Ihr Fund
in diesem Hauptanliegen
besteht darin,
daß keiner,
der sie angreift,
ihnen entkommt,
und anderseits
sie nicht zu
fassen bekommt,
wenn sie nicht
gefunden werden
wollen. Denn
Leute, die
weder festgebaute
Städte noch
Mauern haben,
sondern ihre
Häuser mit
sich herumführen,
allesamt berittene
Bogenschützen
sind, nicht
vom Acker leben,
sondern von
Herden, und
auf Gespannen
wohnen, wie
sollten solche
Leute nicht
schlecht zu
schlagen und
schwer zu stellen
sein? -
(
hero
)
Klugheit
(2) Athene
erfand die Flöte, die Trompete, den gebrannten
Tontopf, den Pflug, den Rechen, das Joch der Ochsen, den Zaum des Pferdes,
den Wagen und das Schiff.
Von Athene stammen auch die Wissenschaft der Zahlen und
die Künste der Frauen: das Kochen, Weben und Spinnen.
Obwohl eine Göttin des Krieges, hat sie doch keine Freude an Schlachten, so
wie Ares und Eris. Viel eher findet sie Vergnügen im Schlichten von Streitereien
und in der Befolgung des Gesetzes mit friedlichen Mitteln. In Zeiten des Friedens
trägt sie keine Waffen. Wenn sie welche braucht, borgt sie sie sich von Zeus.
Bemerkenswert ist ihre Neigung zur Milde. Im Areiopag der Götter ist sie stets
das Zünglein an der Waage. Bei Stimmengleichheit der Richter gibt sie ihre Stimme
immer zugunsten des Angeklagten ab. Wenn sie aber zum Kampf gezwungen wird,
bleibt sie Siegerin, selbst gegen Ares. Sie ist die taktisch Klügere. Kluge
Heeresführer bitten sie immer wieder um Rat. - (
myth)
Klugheit
(3)
Zwei der größten Menschenfeinde, |
- Goethe, Faust 2. Teil
Klugheit
(4) Bei der Kunst
kann es eine Vollkommenheit geben, bei der Klugheit nicht. In der Kunst ist
der, der freiwillig einen Fehler macht, der vorzüglichere,
bei der Klugheit umgekehrt, wie auch bei den Tugenden. Also ist sie offensichtlich
eine Tugend und nicht eine Kunst. Da es zwei Teile der vernunftbegabten Seele
gibt, so wird die Klugheit die Tugend des einen Teiles sein, des meinenden.
Denn das Meinen geht auf Dinge, die sich so und anders verhalten können, und
so auch die Klugheit. Doch ist sie nicht nur ein vernunftgemäßes Verhalten;
ein Zeichen ist, daß man ein solches Verhalten vergessen kann, die Klugheit
dagegen nicht.
- (
eth
)
Klugheit
(5) Daß die Klugheit keine
Wissenschaft ist, ist klar. Denn sie betrifft, wie
gesagt, das letzte Konkrete; so ist der Gegenstand des Handelns. Sie ist also
das Gegenstück zum Geist. Denn der Geist betrifft die
Begriffe, die keine weitere Definition haben, jene dagegen das Letzte, für das
es keine Wissenschaft, sondern nur die Wahrnehmung gibt, nicht die partikulare,
sondern die allgemeine, mit der wir etwa wahrnehmen, daß das letzte Mathematische
das Dreieck ist. Denn hier hält man ein. Die partikulare Wahrnehmung ihrerseits
ist mehr Wahrnehmung als Klugheit, hier ist aber eine andere Art gemeint.
