lopfen  Ein Strauß geht in der warmen Sonne spazieren. Ein schwarzes Insekt beißt ihn, das die Buschmänner die »Laus des Straußes« nennen. Der Strauß kratzt sich hinten am Nacken mit dem Fuß. Der Buschmann fühlt etwas am tieferen Teil seines eigenen Nackens, am selben Ort, wo der Strauß sich kratzt. Es ist ein Gefühl wie ein Klopfen. Dieses Gefühl sagt dem Buschmann, daß ein Strauß in der Nähe ist.

Ein ganz besonders wichtiges Tier für den Buschmann ist der Springbock. Da gibt es nun viele Vorgefühle, und sie beziehen sich auf alle möglichen Bewegungen und Eigenschaften des Springbocks.

»Wir haben eine Empfindung in den Füßen, wir spüren das Rascheln mit ihren Füßen im Gebüsch.« Diese Empfindung in den Füßen bedeutet, daß die Springböcke kommen. Es ist nicht etwa so, daß man sie rascheln gehört hat. Sie sind noch zu weit entfernt. Aber die Füße der Buschmänner selber rascheln, denn die der Springböcke rascheln in der Ferne. Doch das ist nicht alles, es ist noch viel mehr als die Bewegung der Füße, was vom Springbock auf den Buschmann übergeht. »Wir haben ein Gefühl im Gesicht, wegen dem schwarzen Streifen auf dem Gesicht des Springbocks.« Dieser schwarze Streifen beginnt in der Mitte der Stirn und erstreckt sich bis zum Ende der Nase herunter. Dem Buschmann ist zumute, als hätte er den schwarzen Streifen auf seinem eigenen Gesicht. »Wir haben ein Gefühl an den Augen, wegen der schwarzen Zeichen auf den Augen des Springbocks.«

Einer fühlt ein Klopfen an seinen Rippen und sagt zu seinen Kindern: »Es scheint, daß der Springbock kommt, ich spüre das schwarze Haar. Geht auf den Hügel drüben und seht euch nach allen Seiten um. Ich habe das Springbock-Gefühl.« Dieses schwarze Haar hat der Springbock an seinen Flanken. Das Klopfen an seinen eigenen Rippen bedeutet für den Buschmann das schwarze Haar an den Seiten des Tieres.

Ein anderer, der anwesend ist, während über diese Erscheinungen gesprochen wird, stimmt mit ihm überein. Auch er hat ein Vorgefühl, das sich auf Springböcke bezieht, aber es ist nicht dasselbe: Er spürt das Blut des erlegten Tieres.

»Ich habe ein Gefühl an den Waden meiner Beine, wenn das Blut des Springbocks daran herunterrinnen wird. Ich spüre immer Blut, wenn ich den Springbock töten werde. Ich sitze und habe ein Gefühl im Rücken, wo das Blut herunterrinnt, wenn ich einen Springbock trage. Das Haar des Springbocks liegt auf meinem Rücken.«

Einmal heißt es: »Wir spüren es in unseren Köpfen, wenn wir daran sind, die Hörner des Springbocks abzuschlagen.« Ein andermal: »Die Dinge, die zahlreich sind, pflegen zuerst zu kommen, wenn wir im Schatten der Hütte liegen. Sie denken, daß wir wahrscheinlich unseren Mittagsschlaf halten. Wir legen uns gewöhnlich zu einem Mittagsschlaf nieder. Aber wir halten unseren Mittagsschlaf nicht, wenn die Dinge gehen und ihre Beine bewegen. Wir spüren etwas in den Höhlen unter den Knien, wo das Blut hintropft, wenn wir das Wild tragen.«

Aus diesen Äußerungen von Buschmännern ersieht man, welche Bedeutung sie solchen Vorgefühlen oder Ahnungen beilegen. Sie fühlen es in ihren Körpern, wenn gewisse Ereignisse bevorstehen. Eine Art von Klopfen in ihrem Fleisch spricht zu ihnen und macht ihnen Mitteilung davon. Ihre Buchstaben, wie sie sagen, sind in ihrem Körper. Diese Buchstaben sprechen und bewegen sich und veranlassen sie selbst zur Bewegung. Ein Mann gebietet den anderen Schweigen und verhält sich ganz still, wenn er merkt, daß es in seinem Körper klopft. Das Vorgefühl spricht die Wahrheit. Die dumm sind, verstehen die Lehren nicht und geraten ins Unglück, sie werden von einem Löwen getötet, oder es geschieht ihnen sonst etwas Schlimmes. Die Klopfzeichen sagen denen, die sie verstehen, welchen Weg sie nicht gehen, welche Pfeile sie nicht verwenden sollen. Sie warnen sie, wenn viele Leute auf einem Wagen sich dem Haus nähern. Wenn man auf der Suche nach jemandem ist, sagen einem die Klopfzeichen, auf welchem Weg man ihn suchen soll, um ihn zu finden.   - (cane)

