dler  Wenn wir zuerst meinten, daß ein Mensch ein ganzes Stück Adlernatur mitbringen muß, um in seinem Leben eindeutig mit einem solchen Tier vergleichbar zu sein, so ist der Gedanke nicht fertig. Man muß sich fragen, ob es nicht zwei Punkte gibt, die dabei Beachtung verdienen, erstens, ob nicht jeder Mensch Adler werden muß, oder ob nicht einfach unter den Menschen ein Adler entstehen wird, weil in Tausenden und Millionen Menschen so ein Etwas ist, das fliegen möchte und das doch jeder dieser einzelnen Menschen auf die Dauer durchaus nicht tragen mochte, - und zweitens könnte man auch die Frage stellen, wie eigentlich die Natur eines Menschen beschaffen sein müßte, damit er das, was in ihm und viel mehr noch in Andren hatte Adler werden wollen, in sich aufnahm und es nicht schändete, sondern es vollkommen zum Auftrieb des Fluges und der Augen benutzte, wie es nur in menschlichen Kräften stand. In Wahrheit werden ja alle diese drei Teile zusammenkommen müssen, damit es einen Adler gibt, eben die Formierung der Idee aus all dem Willen von ungezählten Lebewesen, die zu einer Zeit ihr Bestes von sich abstoßen, weil es untragbar ist, unvereinbar mit ihrer alltägigen Lebensweise. Dann ein Menschenkind, das zum Adler geboren ist, wie auch sehr viel Andre, aber nun wieder ein klein wenig mehr als alle diese Andren, ein Menschenkind, das ebenso, wie die Andren gemischt ist mit all den Lasten von Schaf und Rind, Spinne und Hamster, - da ist ein Gedankengang, auf den wir noch zurückkommen müssen, - und nun ist die Bestimmung Adler in diesem Leben einfach ungewöhnlich stark und muß siegen über alle andren Naturen der Kreuzung. Dann gibt es ein Leben hindurch Kampf, daraus entsteht die Aechtung, und vor allen Dingen jener ungeheure Mißerfolg im Leben. Keine Fabel berichtet uns, wie sich Adler und Widder unterhalten oder ein Adler mit dem Vateraffen einer ganzen Herde von Brüllaffen. Es würde ganz gut zu charakterisieren sein, wie dann jener Widder, Stier, jener Brüllaffe oder irgendein andres repräsentables Wesen auf sein großes Gefolge hinweist und sagt:  Das bin ich, das ist meine Macht, das ist mein Besitz und die Menschen bauen mir Ställe, - ich bin ein Großer. Der Adler würde demgegenüber garnichts zu zeigen haben, und er würde wahrscheinlich schweigen, denn es könnte ihm garnicht einfallen, zu prahlen, sondern er würde sich sogar sehr klein fühlen, weil er oft nichts ist, als ein stark angestrengtes Paar von Flügeln, die zwei Augen in die außerordentlichste Höhe hinaufgehoben haben.  - Ernst Fuhrmann, Der Geächtete. Berlin 1983 (zuerst 1930)

Adler (2) Er durfte auf den Rücken des Adlers klettern und zwischen den Schwingen Halt suchen. Der Flugwind rauschte über ihn hinweg, und er schloß die Augen. Die Zwerge schrien gerade »Auf Wiedersehen!« und versprachen, den Fürsten der Adler zu belohnen (wenn sie es jemals könnten), als fünfzehn große Vögel sich von der Felsplatte erhoben. Die Sonne stand noch ganz niedrig im Osten. Der Morgen war kühl, und Nebel lagen in den Tälern und Schluchten und wehten da und dort um die Gipfel und Kuppen der Berge. Bilbo öffnete vorsichtig ein Auge, und da sah er, daß die Vögel schon sehr hoch flogen, die Welt weit fort war und die Berge hinter ihnen in der Ferne zurückblieben. Er schloß die Augen wieder und klammerte sich fester.

