Die Tür nur angelehnt, die Zugschnur aus der Fassung; Kühlung nicht eingeschaltet. Ed öffnete die Tür.
Leichen - ein blutgetränkter Haufen Korper auf dem Boden. An den Wänden Gehirn, Blut und Schrotlöcher. Im Bodenabfluß stand das Blut einen halben Meter hoch. In dem Blut schwammen zig Schrothülsen.
SCHWARZE JUGENDLICHE MIT EINEM VIOLETTEN MERCURY COUPÉ BAUJAHR '48 oder '50 BEOBACHTET, WIE SIE IN DEN LETZTEN BEIDEN WOCHEN MEHRFACH IN DEN HÜGELN AM GRIFFITH PARK MIT GEWEHREN IN DIE LUFT FEUERTEN.
Ed mußte würgen. Er versuchte die Leichen zu zählen.
Die Gesichter waren kaum noch zu erkennen. Vielleicht
fünf Menschen tot - getötet wegen des Geldes, das sich in der Registrierkasse
befand oder das sie bei sich hatten - »Heilige gottverdammte Scheiße.«
- James Ellroy, L.A.
Confidential. Berlin 2006 (zuerst 2000)
Auf dem Herd standen Töpfe. Sie schienen eben erst aus dem Kochen gekommen
zu sein. Natürlich brannte kein Feuer. Ich hob einen Deckel hoch, er war nicht
heiß. Doch ich hatte nicht den Eindruck, daß die Speisen erkaltet wären. Nein,
das Fett war nicht geronnen. Ob Wasserdampf aus den Töpfen kam, habe ich nicht
beachtet. Ich habe auch nicht von den Speisen probiert. Wahrscheinlich hätte
nichts einen Geschmack gehabt. - Hans Erich Nossack, Nekyia. Bericht eines
Überlebenden. Frankfurt am Main 1961 (BS 72, zuerst 1947)
- (
bdm
)
Küche (5)
Länger als sich irgend jemand überhaupt erinnern konnte, war sie zwischen
Backofen, Waschhaus und Milchkammer unterwegs gewesen, war zum Kükengehege und
in den Garten gerannt, immer murrend, vor sich hin redend und mit gefurchter
Stirn, aber unermüdlich bei der Arbeit. Emma Ladbruk, von deren Ankunft sie
so wenig Kenntnis genommen hatte wie von einer Biene, die sich an einem Sommertag
durch das geöffnete Fenster in die Küche verirrte, hatte die alte Frau zuerst
mit einer Art ängstlicher Neugierde beobachtet. Sie war so alt und gehörte so
zu dem Hof, daß es schwer war, sich in Gedanken mit ihr als einem lebendigen
Wesen zu beschäftigen. Old Shep, der alte Schäferhund mit der weißhaarigen Schnauze
und den steifen Beinen, der nur noch auf seinen Tod wartete, wirkte beinahe
menschlicher als die verhutzelte, ausgedörrte Frau. Er war ein ausgelassener,
herumtollender junger Hund gewesen und verrückt vor Lebensfreude, als sie bereits
eine wackelige, herumhumpelnde Frau war; und jetzt war er nur noch ein blinder
atmender Kadaver, nicht mehr, während sie immer noch mit ihrer gebrechlichen
Kraft arbeitete, Böden scheuerte, wusch und buk und sonstige Arbeiten verrichtete.
Wenn in diesen weisen alten Hunden irgend etwas war, was mit ihrem Tod nicht
völlig verging, so überlegte Emma, dann mußten auf jenen Hügeln ganze Generationen
von Hundegeistern herumtoben, die Martha aufgezogen, gefüttert, gestreichelt
und bis zu ihrem Tode gepflegt hatte, und das alles in dieser Küche. - Saki, Die offene Tür. Zürich
1973 - Saki, Die offene Tür. Zürich
1973
Küche (6)
Küche (7) Elvis ließ sich aufs Bett zurückfallen und versuchte wieder einzuschlafen, aber jetzt war Moms in seinem Schädel unterwegs, wühlte herum wie ein Halb-Ungeziefer, eine Halb-Ratte, ein räudiger alter Halb-Köter, kläffte ihn an, wimmerte und zwickte. Elvis preßte die Augen ganz fest zu, versuchte, Moms zwischen den Lidern zu zerquetschen, aber immer wieder zappelte sie sich schwitzend und keuchend vor Anstrengung frei. Schließlich vertrieb er sie, indem er in Zeitlupe auf die Innenseiten seiner Lider ein Playback ihres Todes projizierte. Er wußte genau, daß sie es nicht sehen konnte. Summerall und Madden kommentierten, die Menge im ausverkauften Meadowlands stand und johlte und schrie.
Und da war sie, irgendwo genau wie Elvis, wenn man es sich recht überlegte
(also, Elvis Presley), schwankte, strauchelte, stürzte, krachte auf
den Küchenboden (Elvis Presley brach in seinem eigenen Badezimmer zusammen,
aber versuchen Sie mal, das seinen erbärmlichen Fans zu verklickern, die immer
noch glauben, sie hätten ihn in K-marts oder Piggly Wigglies gesehen),
landete, alle viere von sich gestreckt, das Schürzenkleid war bis zu den Schenkeln
hochgerutscht, ein Kniestrumpf auf den Knöchel runtergerutscht, die Zunge hing
aus einem Mundwinkel, die Augen nach oben verdreht, so daß man fast nur noch
blutunterlaufenes Weiß sah. Das Geschirrtuch, das sie immer über ihrer Schulter
hatte, damit sie Verschüttetes sofort aufwischen oder Schweiß vom Gesicht tupfen
oder Rotz wegputzen oder einen heißen Pfannenstiel packen oder Elvis (soll heißen,
Elvis Polk) was auf den Hintern geben konnte, damit er sich in Bewegung
setzte, dieses Geschirrtuch lag jetzt neben ihr auf dem Boden wie ein Haustier
oder so wie ihr räudiger alter Hund, der abwartete, ob sie sich je wieder bewegen
würde oder was, sich fragte, wenn er über ihr Gesicht leckte, ob sie dann die
Hand ausstrecken und ihn streicheln und hochheben und ihn füttern würde oder,
wahrscheinlicher, ob sie die Hand ausstrecken und sein Ohr rumdrehen und ihn
hochziehen und raustragen und ihm einen Tritt in die Rippen verpassen würde,
denn so behandelte sie normalerweise den räudigen alten Hund, was aber immerhin
bedeutete, daß sie wenigstens lebendig war. - Jerry
Oster, Dirty Cops. Reinbek 1994 (zuerst 1992)
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