Klopfen (2) Ein sehr gefährliches, in allen Gefangenenanstalten, namentlich in Untersuchungsgefängnissen, schon sehr lange bekanntes und geübtes Verkehrsmittel ist das Hakesen, das Klopfen der Gefangenen. Es ist von jeher der geheimnisvolle Schlüssel zu vielen und feinen Machenschaften gewesen. Alle Versuche, durch umständliche und kostspielige Baueinrichtungen dieses Verständigungsmittel zu beseitigen, haben zu keinem Ziele geführt. Selbst die vielgerühmten Scheckschen Zellen, in denen die Gefangenen durch drei Steinwände mit Zwischenräumen voneinander getrennt sind, können das Hakesen nicht hintanhalten. Eine der überraschendsten Erfahrungen der neuen Zeit war die während des großen Polenprozesses in Berlin gemacht Entdeckung, daß zwei Gefangene in der mit ausgezeichneter Umsicht und mit genauer Berücksichtigung strenger Isolierung eingerichteten neuen königlichen Strafanstalt aus den Zellen verschiedener Stockwerke miteinander in solcher Verbindung standen, daß sie sogar Schachpartien unter sich spielten. - (ave)

Klopfen (3)  Sie war eine grobschlächtige Frau mit stechenden und ziemlich grausamen schwarzen Augen und einem außerordentlich wollüstigen Zug um Mund und Unterkiefer. Sie empfing mich in völliger Stille, in einem sehr spärlich eingerichteten Zimmer des Erdgeschosses. In der Mitte des Raumes, nahe bei Mrs. Vulpes Sitzplatz, stand ein einfacher, runder Mahagonitisch. Wäre ich in der Absicht gekommen, ihren Kamin zu fegen, diese Frau hätte mein Erscheinen nicht gleichgültiger hinnehmen können. Nicht der geringste Versuch, dem Besucher Ehrfurcht einzuflößen. Alles zeigte einen ungekünstelten und praktischen Aspekt. Für Mrs. Vulpes schien der Verkehr mit der Geisterwelt eine so alltägliche Angelegenheit wie ihr Mittagstisch oder eine Fahrt mit dem Omnibus zu sein.

»Sie suchen mich wegen einer Verbindung auf, Mr. Linley?« fragte das Medium mit trockener, geschäftlicher Stimme.

»Verabredungsgemäß - ja.«

»Welche Art Verbindung wünschen Sie? - Eine schriftliche?«

»Ja - ich ersuche um eine schriftliche.«

»Mit einem bestimmten Geist?«

»Ja.«

»Sind Sie diesem Geist jemals in dieser Welt begegnet?«

»Nie. Er starb, lange bevor ich geboren wurde. Ich möchte nur eine Auskunft von ihm, eine Auskunft, die er mir eigentlich besser als jeder andere zu erteilen imstande sein sollte.«

»Würden Sie bitte am Tisch Platz nehmen, Mr. Linley«, sagte das Medium, »und die Hände darauf legen?«

Ich gehorchte - Mrs. Vulpes saß mir gegenüber, ihre Hände lagen ebenfalls auf dem Tisch. So verharrten wir etwa eineinhalb Minuten, bis eine heftige Folge von Klopflauten auf dem Tisch erklang, auf der Rückenlehne meines Stuhls, auf dem Boden direkt unter meinen Füßen, ja sogar an den Fensterscheiben. Mrs. Vulpes lächelte gelassen.

»Heute abend sind sie besonders stark«, bemerkte sie. »Sie haben Glück.« Dann fuhr sie fort: »Wollen die Geister mit diesem Herrn Verbindung aufnehmen?«

Nachdrückliche Bekräftigung.

»Will der bestimmte Geist, den er zu sprechen wünscht, Verbindung aufnehmen?«

Dieser Frage folgte ein ziemlich verworrenes Gepoche.

»Ich weiß, was sie meinen«, sagte Mrs. Vulpes zu mir, »sie möchten, daß Sie den Namen des bestimmten Geistes, mit dem Sie reden wollen, aufschreiben. Stimmt das?« fügte sie zu ihren unsichtbaren Gästen gewandt hinzu.

