Gender Studies   Nachdem die Frauen das häusliche Regiment übernommen haben, jagen sie die Männer aus dem Haus, "Mach, daß du zur Arbeit kommst, was sitzt du hier rum, du Faulenzer?", sie werfen sie aus dem Haus, und sie bleiben, zetteln Intrigen an, lassen andere Männer herein, die sie mit raffinierten Tricks verführen, "Geh da rein und komm erst wieder raus, wenn ich es dir sage", oder sie hetzen die Kinder gegen den Vater auf, das ist eine ihrer bevorzugten Strategien, sie lehren die Kinder, dem Vater gegenüber ungehorsam zu sein, ihn zu hassen, "Dein Vater ist ein Scheißkerl", sich gegen ihn aufzulehnen und mit ihnen gemeinsam Front gegen ihn zu machen, denn sie sind die armen Opfer, der Sohn muß sie vor dem Vater beschützen, denn der ist brutal und aggressiv, ein Ungeheuer, "Komm her und beschütze deine Mama", und wie solltest du nicht darauf reinfallen, wenn Mama dich auf Knien anfleht, weinend, immer weinend, immer weinend?

"Mama, warum weinst du?"

Denn eins muß man sagen: Sie sind wirklich Heulsusen! Sie sind wehleidig und feige, immer laufen sie mit hängendem Kopf herum, demütig und gedemütigt, freiwillig lassen sie alle Schläge und Beleidigungen über sich ergehen. Mein Vater, der schreit: "Hör auf zu heulen, verdammt noch mal, ich will nicht, daß du heulst!" Das ist die große Waffe der Frauen, die Tränen, dagegen ist man hilflos. Man kann nur mit Gebrüll zum Gegenangriff übergehen, "Hör auf zu heulen, verdammt noch mal!", drohend die Hand heben, als Zeichen der Autorität, des Respekts. Der Mann muß sich immer Respekt verschaffen, denn sobald er das nicht tut, verlieren sie die Achtung, die Angst vor dir und lachen über dich, nutzen dich aus, hintergehen dich. Die Frauen haben das nicht nötig, nein. Die Frauen halten es für selbstverständlich, daß man sie respektieren muß, sie halten es für selbstverständlich, daß die Männer sie beschützen, sie müssen sich keinen Respekt verschaffen, ganz im Gegenteil: Sie provozieren, sie spielen und testen, wie es um den Respekt der Männer steht, Dekolletes, Miniröcke, aufreizende BH's, Bikinis, Striptease, Oben-ohne, sie provozieren und lachen über die Mühe, die es die Männer kostet, sie zu respektieren, "Hinschauen darfst du, aber anfassen nicht", säuseln sie, und der Mann schwitzt und zittert und kämpft gegen die Versuchung an, und sie lachen, und der Mann sündigt, und sie lachen, und der Mann schlägt zu, ja, manchmal kann der Mann es nicht mehr ertragen und sündigt und schlägt, sündigt und schlägt zugleich, und dann geht das Geheule los, ja, dann fangen sie an zu heulen wie verrückt. Sie heulen und heulen und heulen. Sie heulen, trampeln, schluchzen, wimmern und ziehen lange Gesichter, um Mitleid zu erwecken, bitte, bitte, bitte.

Ich werde sagen:

Die Frau ist eine Spinne, die in ihrem öden, einsamen Leben gefangen ist, sie spinnt klebrige Netze, tödliche Fallen. Der Mann ist die unvorsichtige Fliege, die zufrieden herumsummt und sich frei fühlt, die nicht merkt, daß ihre Zukunft längst vom Feind besiegelt wurde. Und er kommt nach Hause, fällt zwischen die enthaarten Schenkel und erliegt dem tödlichen Kuß der Spinnenfrau.  - Andreu Martín, Die Stadt, das Messer und der Tod. Bühl-Moos, Baden-Baden  1994

Gender Studies (2)  Sie hält ein Blatt Papier in der Hand und legt los:

"... Alle Massenmörder der Geschichte sind Männer. Selbst von Jack the Ripper, der nie gefaßt wurde, hat man immer angenommen, daß er männlichen Geschlechts sei. Nur ein einziger Autor, William Steward, wagte 1939 die These, daß Jack the Ripper in Wirklichkeit Jill the Ripper sein könnte, aber seine Theorie stieß nie auf große Resonanz. Und warum stieß sie nie auf Resonanz?"

"Entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbreche, aber es gibt durchaus Fälle von Massenmörderinnen", versucht ein junger, bärtiger Journalist, ihr das Wort abzuschneiden, und lächelt dabei in die Kamera, als wolle er die Zuschauer um Nachsicht für seine Diskussionspartner bitten. "Historisch überliefert ist der Fall der berühmten Elisabeth Batory, einer Gräfin des sechzehnten Jahrhunderts, die angeblich sechshundert Jugendliche getötet haben soll, weil sie glaubte, wenn sie ihr Blut tränke und sich darin badete, würde sie ewige Jugend erlangen. Und ein weiterer Fall, der historisch nicht so weit zurück liegt, ist der einer Frau namens Aileen Wuornos, die 1990 im Staate Florida mindestens sieben Männer getötet hat, die sie beim Trampen kennengelernt hatte."

"Zwei Fälle in der gesamten Geschichte der Menschheit. Nicht schlecht", gibt die kämpferische Langhaarige unerschrocken zurück. "Sagen wir, es handelt sich um die berühmten Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Warum fanden sie keinerlei Resonanz? Um darauf zu antworten, möchte ich die Statistiken zu Rate ziehen. Wenn wir davon ausgehen, daß ein serial killer jemand ist, der ohne jede Gewinnabsicht, mehr als fünf Personen getötet hat, oder der, bei dem man, auch wenn er weniger getötet hat, mit Gewißheit davon ausgehen kann, daß er weiter gemordet hätte, wenn er nicht festgenommen worden wäre, dann komme ich laut Statistik auf dreiundzwanzig Fälle, in der Zeit von 1914 bis 1988, dazu gehören so berühmte Leute wie Albert di Salvo, der Frauenmörder von Boston, Doktor Petiot und Landru und dieser Spanier, der Arropiero genannt wird, und der andere Spanier aus Kantabrien, der erst vor kurzem wegen Ermordung und Vergewaltigung von fünfzehn Greisinnen verurteilt wurde. Übrigens habe ich bei Arropiero nur vierzehn Morde gezählt, die man ihm nachweisen konnte, er selbst hat achtundvierzig gestanden. Nun gut, alle dreiundzwanzig Mörder sind Männer. Und diesen dreiundzwanzig Mördern sind zweihunderteinundfünfzig Personen zum Opfer gefallen, von denen 67 % Frauen sind, was ein sehr hoher Prozentsatz ist. Und dabei beziehe ich mich ausschließlich auf das reale Geschlecht der Opfer. Wenn wir aber berücksichtigen, daß zum Beispiel John Wayne Gacy, ein Amerikaner aus Chikago, dreiunddreißig junge Männer ermordet hat, mit denen er homosexuelle Beziehungen unterhielt, was bedeutet, daß diese jungen Männer in der Beziehung der schwache, verletzliche, feminine Teil waren, auch wenn wir dennoch auf dieses Beispiel verzichten, weil es nicht ganz klar ist, steigt der Anteil von weiblichen Opfern auf 77,5 % an. Würden wir aber diese dreiunddreißig "schwachen" Opfer in die Gruppe der Frauen aufnehmen - ich weiß nicht, ob das zulässig ist, aber ich habe es dennoch getan -, wenn wir also vom realen Geschlecht absehen und die Rolle, die sie in der Beziehung zu dem Mörder hatten, zugrundelegen, dann steigt der Anteil der Opfer des, sagen wir, schwachen Geschlechts auf 80 %. Ich denke, das beweist zur Genüge die sexistisch-machistisch-chauvinistische Komponente bei dieser Art von Verbrechen, und es ist eins der ungeschminktesten und brutalsten Beispiele dafür, wohin eine Erziehung führen kann, die auf der Ideologie beruht, daß der Mann der Eroberer ist und die Frau die Eroberte, daß der Mann Kreativität und Aktivität verkörpert und die Frau Passivität etcetera..."   - Andreu Martín, Die Stadt, das Messer und der Tod. Bühl-Moos, Baden-Baden  1994

