ahnlücke    

 "Höllenschlund"

- "Monster"-Park von Bomarzo

Zahnlücke (2)   Eines Tages fand ich einen Zahn auf dem Kirchhof.

Es war ein Vorderzahn, schimmernd weiß und stark, ohne mir weiter Rechenschaft davon abzulegen, steckte ich den Zahn zu mir. Ich wollte ihn zu etwas gebrauchen, irgendeine Figur daraus zurecht feilen und ihn in einen der wunderlichen Gegenstände einfügen, die ich aus Holz schnitzte.

Ich nahm den Zahn mit nach Hause.

Es war Herbst, und die Dunkelheit brach früh herein. Ich hatte noch allerlei anderes zu besorgen, und es vergingen wohl ein paar Stunden, bis Ich mich in die Gesindestube hinüber begab, um an meinem Zahn zu arbeiten. Indessen war der Mond aufgegangen; es war Halbmond.

In der Gesindestube war kein Licht, und ich war ganz allein. Ich wagte nicht, ohne weiteres die Lampe anzuzünden, ehe die Knechte hereinkamen; aber mir genügte das Licht, das durch die Ofenklappe fiel, wenn ich tüchtig Feuer anmachte. Ich ging deshalb in den Schuppen hinaus, um Holz zu holen.

Im Schuppen war es dunkel.

Als ich mich nach dem Holz vorwärts tastete, fühle ich einen leichten Schlag wie von einem einzelnen Finger auf meinem Kopfe.

Ich wandte mich hastig um, sah aber niemand.

Ich schlug mit den Armen um mich, fühlte aber niemand.

Ich fragte, ob jemand da sei, erhielt aber keine Antwort.

Ich war barhäuptig, ich griff nach der berührten Stelle meines Kopfes und fühlte etwas Eiskaltes in meiner Hand, das ich sofort wieder los ließ. Das ist doch sonderbar! dachte ich bei mir. Ich griff wieder nach dem Haar hinauf - da war das Kalte weg.

Ich dachte:

Was mag das wohl Kaltes gewesen sein, das von der Decke herunterfiel und mich auf den Kopf traf?

Ich nahm einen Armvoll Holz und ging wieder in die Gesindestube, heizte ein und wartete, bis ein Lichtschein durch die Ofenklappe fiel.

Dann holte ich den Zahn und die Feile hervor.

Da klopfte es an das Fenster.

Ich sah auf. Vor dem Fenster, das Gesicht fest an die Scheibe gedrückt, stand ein Mann. Er war mir ein Fremder, ich kannte ihn nicht, und ich kannte doch das ganze Kirchspiel. Er hatte einen roten Vollbart, eine rote wollene Binde um den Hals und einen Südwester auf dem Kopfe. Worüber ich damals nicht nachdachte, was mir aber später einfiel: wie konnte sich mir dieser Kopf so deutlich in der Dunkelheit zeigen, namentlich an einer Seite des Hauses, wo nicht einmal der Halbmond schien? Ich sah das Gesicht mit erschreckender Deutlichkeit, es war bleich, beinahe weiß, und seine Augen starrten mich gerade an. Es vergeht eine Minute. Da fängt der Mann an zu lachen.

Es war kein hörbares, schüttelndes Lachen, sondern der Mund öffnete sich weit, und die Augen starrten wie vorhin, der Mann aber lachte.

Ich ließ fallen, was ich in der Hand hatte, und ein eisiger Schauer durchrieselte mich vom Scheitel bis zur Sohle. In der ungeheuren Mundhöhle des lachenden Gesichts vor dem Fenster entdeckte ich plötzlich ein schwarzes Loch in der Zahnreihe - es fehlte ein Zahn.

Ich saß da und starrte in meiner Angst geradeaus. Es verging noch eine Minute. Das Gesicht fing an, Farbe anzunehmen, es wurde stark grün, dann wurde es stark rot; das Lachen aber blieb. Ich verlor die Besinnung nicht, ich bemerkte alles um mich herum; das Feuer leuchtete ziemlich heil durch die Ofenklappe und warf einen kleinen Schein bis auf die andere Wand hinüber, wo eine Leiter stand. Ich hörte auch aus der Kammer nebenan, daß eine Uhr an der Wand tickte. So deutlich sah ich alles, daß ich sogar bemerkte, wie der Südwester, den der Mann vor dem Fenster auf hatte, oben im Kopfstück von schwarzer, abgenützter Farbe war, aber einen grüngemalten Rand hatte.

Da senkte der Mann den Kopf an der Fensterscheibe herab, ganz langsam herab, immer weiter, so daß er sich schließlich unterhalb des Fensters befand. Es war, als gleite er in die Erde hinein.   - Knut Hamsun, Kleine Erlebnisse. Sämtliche Romane und Erzählungen Bd. 5. München 1977

Zahnlücke (3)   Von der Zamira: jawohl: allen wohlbekannt, zwischen Marino und Arriccia, durch das Fehlen der acht Vorderzähne (bei ihr fing das Gebiß bei den Eckzähnen an: die Ines deutete auf ihre eigenen als Paradigma, indem sie mit einem Finger die schönen Lippen hochschob und auseinanderzog) vier oben, vier unten: weswegen sich der Mund, schlüpfrig und speichelig, hochrot wie im. Fieber, ungern und fast nur ein Löchlein weit zum Sprechen öffnete: schlimmer, er krümmte sich, in den Mundwinkeln zu einem finsteren, lasziven Lächeln, das gar nicht schön war und sicher ungewollt blöde. Weswegen, so flüsterte man, dieser rictus, dieser Rachen, manchen wirklich oder unwirklicherweise voll verlockender Zweideutigkeit erscheinen mochte. Manchmal, an gewissen Nachmittagen, hatte sie glitzernde Äuglein, weich, verschwollen, vergraben, wie zwei entzündete Blasen, voll verdrehter, leicht verblödeter Boshaftigkeit: bedudelt war sie: man sah's genau: man roch es am Atem: die Falten glätteten sich dann wie unter dem Odem des Gottseibeiuns. Sonst aber war sie mehr sie selber: sie, die Zamira: dann fiel das Licht aufs Harte, wie das Auflodern eines Höllenübels aufs Gesicht. Die bittre Sprödigkeit und stürmische Verrauftheit der Haare, die harten parallelen Falten überm ganzen Gesicht, das braun und dunkel war, wie aus Holz, und das gierige Schweifen des Blicks in jenen Momenten unterstrichen noch das Bild: Bild einer antiken Hexe im Götzendienst gräßlicher Urteilssprüche und Wurzelzauber, gekochtes Wurzelwerk, um damit die Seele des Lukian, des Ovid auf den Leim zu locken.   - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung in der Via Merulana. München 1988

Zahnlücke (4)  

- Julien-Adolphe Duvocelle

Zahnlücke (5)  

- Jacopoco Ligozzi

 

Gebiß Lücke

 

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