Daß es sich so verhielt, ging aus den zahlreichen, bestätigenden Antworten deutlich hervor. Während sich dies zutrug, riß ich einen Zettel aus meinem Notizblock und kritzelte unter dem Tisch einen Namen.

»Will dieser Geist schriftliche Verbindung mit diesem Herrn aufnehmen?« fragte das Medium erneut.

Nach einer kurzen Pause schien ihre Hand ein machtvolles Beben zu ergreifen, das so stark war, daß der Tisch davon vibrierte. Sie sagte, ein Geist habe ihre Hand ergriffen und würde schreiben. Ich schob ihr einige Blätter Papier hin, die auf dem Tisch lagen, und dazu noch einen Bleistift. Letzteren hielt sie locker in ihrer Hand, die sogleich mit einer merkwürdigen und scheinbar unfreiwilligen Bewegung über das Papier glitt. Nachdem einige Augenblicke vergangen waren, reichte sie mir das Blatt, auf dem ich in großen, ungelenken Schriftzügen die Worte las: »Er ist nicht hier, aber er wird geholt.« Nun verstrich eine etwa einminütige Pause, in deren Verlauf  Mrs. Vulpes völlig still blieb, das Pochen hingegen aber in regelmäßigen Abständen wiederkehrte. Als besagte kurze Zeitspanne um war, wurde die Hand des Mediums wieder von dem krampfartigen Beben gepackt und unter diesem sonderbaren Einfluß schrieb sie ein paar Worte auf das Blatt, das sie mir anschließend gab. Sie lauteten wie folgt: - »Ich bin hier. Fragen Sie. Leeuwenhoek«.  - Fitz-James O'Brien, Die Diamantlinse. Frankfurt am Main 1979. In: Das unsichtbare Auge. Eine Sammlung von Phantomen und anderen unheimlichen Erscheinungen.  (st 477, zuerst 1881)

Klopfen (4)  Abermals hallte das Klopfen, abwartend und entschieden zugleich, während der Doktor die Treppe hinunterging und der Lichtkegel seiner Taschenlampe sich durch das braungebeizte Treppenhaus in den braungebeizten, genuteten Kasten des unteren Flurs bohrte. Es war, trotz seinen zwei Stockwerken, nicht mehr als ein Sommerhaus am Strand, erleuchtet von Petroleumlampen — vielmehr einer Petroleumlampe, die seine Frau nach dem Abendbrot mit hinaufgenommen hatte. Und der Doktor trug auch nur ein Nachthemd, keinen Schlaf anzug — aus demselben Grund, aus dem er Pfeife rauchte, woran er nie Vergnügen gefunden hatte und auch bestimmt nie finden würde, Pfeife rauchte zwischen den gelegentlichen Zigarren, die er unter der Woche von den Patienten bekam, und den drei Zigarren am Sonntag, von denen er fand, daß er sie sich leisten könne, wenn ihm auch dieses Sommerhaus ebensogut gehörte wie das daneben und das andere, das Wohnhaus mit elektrischem Licht und gemauerten Wänden in der vier Meilen entfernten Kleinstadt. Denn er war jetzt achtundvierzig und war sechzehn und achtzehn und zwanzig gewesen zu jener Zeit, als sein Vater ihm sagen (und er ihm glauben) konnte, daß Zigaretten und Schlafanzüge etwas für Gecken und Weiber an der Küste geboren, wenn auch nicht in diesem Haus, sondern in dem andern, dem Wohnhaus in der Stadt, und hatte sein ganzes Leben hier gewohnt, einschließlich der vier Jahre an der medizinischen Fakultät der Staatlichen Universität und den zwei Jahren als Assistent in der Klinik von New Orleans, wo er sich (ein schon in jungen Jahren dicklicher Mann, mit dicken weichen Frauenhänden, der überhaupt nie hätte Arzt werden dürfen und der selbst nach sechs mehr oder weniger großstädtischen Jahren mit dem Erstaunen eines einzelgängerischen Provinzlers auf seine Klassenkameraden und Freunde blickte: diese mageren jungen Männer, die mit ihren weißen Kitteln großtaten, Drellkitteln, auf denen sie — wie ihm schien — mit brutaler, dreister Prahlerei die ungezählten, namenlosen Gesichter der Lernschwestern trugen gleich Orden, gleich blumigen Trophäen) voll Heimweh zurückgesehnt hatte. So promovierte er, näher am Schwanz als am Kopf der Klasse, wenn auch an keinem von beiden, kehrte heim und heiratete noch im selben Jahr die Frau, die ihm sein Vater ausgesucht, und nach vier Jahren gehörte ihm das Haus, das sein Vater gebaut, und er übernahm die Praxis, die sein Vater gegründet hatte, und verlor nichts davon und gewann nichts dazu, und nach zehn Jahren gehörte ihm nicht nur das Haus am Strand, in dem er und seine Frau ihre kinderlosen Sommer verbrachten, sondern auch das anstoßende Grundstück, das er an Sommergäste oder sogar an ganze Gesellschaften vermietete — an Ausflügler oder Angler. Am Hochzeitsabend fuhren er und seine Frau nach New Orleans und verbrachten dort zwei Tage in einem Hotelzimmer, ohne doch Flitterwochen zu machen. Und obwohl sie nun schon dreiundzwanzig Jahre im selben Bett schliefen, hatten sie noch immer keine Kinder. - William Faulkner, Wilde Palmen. Frankfurt am Main 1963 (zuerst ca. 1930)