»Kneif mich nicht!« sagte der Adler. »Du brauchst dich nicht wie ein Kaninchen zu fürchten, auch wenn du aussiehst, als wärst du eins. Wir haben einen schönen Morgen und angenehmen Wind. Was ist besser als Fliegen

Bilbo hätte am liebsten gesagt: »Ein warmes Bad und danach ein spätes Frühstück im Garten.«  - J.R.R. Tolkien, Der kleine Hobbit. München 1974 (dtv 7151, zuerst 1937)

Adler (fehlerbehafteter)  Ein Adler kann wohl manchmal auch tiefer hinabsteigen als ein Huhn, aber nie kann ein Huhn in solche Höhen steigen wie ein Adler. Rosa L. irrte in der Frage der Unabhängigkeit Polens; sie irrte 1903 in der Theorie der Akkumulation des Kapitals; sie irrte, als sie im Juli 1914 neben Plechanow, Vandervelde, Kautsky u. a. für die Vereinigung der Bolschewiki mit den Menschewiki eintrat; sie irrte in ihren Gefängnisschriften von 1918 (wobei sie selbst beim Verlassen des Gefängnisses Ende 1918 und Anfang 1919 ihre Fehler zum großen Teil korrigierte). Aber trotz aller dieser Fehler war sie und bleibt sie ein Adler. - Lenin, Prawda vom 16. April 1924, nach: Frederick Hetmann, Rosa L. - Die Geschichte der Rosa Luxemburg und ihrer Zeit. Frankfurt am Main 1979

Adler (4)  Nie bedarf der Adler der Quelle, noch lechzt er nach einem Staubbad, sondern er ist erhaben über den Durst, und er erwartet kein Mittel gegen Erschöpfung, das von außen käme. Voll Verachtung für Wasser und Ruhe durchschneidet er die Lüfte, und er blickt unglaublich scharf aus den Weiten und Höhen des Äthers. Selbst die Schlange, die doch ein ganz furchtloses Tier ist, duckt sich, wenn sie auch nur das Rauschen  der  Adlerschwingen hört,  und verschwindet im Nu.

Die Echtbürtigkeit seiner Jungen prüft der Adler so: Er stellt sie den Strahlen der Sonne entgegen, wenn sie frisch geschlüpft und noch unbefiedert sind. Wenn dann eines blinzelt, weil es den hellen Glanz in den Augen nicht verträgt, so stößt er es aus dem Nest und verbannt es vom heimischen Herd. - (ael2)

Adler (5)  Ich öffnete ich heimlich die Tür zum »Zimmer der Augen«.

Da stürzte sich der rote Skorpion von der Zimmerdecke herab und stieß sich in einer abscheulichen Gebärde den eigenen Stachel durch sein Herz. Zur gleichen Zeit flog durch das offene Fenster der weiße Adler herein und umarmte mich mit seinen herrlichen blauen Augen.

Weit fort von hier legte er seine Flügel fort und kehrte zurück in sein Zimmer. Er setzt sich dem leeren Sessel gegenüber und sieht ratlos dem Vergehen der Zeit zu. - Unica Zürn, Der Mann im Jasmin. Frankfurt am Main - Berlin  1977

Adler (6) Der Adler ist sehr heiß, gleichsam feurig, und seine Augen sind mehr feuer- als wasserhaltig; deshalb kann er auch fest in die Sonne schauen. Und weil er fast feurig ist, kann er Hitze wie Kälte ertragen und in der Höhe fliegen. Sein Fleisch ist für den Menschen tödlich, weil es wegen des ihm innewohnenden Feuers zu stark ist. Weil er von der Sonnenhitze durchgossen ist und die Sonne stark anschaut, ist er grimmig und hat ein starkes Gefühl in seinem Herzen. Er raubt und nimmt sehr viel mit fort, was er dann wieder wegwirft und nicht verzehrt, denn er frißt nur, was gesund und warm ist.

Legt er Eier, dann sucht er einen Ort, an dem die Sonne oder Luft sehr heiß sind, damit sie von dieser Hitze sehr stark durchgossen und gekräftigt werden. Träfe es sich zufällig, daß ein Ei nicht so erhitzt würde, dann würde das Junge daraus schwach und krank werden und könnte nicht leben. - (bin)

Adler (7)  Der selige Psalmist David singt: daß du wieder jung wirst wie ein Adler. Der Physiologus aber sagt von diesem, er habe eine solche Eigenart: Wenn er alt wird, werden seine Schwingen schwer und seine Augen werden trübe. Was also tut er? Er suchet eine Quelle reinen Wassers, und fliegt empor in den Strahlenkranz der Sonne und verbrennt seine alten Fittiche und wirft ab die Düsternis seiner Augen, und läßt sich hernieder zur Quelle und taucht hinein dreimal, und so erneut er sich und wird wieder jung.  - (phys)

Adler (8)


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