- (
eth
)
Klugheit
(6) Der Gipfel der Klugheit
ist es, philosophieren zu können und aus allem wie die emsige Biene entweder
den Honig des schmackhaften Vorteils oder das Wachs für das Licht der Desillusion
zu gewinnen. Wahre Philosophie ist nichts anderes als Meditation über den Tod,
ist es doch nötig, ihn zuerst viele Male zu bedenken,
um ihn dann ein einziges Mal gut zu bestehen. - (
welt
)
Klugheit
(7) Warum ich einiges mehr
weiß? Warum ich überhaupt so klug bin? Ich habe nie über Fragen nachgedacht,
die keine sind, — ich habe mich nicht verschwendet. — Eigentliche religiöse
Schwierigkeiten zum Beispiel kenne ich nicht aus Erfahrung. Es ist mir gänzlich
entgangen, inwiefern ich "sündhaft" sein sollte. Insgleichen fehlt
mir ein zuverlässiges Kriterium dafür, was ein Gewissensbiß ist: nach dem, was
man darüber hört, scheint mir ein Gewissensbiß nichts Achtbares ... Ich
möchte nicht eine Handlung hinterdrein in Stich lassen, ich würde vorziehn,
den schlimmen Ausgang, die Folgen grundsätzlich aus der Wertfrage wegzulassen.
Man verliert beim schlimmen Ausgang gar zu leicht den richtigen Blick für Das,
was man tat: ein Gewissensbiß scheint mir eine Art "böser Blick".
Etwas, das fehlschlägt, um so mehr bei sich in Ehren halten, weil es fehlschlug
— das gehört eher schon zu meiner Moral. - Friedrich Nietzsche, Ecce Homo
Klugheit
(8) Wenn ein Mädchen sieben Jahre
alt ist, scheint es klug zu sein, weil es sich vor nichts fürchtet. Mit zwölf
verfällt es in eine Art Blödigkeit, weil es alles bemerkt. Ebenso verhält es
sich mit den Kindern, die so klug zu sein scheinen und so dumm werden. Sie machen
so manche kluge oder dumme Bemerkungen, weil sie weder wissen noch fühlen, was
sie sagen, während Kinder, die dumm zu sein scheinen, eine Art frühreifen Gefühls
von den Dingen haben und deswegen verschlossener sind. Man achte darauf! Was
am Sprechen eines Kindes gefällt, kommt im Grunde aus seiner Unvernunft, denn
es ist nicht - wie es sein müßte - berührt von dem, was gesagt wird, und hat
weder gefühlt noch gesehen, was es müßte. Nur die Klugen scheinen dumm zu sein.
- (
mont
)
Klugheit
(9) Ich muß endlich (denn
ich sehe, das nimmt mir niemand ab) das Hauptproblem unserer Zeit formulieren,
das die gesamte episteme des Westens restlos beherrscht. Es ist dies
weder das Problem der Geschichte, noch das Problem der Existenz,
noch das Problem der Praxis, der Struktur, des Cogito oder
des Psychismus, noch irgendeins der Probleme, die sich in unserem Gesichtskreis
breitgemacht haben. Das wichtigste Problem ist das Problem je klüger, desto
dümmer. Ich habe überlegt und überlegt, in welchem Gesetz die spezifische
Situation des europäischen Geistes am bündigsten zufassen wäre. Ich sehe kein
anderes als Je klüger, desto dümmer. Seht all die Orgien des Intellekts: diese
Konzeptionen! Diese Entdeckungen! Perspektiven! Subtilitäten! Publikationen!
Kongresse! Diskussionen! Institute! Universitäten! Und trotzdem: dumm.
- Witold Gombrowicz, Tagebuch, 30. Oktober 1966, nach (
enc
)
Klugheit
(10), die Fähigkeit, Zusammenhänge
zu durchschauen und das Wesentliche in ihnen zu
erkennen. Sie isoliert nicht, wie oft der bloße Scharfsinn.
Ihr Raum ist der des handelnden Menschen, von dessen Absichten sie sich nie
ganz löst, während die Weisheit sich gerade darüber
erhebt. Die K. bleibt moralisch gebunden, während die Gerissenheit den
augenblickl. Vorteil bedenkenlos ausnutzt und die Verschlagenheit
unaufrichtig ist. - dtv-Lexikon, 1972
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