Klopfen (4)  Ray und seine Mutter waren die ersten menschlichen Wesen, die er beim Geschlechtsverkehr beobachtet hatte. Aber er hatte es schon einige Male bei den sogenannten niederen Tieren gesehen, und keine der unschuldigen Mythen des Lebens oder dessen intime Mysterien konnten dem donnernden Sturm elisabethanischer Hauptwörter und Verben standhalten, die soviel von Old Ikes Vokabular ausmachten. So wußte Critch sehr wohl, was er sah, auch wenn ihm die Bewegungen neu waren.

Ray klopfte das Fleisch seiner Mutter. Ray ließ die Muschi seiner Mutter hüpfen.

Aber weshalb konnte sie es nicht vernünftig hinnehmen, wie das Vieh oder die Hühner, weshalb machte sie solche widerlichen und ekelerregenden Possen? Schlang ihre Beine um Ray! Drehte und schleuderte ihren Hintem, bis Ray fast hinausrutschte! Zog und dehnte ihre großen himbeergekrönten Möpse, als sie versuchte, sie in Rays Mund zu stopfen! Lachend und weinend zur gleichen Zeit, als ob sie blödsinnig wäre! Wer weiß, vielleicht hatte sie doch Niggerblut in ihren Adern. Wer weiß?

Zur Zeit als die Fünf Stämme noch Sklaven hielten, war Old Ike durch die Länder gezogen. Und er hatte einige fleischliche Zurschaustellungen erlebt, über die er heute noch belustigt und verwundert sprach. Gottverflucht! pflegte er zu sagen. Gottverflucht, ein reines Wunder, wie das Weibsbild noch krabbeln konnte, nachdem es den Stengel drin hatte!

Einer Dame, nun, der machte es keine Freude. Eine Dame machte bloß mit, weil es Teil des Ehefrauen- und Mutterseins war, um ihn von den anderen Löchern fernzuhalten. Aber diese gottverfluchten Niggerweiber! Die konnten zig große Rammler knacken und immer noch nach mehr schreien! So sind die eben gebaut, mußte wissen. Nur Saft und Gummi. Und je mehr sie es gebrauchten, desto besser wurde es (anstatt auszuleiern, wie bei einer Lady). - (thom2)

Klopfen (5)    Er habe von Afrika und den Ameisen erzählt. Es sei schon fast dunkel gewesen, und er habe beim Reden eine unbegreifliche Unruhe in sich aufkommen gespürt, habe dieses Gefühl aber verbissen bekämpft, in dem er seine Zuhörerin mit immer neuen Abenteuern aus jenem Kontinent überraschte. ›Noch nie hatte icl so erzählen können‹, rief er aus«, sagte der Einarmige, ›und dabei begleitete mich ständig dieses Gefühl, als ob mir jemand leicht, aber beharrlich mit seinem Finger auf den Hinterkopf klopfte. - Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. - Aber man muß es eben aushaken! Denn wenn man es aushält, dann geht es vorbei!‹ rief er wieder. - Er habe sich jedenfalls umgedreht und festgestellt, daß jenes Klopfen keine Täuschung gewesen war. Es habe zwar leise und entfernt geklungen, wie das Geräusch von Wassertropfen, die in einem anderen Raum auf etwas Weiches fallen, aber als er das Licht aufgedreht habe, habe er bemerkt, daß von seiner  Zimmerdecke,   wie feines, gekräuseltes Haar, Tausende von fingerlangen, dünnen Fadenwürmern herunterhingen, ein lebendiger Rasen, aus dem in regelmäßigen Abständen ein Stück herausbrach und leise, wie schmatzend, zu Boden fiel.« - Er ziehe es an, habe der Fremde gerufen, berichtete Litfäs, aber das habe ihn eigentlich schon gar nicht mehr interessiert, gefesselt sei er da längst von etwas ganz anderem gewesen, das mit der Geschichte selbst kaum mehr etwas zu tun gehabt habe.