Gender Studies (3)  "... Eine der Grundlagen der Freudschen Theorie", sagt eine kesse, zappelige, adrette junge Frau, "ist der Penisneid. Er erwähnte ihn zum ersten Mal in seinen "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" von 1905. Von seinem sexistischen Sockel herab, von der männlichen Überlegenheit überzeugt, ging Freud davon aus, daß die Frau den Mann beneide, und er kam offensichtlich nicht auf die Idee, daß der Mann die Frau um ihre Gebärfähigkeit beneiden könnte. Es ist doch ganz offensichtlich, daß Schwangerschaft und Geburt ein viel größeres Wunder sind als eine lächerliche Erektion. Der Mann beneidet die Frau um ihre Gebärfähigkeit, und deshalb erbittert ihn der Geschlechtsakt, ihn erbittert die Vorstellung, daß er so dazu beiträgt, dieses Wunder, um das er die Frau beneidet, zu ermöglichen, denn die Verwirklichung dieses Wunders liegt einzig und allein bei der Frau. Der Geschlechtsakt erbittert den Mann so sehr, daß er ihn im allgemeinen als einen Akt der Aggression begreift, und man geht so selbstverständlich davon aus, daß es für den Mann ein aggressiver Akt ist, daß man Penis und Penetration mit Stoßwaffen vergleicht, daß man Analogien zwischen dem Penis und Feuerwaffen herstellt, und so weiter, von sadomasochistischen Phantasien und Praktiken, in denen der Mann der Folterer und die Frau das Opfer ist, ganz zu schweigen. Seit Urzeiten neidisch auf die Gebärfähigkeit, sperrte der Mann die Frau im Haus ein. "Schön und gut, du hast gezeigt, wozu du nützlich bist, jetzt laß mich zeigen, was ich kann", und er ist auf die Jagd gegangen und in Kriege gezogen, versuchte ständig, sich selbst zu übertreffen, sich mit anderen zu messen, sich selbst zu beweisen, was er wert ist, lächerliche Versuche, um nicht mehr neidisch auf die Frauen sein zu müssen. Denn das Aus-dem-Haus-gehen ist schließlich nichts als eine feige, beschämende Flucht. Der Mann kehrt der Realität, die ihn verdrießt und deprimiert, und die er deshalb haßt, den Rücken zu. Deshalb... Entschuldigen Sie, ich bin gleich fertig", sagt sie zu dem männlichen Diskussionsteilnehmer an ihrer Seite, der langsam unruhig wird, "deshalb können die Religionen, die von Männern erfunden wurden, um die Welt auf ihre Art zu erklären, die Schöpfung des Menschen nicht als einen einfachen Akt der Mutterschaft darstellen. In der ägyptischen Mythologie, zum Beispiel, malt sich Ra, der oberste Gott, den Menschen aus, der dann aus seinem Auge entschlüpft. In einem anderen Text heißt es, daß Ra sich sein Geschlecht abschnitt, wohlgemerkt, denn das ist sehr bezeichnend, und die Menschen aus den Blutstropfen hervorgingen, die im Boden versickerten. Und die heiligen Frauen in den Religionen, die Frauen, meine ich, nicht die Göttinnen, die erfunden wurden, um eine Distanz zu den normalen Frauen zu schaffen, müssen, um irgendeinen Stellenwert in einer Religion zu haben, Jungfrauen sein. Jungfrauen, ja. Um eine Frau anbeten zu können, die Mutter ist, muß sie sich gleichzeitig auf wundersame Weise ihre Jungfräulichkeit bewahrt haben. Das heißt, in den Augen der männlichen Religionsschöpfer konnte der Geschlechtsakt nur etwas Schmutziges und Aggressives sein, der die Frauen beschmutzte und entwürdigte  ..."   - Andreu Martín, Die Stadt, das Messer und der Tod. Bühl-Moos, Baden-Baden  1994

Gender Studies (5)

Gender Studies (6)

Gender Studies (7)  Der Mann ist phlogistisch - ein überwiegender Verdichtungs - die Frau dephlogistisch - ein überwiegender Verdünnungsproceß. - Novalis, Vorarbeiten zu verschiedenen Fragmentsammlungen (entst. 1798)

Gender Studies (8) Was suche ich bei einer Frau? Den Tod, nehme ich an; denn mehr sehe ich nicht in all diesen Vollkommenheiten. Ich begehre sie alle, mehr oder weniger. Über die meisten Männer kann ich nur lachen, besonders wenn sie eine Frau zu »besitzen« wähnen. Ich habe nur Verachtung für sie übrig. Ich denke an die Geschichte einer jungen Frau, die nach Paris kam, um Erfahrungen zu sammeln; nach einer Weile kam sie zu dem Schluß, es sei an der Zeit, mit einem Mann ins Bett zu gehen. Also suchte sie sich einen aus, der lebenslustig war und nach dem, was er von sich gab, hinreichend erfahren schien, der also nicht herumpfuschen und die Sache verpatzen würde; einen gutaussehenden Jungen aus dem Süden, der ihr zusagte.

