit währet länger denn die des Weins.
Bier, das nicht wohl gekocht ist, das kühlet ein wenig und blähet den
Bauch. Aber das saure beschädigt den Magen, das trübe verstopft und schadet
denen, die den Stein haben, verursacht Blähung von Kürze des Atems. Bier,
das übel gekocht wird, machet Wind im Magen und
Bauch und bewegt die Bärmutter. Und solches, das nicht wohl alt und von
seiner Hefen gereinigt ist, das wird nicht wohl verdauet, bringet Harnwind
und eben die Schäden wie das übel gekochte Bier. Bier aus Gersten und Hopfen
wohl gekocht, welches das temperierteste ist und gesundeste, öffnet die
Verstopfung. - (
kal
)
Bier (4) fürs Bier, mein Fräulein,
darf die Gerste nicht vom Regen durchnäßt sein, und damit sie nicht auswächst,
wird sie gereinigt und erst einmal in Bottichen mit abgestandenem Wasser
eingeweicht, dann geht es auf die Tenne, wo die Gerste keimt, wobei man
sie mit der Holzschaufel oder dem Wohlgemuth wendet, danach kommt sie auf
den Darrboden zum Trocknen, nachdem vorher der Malzofen angeheizt wurde,
und nun fällt das Malz in die Trommeln und die Siebe, aus denen extra das
Malz und extra die Blüten herausfallen, das sind die Keime, mit denen man
Ochsen mästet, es gibt Münchner Malz für dunkle Biere und Pilsner Malz
für helle Biere, im Sudhaus wird es dann mehrere Stunden gekocht, das zermalmte
Malz ist dreimal gemaischt worden, damit es mehr Zuckerstoff ergibt, nun
setzt man den Hopfen zu, was dem Bier die Bitterkeit verleiht, daraufhin
wird es in die Gärbottiche abgelassen, von dort geht es weiter in die Würztröge
des Lagerkellers, wo sich Bierhefe bildet, gewöhnliches Bier gärt einen
Monat nach, Lagerbier drei Monate, hab ich ein Gedächtnis, nicht wahr?
so eins haben wenige auf der Welt, Lagerbier erhält seine Qualität durchs
Kräuseln, und noch bevor man das Bier in Hektoliter oder Doppelhektoliter
abfüllt, wird mit einem Blechschapf der Nachgärungsschaum abgeschöpft,
von dem man in jedes Faß wieder ein wenig zurückgießt, was das Bier feurig
oder vollmundig macht, Münchner Biere lagern bis zu einem halben Jahr,
und wenn das erste Anzapfen ist, kommt der Präsident persönlich zuschauen
und kosten, eine Näherin namens Husaková, als ich sie über die Geschlechtsheilkunde
belehrte und dann über die Kunst, in der es am wichtigsten ist, Lücken
zu füllen, das heißt, etwas anderes zu schaffen, als vorher gewesen ist,
also diese Näherin wollte gleich, daß wir ins Wäldchen gehen, um eine Lücke
zu füllen, aber ich sagte, das kann jeder, doch etwas machen, was es noch
nicht gibt, darauf kommt es an, die Weiber sind
immer so direkt, in einem Restaurant beschwerte sich der Wirt während der
Unterhaltung, daß die Gäste vom Bieruntersatz die Striche wegwischten,
darauf meinte die Dame, die mit mir dort war, meine
Herren, ich habe einen Strich, den wischt mir keiner so leicht weg, allerdings
bleiben Lagerbiere ein halbes Jahr in gepichten Fässern, der süßliche Pardubitzer
Porter hat achtzehn Prozent, genausoviel wie heute der Nusler Senator,
der Brünner Drache hat vierzehn Prozent, ebenso der Brämker Spezial oder
der Budweiser Kristall, ach, mein Fräulein, die berauschende Vollmundigkeit,
die bitteren Pilsner Biere, die Kardmale und malzigen Biere von Fiek und
Tomás, das ist ja gerade der Jammer, daß der Fortschritt
zwar gut ist, damit die Menschen Menschen sind, aber fürs Brot und die
Butter und das Bier ist der Fortschritt die reinste Pest, auf diese Dinge
sollte man mit der Technik verdammt langsam losgehen, in den alten Brauereien
wurde das Bier in Kupfer gebraut, unterm Kessel brannte Scheitholz, die
Flamme ging durchs Kupfer und karamelisierte das Bier, hab ich ein Gedächtnis!
ist das eine Freude! oder: das Brot wurde aus einem Roggen gemacht, der
bis zum November in den Scheunen lag, aus den
Ähren konnte noch alles in die Körner übergehen, dann erst wurde gedroschen,
einen Kilometer weit war es zu riechen, wenn man die Gottesgabe buk, je
älter, desto besser, darum ist der Kaiser auch
lieber mit dem Landauer gefahren als mit dem Auto, und am liebsten hat
er Wein getrunken, gestorben ist er ja auf dem Abort
- (
hra
)
Bier (5) Als kleiner Junge, als ich noch nicht
schwimmen konnte, ging ich manchmal mit dem Vater, der
auch nicht schwimmen kann, in die Nichtschwimmerabteilung. Dann saßen wir nackt
beim Büffet, jeder mit einer Wurst und einem halben Liter Bier zusammen . ..
Du mußt Dir das richtig vorstellen, der ungeheure Mann mit dem kleinen ängstlichen
Knochenbündel an der Hand, wie wir uns zum Beispiel in der kleinen Kabine im
Dunkel auskleideten, wie er mich dann hinauszog, weil ich mich schämte, wie
er mir dann sein angebliches Schwimmen beibringen
wollte und so weiter. Aber das Bier dann! - Franz Kafka zu Dora Dymant,
nach: F.K., Briefe an Ottla und die Familie. Frankfurt am Main 1980 (Fischer
Tb. 5016)
Bier (6) Ich hatte nicht den Mut, mich mit Schnaps
zu vergiften, sondern riesenhafte Mengen minderwertigen
messingfarbenen Biers schluckte, das eine hinterhältige, schleichend verdummende
Wirkung auf meinen Verstand ausübte. Aber gerade eine solche Wirkung hielt ich
für die meinem labilen Geist am besten angemessene. Das Bier machte mich bitter
und unangenehm, es durchfettete mich mit stoischer Gefühlsduselei, die Tränen
liefen mir dabei über die Wangen, was mich scheinbar beruhigte, obwohl ihre
heuchlerische Grundlage der Neid auf alles Menschliche
war. - (
hilb2
)
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