»Mittendrin, während er von seinen Würmern erzählte und in einem fort mit dem Hut auf dem Tisch vor ihm spielte«, rief jetzt der Einarmige, »sah ich es plötzlich: Sein langes, gewelltes, rotes Haar wippte beim Reden selbst wie ein dichtes Grasbüschel auf und ab, und jedesmal wenn er stöhnte und dabei seinen Kopf in den Nacken warf, war es, als flamme ein Feuer auf und lecke über den Himmel hinter ihm, bis schließlich der ganze Horizont um uns herum wie von einer einzigen riesigen Feuersbrunst lohte. - Klaus Hoffer, Bei den Bieresch. Frankfurt am Main  1986 (zuerst 1979/1983)

Klopfen (6)  Als ich auf den Flur trat, stand dort, wo die große Uhr hängt, ein schiefes Wägelchen, eine Art Karre, und darauf lag unter einem gespannten Wachstuch mit Sicherheit ein toter Mensch, keiner kam, da, ich wußte nicht, wie mir geschah, tastete ich die Stelle ab, wo der Kopf sein mußte, und tatsächlich, da war ein kalter Menschenkopf, und wie der Herr Marysko, der mir erzählt hatte, daß er, als sein Vater im Sarg lag, ohne zu wissen warum, mit einem Fingergelenk an dessen Kopf geklopft hatte, klopfte auch ich, ohne zu wissen warum, an diesen menschlichen Kopf, über den sich das Wachstuch spannte, die Uhr über der schiefen Karre zeigte halb fünf. - (hra4)

Klopfen (7)   In die Stille hinein hörte man ein hartes und scharfes Geräusch. Es wurde an die Fensterscheiben geklopft. Boris erinnerte sich jetzt, daß er schon vorher während der Unterredung dies Geräusch gehört hatte, ohne dessen zu achten. Jetzt wurde dreiviermal hintereinander geklopft. Erst jetzt wurde es ihm so richtig klar, als er sah, was für einen furchtbaren Eindruck dies Geräusch auf seine Tante machte. Sie hatte es ebenso wie er in der Hitze des Gefechts überhört. Jetzt zog es ihre Aufmerksamkeit auf sich, und in derselben Sekunde ward sie von einem tödlichen Grauen gepackt. Sie schaute verstohlen zum Fenster und wurde leichenfahl. Sie bekam Zuckungen an Armen und Beinen. Ihre Augen liefen an den Wänden und Türen auf und nieder wie eine Ratte, die sieht, daß sie eingesperrt ist, und nach einem Schlupfloch sucht. Boris wandte sich zum Fenster, um herauszubekommen, was sie eigentlich so entsetzte, er hatte nicht geglaubt, daß es irgend etwas auf der Welt gebe, was dazu imstande wäre. Auf dem ausgehauenen Fenstersims draußen saß der Affe und kauerte sich zusammen, das Gesicht an der Scheibe. Boris stand auf, um ihn einzulassen. »Nein, nein«, kreischte die alte Dame in krampfhaftem Entsetzen. Es klopfte wieder, der Affe hatte offenbar etwas in der Hand, mit dem er gegen die Scheibe schlug. Die Priorin erhob sich von dem Sessel, sie wankte, als sie aufstand, schien aber, sobald sie auf den Beinen war, durchaus gesund, zur Flucht bereit.

Aber im nächsten Augenblick fiel das Fensterglas klirrend zu Boden, und der Affe hüpfte herein.  

In derselben Sekunde, ohne sich umzuschauen, so als handele es sich darum, den Flammen eines sich heranwälzenden Feuers zu entfliehen, hatte die Priorin mit beiden Händen ihre Röcke vor sich zusammengerafft und rannte los und warf sich gegen die Tür. Da diese verschlossen war, nahm sie sich keine Zeit, sie zu öffnen. Mit der überraschendsten, erstaunlichsten Leichtigkeit und Schnelligkeit klomm sie am Türpfosten hoch und saß nun zusammengekauert auf dem geschnitzten Karnies, von wo aus sie, vor entsetzlicher Wut bebend, nach denen unten im Zimmer die Zähne fletschte. Aber der Affe war hinter ihr her. - (blix)

Klopfen (8)   Ich wohnte bei Chefarzt Stobeus 1728 in der obersten Wohnung im allerobersten Giebel, wohin keine Stange in Lund reichen konnte. Es schlägt zweimal 3 so hart, daß ich erwache, mir wird von Herzen angst, fürchte, es gilt mir. Nach 2 Tagen bekommt der Chefarzt bedauerliche Notifikation von jemands Tod, den er kurieren sollte und der sehr bedeutend war. Die Mutter alteriert sich, bekommt Cholera und stirbt den Tag danach.