Nachdem er so weit vorgedrungen war, daß er keinen Rückzieher mehr machen konnte, verließ ihn beinahe doch der Mut, als er zu seinem Entsetzen feststellte, daß sie noch Jungfrau war.

Reue überkam ihn, und ein wenig Angst, als ihm klar wurde, was er da getan hatte. Sie aber sagte bloß: »Und das ist alles? Kaum der Mühe wert. Danke, daß du mir geholfen hast.«

Ein junger College-Student, dem in Paris eine Ehefrau und Mutter lüsterne Avancen machte, sah sich von der älteren Frau vollständig entmannt. Vor Angst wurde er in ihrem Bett zum Versager. Er nahm Reißaus und flüchtete sich zu einer französischen Prostituierten, die er kannte; mir ihrer Freundlichkeit und ihrem Geschick gelang es ihr im Handumdrehn, seinen Stolz wieder aufzurichten. Was sind wir doch für Esel, daß wir verzweifeln, wenn wir aus schierem Mangel an geistiger Beweglichkeit versagen! Wir fixieren uns auf eine bestimmte Lebensform und denken, das war's. Die klugen Franzosen sind wandlungsfähiger.   - William Carlos Williams, Die Autobiographie. Frankfurt am Main 1999 (zuerst 1951)

Gender Studies (9)  Das Weib will selbständig werden: und dazu fängt es an, die Männer über das "Weib an sich" aufzuklären - das gehört zu den schlimmsten Fortschritten der allgemeinen Verhäßlichung Europas. Denn was müssen diese plumpen Versuche der weiblichen Wissenschaftlichkeit und Selbst-Entblößung alles ans Licht bringen! Das Weib hat so viel Grund zur Scham: im Weibe ist so viel Pedantisches, Oberflächliches, Schulmeisterliches, Kleinlich-Anmaßliches, Kleinlich-Zügelloses und -Unbescheidenes versteckt - man studiere nur seinen Verkehr mit Kindern! -, das im Grunde bisher durch die Furcht vor dem Manne am besten zurückgedrängt und gebändigt wurde. Wehe, wenn erst das "Ewig-Langweilige am Weibe" - es ist reich daran! - sich hervorwagen darf! Wenn es seine Klugheit und Kunst, die der Anmut, des Spielens, Sorgen-Wegscheuchens, Erleichterns und Leicht-Nehmens, wenn es seine feine Anstelligkeit zu angenehmen Begierden gründlich und grundsätzlich zu verlernen beginnt! Es werden schon jetzt weibliche Stimmen laut, welche, beim heiligen Aristophanes! Schrecken machen; es wird mit medizinischer Deutlichkeit gedroht, was zuerst und zuletzt das Weib vom Manne will. Ist es nicht vom schlechtesten Geschmacke, wenn das Weib sich dergestalt anschickt, wissenschaftlich zu werden? Bisher war glücklich erweise das Aufklären Männer-Sache, Männer-Gabe - man blieb damit "unter sich"; und man darf sich zuletzt, bei allem, was Weiber über "das Weib" schreiben, ein gutes Mißtrauen vorbehalten, ob das Weib über sich selbst eigentlich Aufklärung will - und wollen kann... Wenn ein Weib damit nicht einen neuen Putz für sich sucht - ich denke doch, das Sich-Putzen gehört zum Ewig-Weiblichen? - nun, so will es vor sich Furcht erregen: - es will damit vielleicht Herrschaft. Aber es will nicht Wahrheit: was liegt dem Weibe an Wahrheit! Nichts ist von Anbeginn an dem Weibe fremder, widriger, feindlicher als Wahrheit, - seine große Kunst ist die Lüge, seine höchste Angelegenheit Ist der Schein und die Schönheit. Gestehen wir es, wir Männer: wir ehren und lieben gerade diese Kunst und diesen Instinkt am Weibe.  - Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse

Gender Studies (10)

Gender Studies (11)

- N. N.

