Schwindler ⁽²⁾  Yellow Kid Weil, ein Hochstapler der Sonderklasse, benutzte bei seinen besten Täuschungsmanövern den Spiegel des Betrügers. Am waghalsigsten war die Vortäuschung einer kompletten Bank in Muncie, Indiana, Als er eines Tages las, die Handelsbank von Muncie sei umgezogen, konnte er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen.

Weil mietete das frühere Bankgebäude, das noch alle Möbel samt Kassenschalter enthielt. Er kaufte Geldsäcke, versah sie mit dem Aufdruck einer erfundenen Bank, füllte sie mit Stahlscheiben und plazierte sie zusammen mit Bündeln von Blüten — zurechtgeschnittenem Zeitungspapier, auf dem ein echter Geldschein lag — eindrucksvoll hinter dem Schalterglas. Als Bankangestellte und Kunden heuerte Weil Spieler, Buchmacher, Bordellmädchen und andere ausgesuchte Komplizen an. Die Rolle des Wachmanns wies er einem örtlichen Gangster zu.

Weil gab sich als Makler für bestimmte Investmentzertifikate der Bank aus, um das Revier abzugrasen und die richtigen reichen Trottel zu ködern.

 War er fündig geworden, kam er mit dem Mann zur Bank und verlangte einen Termin beim Bankdirektor. Ein »Offizieller« der Bank erklärte dann, man müsse sich ein wenig gedulden — was die Glaubwürdigkeit nur noch erhöhte, denn vor einem Termin bei einem Bankdirektor muß man immer warten. Während man wartete, brummte das normale Geschäft der Bank. Verkleidete Buchmacher und Freudenmädchen kamen und gingen, zahlten Geld ein, hoben Geld ab und grüßten lässig den getürkten Wachmann. Das Opfer wurde von dieser perfekten Kopie der Wirklichkeit so eingelullt, daß es ohne den leisesten Verdacht seine 50 000 Dollar bei der vorgespielten Bank einzahlte.

Im Lauf der Jahre veranstaltete Weil Ähnliches in einem leeren Yachtclub, einem ehemaligen Börsenmaklerbüro, den Räumen einer verlagerten Immobilienfirma und einem absolut realistischen Spielclub. - (macht)

Schwindler ⁽³⁾  Seine drei großen trümpfe waren ein wasserkopf, eine hasenscharte und abstehende ohren mit angewachsenen läppchen. Seine drei großen sehnsüchte, ein weiberheld zu sein, den flugschein zu besitzen, in kasinos die bank zu sprengen. Er ließ sich daher bei Sykora & fils, maßschneider, zwanzig anzüge bauen, fälschte eine legitimation, die ihn als fertigen piloten auswies, behob das ansehnliche sparkonto seines ziehvaters und fuhr mit der bahn erster klasse in das nächstbeste seebad, wo er sich unter dem namen René de Clavigny in einem dreisternhotel einmietete und guten muts den kommenden dingen entgegensah. Es war anfang juni des jahres, prachtvolles wetter, die see von der feinsten schattierung altmodischen waschblaus, die luft chemischgereinigter ozon, die damen in den abendlichen bars mit abstand die schönsten der letzten dezennien - und, das beruhigte ihn in tiefster seele, kein flugplatz im umkreis von hundertfünfzig kilometern. Er war fabelhaft gekleidet: ein tadellos geschnittener dunkelblauer marineblazer verbarg meisterhaft seine schiefe schulter, ein genialisches korsett verteilte seinen jugendlichen spitzbauch so, daß dieser erst gar nicht zum vorschein kam; kein mensch, ja nicht einmal der allesdurchdringende blick eines Holmes hätte seine affenhaft behaarten, pusteligen o-beine unter den schnittigen flanellhosen vermutet. Und die spiegelblanken schuhe, die er trug - oh nein, keiner menschenseele wäre es aufgefallen, daß sie ihren herrn und meister um ganze sieben zentimeter vergrößerten.

Sein dichter, buschiger schnurrbart war dunkelblond und falsch wie sein künstlich von wind und wetter patinierter flugschein, sein toupet durch ein völlig neu auf dem schönheitsmarkt erschienenes haftmittel gegen die unbilden allfälliger hurrikane und taifune gefeit, seine stark basedowbeeinflußten augen so vorteilhaft geschminkt, daß sie eher dämonisch-tief wirkten, augen voll dunklen feuers, die auch nicht durch die unauffälligen haftschalen an männlichem glanz verloren oder gar einbüßten. In einem wort, er war ein junger mann, dem trotz dieser eben angeführten minimalmängel die begeistertsten blicke der ihn umgebenden weiblichkeit zuteil wurden. - H. C. Artmann, How much, schatzi? Frankfurt am Main 1971

Schwindler ⁽⁴⁾

- El rostro (Das Gesicht), nach: Q.G. Polinntzieu, Magia blanca moderna o sea Magnetismo, hipnotismo, sugestion y espirtismo. Barcelona 1899