Das ist das einzige, das ich hörte und gewiß weiß. Das ist res facti.

[res facti das tatsächliche Geschehen]   - (nem)

Klopfen (9)  Es ging ihr einzig und allein um sein königliches Gehänge, um dessen edle Ausmaße, dessen empfindliche, stets wache, Reaktionsfähigkeit, dessen Freundlichkeit, dessen Herzlichkeit, dessen Großzügigkeit. Niemals hatte sie einen solchen Apparat gesehen. Manchmal legte er einfach seinen Schwanz auf den Tisch, als wäre er ein Geldbeutel, und klopfte damit, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Er nahm ihn so selbstverständlich heraus, wie andere Männer den Mantel ausziehen, wenn ihnen warm geworden ist. - (nin)

Klopfen (10)  Ein Versteigerer ist ein Vogel, der mit den Flügeln schlägt. Ein Pochen an der Tür, ein Klaps auf die Schulter. Ein Betrüger verwendet Rauschgift, um Kinder zu entführen. Er schlägt sich auf die Brust, nimmt Photos auf, zerdrückt eine Fliege. Lobhudelei ist ein Federball, sie fliegt hin und her. Ein musikalischer Rhythmus, ein Metronom, und Wörter, die jedermann Angst machen.  - (liu)

Klopfen (11)  

LADY MACBETH      O schwache Willenskraft!
Gib mir die Dolche! Schlafende und Tote
Sind Bilder nur; der Kindheit Aug allein Scheut den gemalten Teufel.
Wenn er blutet, Färb ich damit den Dienern die Gesichter, Denn ihre Schuld solls scheinen.

Sie gebt ab. Man hört klopfen.

MACBETH             Woher klopft es?
Wie ists mit mir, daß jeder Ton mich schreckt?
Was sind das hier für Hände? Ha, sie reißen
Mir meine Augen aus.
Kann wohl des großen Meergotts Ozean
Dies Blut von meiner Hand rein waschen? Nein;
Weit ehr kann diese meine Hand mit Purpur
Die unermeßlichen Gewässer färben
Und Grün in Rot verwandeln.

Lady Macbeth kommt zurück.

LADY MACBETH                       Meine Hände
Sind blutig wie die deinen; doch ich schäme
Mich, daß mein Herz so weiß ist.

Es wird geklopft.

                                                Klopfen hör ich
Am Südtor. - Eilen wir in unsre Kammer;
Ein wenig Wasser spült von uns die Tat;
Wie leicht dann ist sie! - Deine Festigkeit
Verließ dich ganz und gar.

Es wird geklopft.

                                         Horch, wieder Klopfen!
Tu an dein Nachtkleid; müssen wir uns zeigen,
Daß man nicht sieht, wir wachten! - Verlier dich nicht
So ärmlich in Gedanken.

MACBETH                         Meine Tat
Zu wissen! Besser von mir selbst nichts wissen!

Es wird geklopft.

Klopf Duncan aus dem Schlaf! O könntest dus!

Sie gehn ab.

Der Pförtner kommt; es wird geklopft.

PFÖRTNER Das ist ein Klopfen! Wahrhaftig, wenn einer Höllenpförtner wäre, da hätte er was zu schließen. Poch, poch, poch: Wer da, in Beelzebubs Namen? Ein Pachter, der sich in Erwartung einer reichen Ernte aufhängte. Zur rechten Zeit gekommen; habt ihr auch Schnupftücher genug bei euch? Denn hier werdet ihr dafür schwitzen müssen! - Poch, poch: Wer da, in des andern Teufels Namen? Mein Treu, ein Zweideutler, der in beide Schalen gegen jede Schale schwören konnte, der um Gottes willen Verrätereien genug beging und sich doch nicht zum Himmel hinein zweideuteln konnte. Herein, Zweideutler! - Poch, poch, poch: Wer da? Mein Treu, ein englischer Schneider, hier angekommen, weil er etwas aus einer französischen Hose gestohlen. Herein, Schneider; hier kannst du deine Bügelgans braten. Poch, poch - Keine Ruhe! Wer seid ihr? Aber hier ist es zu kalt für die Hölle; ich mag nicht länger Teufelspförtner sein. Ich dachte, ich wollte von jedem Gewerbe einige hereinlassen, die den breiten Rosenpfad zum ewigen Freudenfeuer wandeln. - Gleich, gleich! Ich bitt euch, bedenkt doch, daß der Pförtner auch ein Mensch ist.