Gender Studies (12)

Die weiber sind nicht ohne fehler.

EJn weib sey wie es immer sey /
So wird ihr doch was fehlen;
Die schöne die ist selten treu /
Die garstige macht quälen;
Die kluge commandirt zu viel /
Die dumme treibt nur narren-spiel;
Die junge bringt galans ins hauß /
Der alten stinckts zum halse raus;
Die reiche last dirs geld nicht frey /
Die arme wird dirs stehlen.
Ein weib sey wie es immer sey /
So wird ihr etwas fehlen.

Die männer auch nicht.

EJn mann sey wie er immer sey /
So wird ihm doch was fehlen;
Der säuffer legt das geld nicht bey /
Er jagt es durch die kehlen;
Der jung ist liederlicher art /
Und nascht gern auff der Seiten;
Der alte ist ein nösselbart /
Und kan wohl nicht zu zeiten.
Der geitz des reichen leidet noth
Bey seinem vollen kästen;
Der arme last bey schwartzem brodt
Das arme weibchen fasten.
Der krieger ist kein courtisan
Und macht es nicht fein sachte;
Den keuschen kommts nicht allzeit an;
Den wilden alle nachte.
Der hochgelahrte ist erpicht
Allein auff seine bücher;
Der ignorant taugt folgends nicht
Und ist noch wunderlicher.
Mit kurtzem: es bleibt wohl dabey
Und ist nicht zu verhehlen;
Ein mann sey wie er immer sey /
So wird ihm doch was fehlen.

- Anon., nach: Lyrik des Barock II. Hg. Marian Szyrocki. Reinbek bei Hamburg 1971

Gender Studies (13)  "Die Männer sind zu tausenderlei Dingen geboren und nicht nur zu diesem einen. Und die meisten von ihnen sind im Alter mehr wert als in der Jugend. Wir Frauen aber sind nur zu diesem Zweck auf der Welt und um Kinder zu gebären, und nur deshalb sind wir den Männern teuer. Wenn du hierüber etwa noch nicht im Bilde gewesen sein solltest, müßte es dir schon daraus klarwerden, daß wir Frauen stets zu dieser Sache bereit sind, was man von den Männern nicht eben sagen kann. Abgesehen davon kann eine Frau gut zehn Männer von den Beinen bringen, während ebenso viele Männer eine Frau keineswegs ermüden. So sind wir sichtlich dazu geboren, und ich sage dir darum noch einmal, daß du völlig im Recht bist, wenn du deinem Mann das empfangene Unrecht heimzahlst. Dann wirst du dir später im Alter keine Gewissensbisse zu machen brauchen. Auf dieser Welt erhält jeder das, was er sich nimmt. Besonders die Frauen sollten ihre Zeit, wenn sie da ist, viel mehr ausnützen als die Männer. Du weißt ja selber, daß uns, wenn wir erst alt sind, weder unsre eigenen noch fremde Männer mehr anschauen; im Gegenteil, dann jagen sie uns in die Küche, wo wir den Katzen Geschichten erzählen und die Kochtöpfe und Bratpfannen zählen können. Ja noch schlimmer, sie dichten sogar noch Spottverse auf uns und sagen: ,Die Jungen soll man mit Kuchen entzücken, die Alten mit derben Brocken ersticken!', und was dergleichen nette Sprüchlein mehr sind. "   - Das Dekameron des Giovanni Boccaccio, Berlin und Weimar 1975 (zuerst um 1350)

Gender Studies (14)  

- N. N.

Gender Studies (15)  Die Vögel sangen, und die Dame vom See saß auf der warmen, mit Geschenken beladenen Grabplatte und langweilte sich. Eine Libelle schwebte über die Lichtung, und da sie immer wieder in die Nähe des Grabes kam, fand die Dame Vergnügen daran, ihren Flug mit den Augen zu verfolgen. Die Libelle schleppte ihre leere Puppe mit sich, und bald erkannte die Dame vom See diese Libelle.

