Bier und Wein  Über das deutsche Bier ist viel geredet worden. Seinen entscheidenden Mangel sehe ich darin, daß seine stimulierende Wirkung in gar keinem Verhältnis zur narkotischen steht, daß es also vor allem schläfrig macht. Die Seßhaftigkeit, die Kannegießerei, der Verein, die deutsche Politik, die deutsche Gemütlichkeit, die deutsche Objektivität — mit einem Worte, die deutsche Schläfrigkeit. Ein Soldat, der vor dem Sturmangriff einen halben Liter Bier austrinkt, dürfte ein Kuriosum sein.

Auch der Franzose hat seine ekelhaften Caféhausspießer, seine Bouvards und Pécuchets, aber man hat sich dort den Weg zur Bösartigkeit nicht künstlich verschwemmt. Der Weintrinker ist nüchterner, wie ein Mensch, der mit gefährlicheren Stoffen hantiert; so habe ich in Neapel, wo es mir Spaß machte, zu hören, daß man während des Krieges nicht wagen durfte, das Weißbrot abzuschaffen, weil sich das Volk innerhalb von zwei Stunden auf den Plätzen zusammengerottet hätte, kaum einen Betrunkenen gesehen. Der Mann, qui boit son vin sec, besitzt ein Verhältnis zur Revolution, die einen der Versuche des Lebens darstellt, sich in Zeiten der Erschöpfung die Reservequellen zu erschließen, die im Bösen verborgen sind. So können die furchtbaren Reden im Konvent, in denen man im Spiel der Worte um Köpfe pointierte, noch heute nicht ohne Herzklopfen gelesen werden, während die Nationalversammlung von 1848 in den Folianten ihrer Berichte nichts als ein unfehlbares Schlafmittel, als die gesammelten Bierreden des deutschen Idealismus hinterlassen hat. Ohne die Fußtritte in den Hintern, die die Soldaten auf dem Marsche nach Spandau austeilten, würde doch gar zu wenig herausgesprungen sein; und einer der Augenblicke, die ich mir mit dem größten Behagen vorstelle, ist der, in welchem Schopenhauer dem preußischen Leutnant, der aus seinem Hause das Feuer eröffnen will, sein bestes Perspektiv zur Verfügung stellt.   - (ej)

 

Bier Wein

 

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