Er öffnet das Tor: Macduff und Lenox kommen herein.

MACDUFF Kamst du so spät zu Bett, Freund, daß du nun so spät aufstehst?

PFÖRTNER Mein Seel, Herr, wir zechten, bis der zweite Hahn krähte; und der Trunk ist ein großer Beförderer von drei Dingen.

MACDUFF Was sind denn das für drei Dinge, die der Trunk vorzüglich befördert?

PFÖRTNER Ei, Herr, rote Nasen, Schlaf und Urin. Buhlerei befördert und dämpft er zugleich: er befördert das Verlangen und dämpft das Tun. Darum kann man sagen, daß vieles Trinken ein Zweideutler gegen die Buhlerei ist: es schafft sie und vernichtet sie, treibt sie an und hält sie zurück, macht ihr Mut und schreckt sie ab, heißt sie sich brav halten und nicht brav halten, zweideutelt sie zuletzt in Schlaf, straft sie Lügen und geht davon.

- Shakespeare, Macbeth

Klopfen (12)  Eines Abend, vor dem Einschlafen, vernahm ich, so deutlich ausgesprochen, daß es mir unmöglich war, ein Wort daran zu ändern, abgetrennt jedoch vom Klang irgendeiner Stimme, einen recht merkwürdigen Satz; er hatte keinen Bezug zu irgendwelchen Geschehnissen, in die ich nach bestem Gewissen zu diesem Zeitpunkt verwickelt war, es war ein Satz, der mir eindringlich erschien, ein Satz, möchte ich sagen, der ans Fenster klopfte. Rasch nahm ich davon Kenntnis und wollte es dabei belassen, als mich sein organischer Aufbau stutzig machte. Dieser Satz setzte mich wirklich in Erstaunen; ich habe ihn leider nicht bis heute behalten könnten; er lautete etwa so: ,Da ist ein Mann, der vom Fenster entzweigeschnitten wird‘, doch war das durchaus eindeutig gemeint, da er von der schwachen bildhaften Vorstellung eines gehenden Mannes begleitet war, der in der Mitte senkrecht zu seiner Körperachse von einem Fenster durchschnitten wurde.  - André Breton, Manifest des Surrealismus, 1924

Klopfen (13)  Während ich mich meinen Untersuchungen widmete (über die Teilung des Kreisumfangs in 64 gleiche Teile), hörte ich es von Zeit zu Zeit an meine Tür klopfen; aber dieses Klopfen hatte eine ganz merkwürdige Eigenschaft, die mich notgedrungen zur inneren Sammlung bringen mußte; um das, was ich hier vorbringe, zu rechtfertigen, möchte ich noch hinzufügen, daß ein zehnjähriges Kind, das zur Zeit meiner Untersuchung ziemlich lange Zeit bei mir blieb, genau wie ich das Klopfen hörte und darüber sogar erschrocken war; es schlug mir mehrmals vor, die Tür aufzumachen, aber ich weigerte mich, denn ich hatte bereits begriffen, worum es sich handelte. Die Natur nämlich, die gern mit den Wörtern spielt, zeigte mir durch das Klopfen an die Tür an, daß ich richtig geklopft hatte, das heißt, daß ich die richtigen Ausdrücke gefunden hatte, und das stimmte.  - J.-P. Lucas, nach (lim)