DIE DAME VOM SEE

Wasserjungfer, die du mich in meiner Einsamkeit erheiterst, sagt man nicht deinetwegen an gewissen Tagen voller Regen und Sonnenschein, der Teufel schlüge seine Frau? Hat der Teufel also auch Vorurteile und seine Frau keine Skrupel? O Libelle, deine Liebe, deine ganze Liebe wiegt wohl nicht viel schwerer als ein Skrupel, und doch liebt ihr euch, Wasserjungfer und Teufelin. Der Teufel selbst wird an gewissen Tagen so klein, daß er nicht einmal mehr so schwer wiegt wie ein Skrupel, wie deine Libellenliebe; und dieser kleine Teufel reitet dich an gewissen Tagen. Ich bin keine Teufelin, nicht einmal eine Zauberin, sondern eine Verzauberung, ich habe jede Mannesliebe zurückgewiesen, so wie du und die Teufelin auch, ich habe die Liebe des Zauberers getäuscht. Ich bin wie du und die Teufelin; ich finde, der Teufel, der Zauberer und alle Männer sind zu alt. Kein Mann vermag uns zu lieben, denn wir gehören alle einem anderen Zeitalter an, uralten Zeiten oder zukünftigen Zeiten. Die Männer halten uns alle für Phantome; was macht man mit Phantomen? Man verlangt, daß sie weissagen, man hat Angst vor ihnen, und nach einiger Zeit versucht man sich ihrer zu bemächtigen. Ach, wie kann man sich eines Phantoms bemächtigen. Und wenn es sechs Männer wären, könnten sie das Phantom nicht packen. Aus diesem Grunde, wegen dieses Mangels an Feingefühl, sind wir ohne Liehe, ohne Freundschaft. Was uns zermürbt, ist die Tatsache, daß wir als Phantome betrachtet werden, die höchstens zum Weissagen taugen. Das Gebären ist unsere beste Weissagung, die genaueste und unsere ureigenste. Das wissen die Männer. Das wahre Unrecht des Teufels, des Zauberers und aller Männer besteht darin, daß sie uns für Phantome halten, daß sie uns wie Phantome behandeln, obwohl wir doch nur fern sind, aber fern in die Zukunft hinein und in die Vergangenheit zurück, so daß der Mann das Zentrum unserer Entfernung ist; wie ein Kreis umgeben wir ihn. Man kann sich nicht des Frühlings bemächtigen, man lebt in ihm, im Zentrum seiner Entfernung, und man nennt den schönen blühenden Frühling nicht ein Phantom. Der Mann müßte in uns leben wie der Frühling. Den Frühling hat er nicht immer, aber uns hat er immer: eine Verzauberung, die Teufelin oder die Libelle. Statt dieses schöne Leben zu genießen im Zentrum unserer Entfernung, versucht er, sich unsrer zu bemächtigen für die Liebesumarmung.

DFR ZAUBERER

Die Frauen kennen die Liebe nicht, und der Mann, kann der Mann diese in der Frau verkörperte Liebe lieben? Niemand versteht zu lieben. Die Frauen wünschen die Liebe; und die Männer, wonach verlangen die Männer?

Der Zauberer besann sich auf die Trugbilder, die Morgana zu seiner Verfügung zurückgelassen hatte. Er wollte zwei davon herbeizaubern und rief dreimal: »Die zwei Erfahrensten in der Liebe, unter den Weisen!«

Und die Stimme des Zauberers ließ die Trugbilder von Salomo und Sokrates erscheinen. Er sagte zu ihnen: »Was habt ihr am liebsten?«

 SAI.OMO Nichts ist vergleichbar mit dem ... einer Hinkenden.

SOKRATES  Nichts ist vergleichbar mit dem ... eines Grindigen.

Die Trugbilder verflüchtigten sich. Die Dame vom See hatte die Stimme des Zauberers nicht vernommen, doch sie bemerkte die Trugbilder und hörte die Stimmen in der Ferne. Die Libelle war verschwunden, die Dame vom See schrieb ihr die ausschweifenden Trugbilder zu.   - Guillaume Apollinaire, Der verwesende Zauberer, nach (apol)

Gender Studies (16)

Den Unterschied bei Mann und Frau
Sieht man durchs Schlüsselloch genau.

- Joachim Ringelnatz, Kinder-Verwirr-Buch

 

Wissenschaft

 

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