8. Der Betrag der für ein uneheliches Kind zu bezahlenden Verpflegungs- und Erziehungskosten ... wird, wenn der Vater ein gemeiner Soldat ist, auf 16 Gr(oschen), wenn er ein Unterofficier ist, auf 20 Gr., bey Oberofficiers aber, nach Unterschied des Ranges, auf 2—8 Rthlr. monatlich festgesetzt.
Wegen der Alimente des Kindes soll von dem Tractement eines Unterofficiers
oder gemeinen Soldaten kein Abzug stattfinden. Wenn also ein solcher Schwängerer
außer seinem Solde weiter kein Vermögen oder Erwerb hat, so muß inzwischen die
Mutter für die Ernährung des Kindes sorgen und bis zu verbesserten Vermögensumständen
des unehelichen Vaters sich gedulden. - Mylius, Novum Corpus Constitut. Brand.-Pruss. X (1797), Sp. 985.
- Aus:
Wilhelm Ebel, Curiosa
iuris germanici.
Göttingen
1968
Geduld (2), patientia, besonders aber das spanische
safrimiento, heißt so von leiden, ist mithin Passivität, das Gegentheil
der Aktivität des Geistes, mit der sie, wo diese groß ist, sich schwer vereinigen
läßt. Sie ist die angeborene Tugend der Phlegmatici, wie auch der Geistesträgen
und Geistesarmen, und der Weiber. Daß sie dennoch so
sehr nützlich und nöthig ist, deutet auf eine traurige Beschaffenheit dieser
Welt. - (
schop
)
Geduld (3) Mit demselben Rechte, als man sagt, daß die
Menschen und Tiere die Früchte des Feldes essen und fressen, kann man in der
Tat sagen, daß die Früchte des Feldes die Menschen und Tiere wieder fressen;
denn alles, was von Menschen und Tieren abgeht, geht wieder in die Pflanzen
über und muß in sie übergehen, damit sie wachsen und gedeihen. Sie zerreißen
den Menschen nur nicht so bei lebendigem Leibe, wie wir es mit ihnen tun. Sie
warten auf das, was von uns abgeht, bis es zu ihnen kommt, erwarten unsem Tod,
ehe sie sich ganz unsrer bemächtigen. Diese Geduld wird ihnen nun als träge
Unempfindlichkeit und tote Passivität ausgelegt; aber mit Unrecht, denn daß
sie doch wirklich nicht unempfindlich gegen all das sind, beweisen sie ja eben
dadurch, daß sie all das, wenn es an sie kommt, doch gierig annehmen und freudig
dadurch wachsen. - Gustav Theodor Fechner, Nanna oder Über das Seelenleben
der Pflanzen. In: G.T.F., Das unendliche Leben. München 1984 (Matthes &
Seitz debatte 2, zuerst 1848)
Geduld (4) Die Kunst, mit Menschen umzugehen, beruht
wesentlich auf der Geschicklichkeit (die eine lange Übung voraussetzt), eine
Mahlzeit anzunehmen, einzunehmen, zu deren Küche man kein Vertrauen hat. Gesetzt,
daß man mit einem Wolfshunger zu Tisch kommt, geht alles leicht ("die schlechteste
Gesellschaft läßt dich fühlen —", wie Mephistopheles sagt); aber
man hat ihn nicht, diesen Wolfshunger, wenn man ihn braucht! Ah, wie schwer
sind die Mitmenschen zu verdauen! Erstes Prinzip: wie bei einem Unglücke seinen
Mut einsetzen, tapfer zugreifen, sich selbst dabei bewundern, seinen Widerwillen
zwischen die Zähne nehmen, seinen Ekel hinunterstopfen. Zweites Prinzip: seinen
Mitmenschen "verbessern", zum Beispiel durch ein Lob, so daß er sein
Glück über sich selbst auszuschwitzen beginnt; oder einen Zipfel von seinen
guten oder "interessanten" Eigenschaften fassen und daran ziehen,
bis man die ganze Tugend heraus hat und den Mitmenschen in deren Falten unterstecken
kann. Drittes Prinzip: Selbsthypnotisierung. Sein Verkehrsobjekt wie einen gläsernen
Knopf fixieren, bis man aufhört, Lust und Unlust dabei zu empfinden und unbemerkt
einschläft, starr wird, Haltung bekommt: ein Hausmittel aus der Ehe und Freundschaft,
reichlich erprobt, als unentbehrlich gepriesen, aber wissenschaftlich noch nicht
formuliert. Sein populärer Name ist — Geduld. - (
frw
)
Geduld (5) Mit nichts ist meine Geduld zu überwinden.
Ihre Schwingen ähneln denen des Engels darin, daß sehr wenige Stöße ihnen genug
sind, um sich unverrückbar im Angesichte derer zu erhalten, welche sie zu erwarten
entschlossen ist. Doch sie, die Klauen wie der Engel hat und messerscharfe Schwingen,
macht nicht Miene, auf die, die sie gesichtet hat, zu stürzen. Sie lernt vom
Engel, wie er seinen Partner im Blick umfaßt, dann aber stoßweise und unaufhaltsam
weicht. Er zieht ihn nach auf jener Flucht in eine Zukunft, aus der er vorgestoßen
ist. Er hofft von ihr nichts Neues mehr als nur den Blick des Menschen, dem
er zugewandt bleibt. - Walter Benjamin, Agesilaus Santander. In: Zur
Aktualität W.B.s. Hg. Siegfried Unseld. Frankfurt am Main 1972
Geduld (6) Ich bin gerne mit Menschen zusammen,
die große Werke entworfen und vollendet haben. Man fühlt sich gestärkt, wenn
man in die Nähe großer Geduld kommt. - (
hds
)
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