Klopfen (14)  Diesmal blieb ich mir bewusst, in dem Verschlag aus Eichenholz zu liegen, und ich unterschied die peitschenden Stösse des Windes und das Treiben des Schnees; ich horte auch das anhaltende und aufreizende Klopfen des Tannenzweiges und schrieb es nun seiner wahren Ursache zu: doch quälte mich dieses Geräusch nun so, dass ich beschloss, es, wenn es irgend ginge, zum Verstummen zu bringen, und ich sah mich aufstehen, in dem Versuch, das Fenster zu öffnen. Der Griff war im Verschluss festgelötet: eine Merkwürdigkeit, die ich wachend festgestellt, doch inzwischen vergessen hatte. «Gleichwohl, das muss aufhören!» murmelte ich. Ich durchschlug mit der Faust die Scheibe und streckte den Arm aus, um den zudringlichen Ast zu packen; doch statt seiner hielten meine Finger die Finger einer eiskalten kleinen Hand umfasst! Das ganze Grauen des Alptraums bedrängte mich: ich wollte meinen Arm zurückziehen, doch die Hand klammerte sich an ihm fest, und eine tiefiraurige Stimme schluchzte: «Oh, lassen Sie mich ein, lassen Sie mich ein!» «Wer sind Sie?» fragte ich, immer weiter um die Befreiung meines Armes kämp-fend. «Catherine Linton», antwortete eine bebende Stimme (Was dachte ich an Linton? Ich hatte zwanzigmal Earnshaw für einmal Linton gelesen); «ich komme heim: ich hatte mich in der Heide verirrt!» Die Stimme sprach noch, da sah ich, undeutlich, ein Kindergesicht durch das Fenster bücken. Der Schrecken machte mich grausam; als ich erkannte, dass ich das Geschöpf nicht von mir abschütteln könne, rieb ich se;n Handgelenk auf der zerbrochenen Scheibe hin und her, bis das Blut floss und die Bettücher durchnässte. Noch immer klagte es: «Lassen Sie mich ein», und gab in seiner hartnäckigen Umklammerung nicht nach. Ich war vor Grauen fast wahnsinnig. «Wie kann ich denn?» rief ich endlich: «wenn ich Sie einlassen soll, so geben Sie meine Hand frei!» Die Finger lösten sich, ich zog die meinen durch die Öffnung zurück, türmte eilig die Bücher zu einer Pyramide auf und bedeckte die Ohren, um das jammervolle Gebettel nicht mehr zu hören. Mir schien, ich habe sie während einer Viertelstunde zugehalten; doch in dem Augenblick, da ich wieder hinhörte, vernahm ich das stets fortklagende Gestöhn! «Fort!» rief ich. «Ich lasse Sie nicht ein, und wenn Sie mich zwanzig Jahre darum bitten!» «Es sind zwanzig Jahre», jammerte die Stimme, «zwanzig Jahre. Seit zwanzig Jahren irre ich herum.» Darauf vernahm ich ausscn ein leichtes Kratzen, und die Bücherbeige bewegte sich, als werde sie vorwärts gestossen. Ich wollte aufspringen, doch ich vermochte kein Glied zu rühren. - Emily Brontë, Sturmhöhe. Zürich 1973 (zuerst 1847)

Klopfen (15)  Hoke ließ sich noch einmal durch den Kopf gehen, was geschehen war. Es hatte geklopft. Schüchtern oder herrisch? Zweimal oder dreimal? Er erinnerte sich nicht. Ein männliches oder ein weibliches Klopfen? Irgendwie war es ihm weiblich vorgekommen, aber sicher konnte er nicht sein. Er hatte so automatisch reagiert, als kenne er seinen Besucher. Er hatte seinen Drink hinter dem Foto seiner beiden Töchter versteckt. Wieso? Er hatte doch wohl um Himmels willen das Recht, in seinem eigenen Zimmer einen Schluck zu trinken und die Tür mit einem Drink in der Hand zu öffnen. Das dominikanische Mädchen war es nicht gewesen; er kannte ihr schüchternes, zurückhaltendes Klopfen. Mr. Bennett war es auch nicht gewesen. Wenn dieser Halunke von Bennett ihn hätte verprügeln lassen wollen, dann hätte er den Schläger beim Honorar übers Ohr gehauen, und die Arbeit wäre nicht so gründlich ausgeführt worden.   - Charles Willeford, Miami Blues. Reinbek bei Hamburg 1994

Klopfen (16) Er saß da und lauschte, starrte die leere Terrasse an. Er wollte noch einen Joint rauchen, und er wollte was Süßes, hatte wieder Hunger, und er mußte aufs Klo. Er dachte daran, durchs Haus zu gehen, durchs Wohnzimmer, die Bibliothek, sich draußen umzusehen, überall, wollte aber das Arbeitszimmer nicht verlassen und nicht in Räumen mit Fenstern sein. Er wußte nicht, wie lange er noch dasitzen konnte. Oder was er tun sollte, als er das Geräusch aus dem Sonnenraum hörte - ein Klopfen, viermal, an einer Glasscheibe - und spürte, wie sein Nacken steif wurde.  - Elmore Leonard, Volles Risiko. München 1996

Wahrnehmung, übersinnliche Geräusch Bewegung

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