Ein Fischer saß im Kahne, Und bis die Sternlein blinken, Da kömmt sie hergegangen Sie schwimmen auf den Wellen Dein Hemdlein spielt im Winde, Sie strecket nach den Bergen Und grüßt die alten Türme, O setze dich doch nieder Und große Städte fliegen Da kniet das Mädchen nieder Lieb Mädchen bete stille, In einem Nonnenkloster Da singt das Mädchen helle Der Knabe singt mit Tränen So rot und immer röter Der Mond ist schon zerronnen, Lieb Mädchen guten Morgen! Die Türme blinken helle, Da will er sie erwecken, Und legt sich in den Nachen Die Meereswellen brausen Doch fahren große Schiffe |
Flußfahrt (2)
Flußfahrt (3)
Flußfahrt (4) Die Landschaft wirkt gänzlich unberührt
von Menschenhand. Es ist, als würde uns der Fluß in die Zeit vor der ersten
Sünde treiben, als wären wir auf ›einer Reise in die frühesten Anfänge der Welt,
als die Vegetation auf Erden wucherte und die großen Bäume Könige waren. Ein
leerer Strom, eine gewaltige Stille, ein undurchdringlicher Wald.‹ Der Flußlauf
wird bald wieder enger, so eng, daß wir festsitzen. Wir rutschen aus, fallen
ins Wasser, bleiben dort. Über uns eine feuchte, dichte, grüne Masse; um die
Beine herum glibberig-kalter Sumpf. Während ich versuche, quer liegende Äste
zur Seite zu schieben, schneiden Dornen durch die ledernen Handschuhe ins Fleisch,
und ich fluche über die Mühsal, und auf einmal trifft mich der unerwartete Gedanke,
daß ich in diesem Moment nirgendwo lieber wäre als hier. Worauf ein morscher
Baum bricht und ein Ast mir auf den Schädel donnert. Wir schieben das Boot durch
das Gebüsch, als plötzlich vor uns, keine fünf Meter entfernt, wie durch ein
Fenster ein gewaltiger, dunkler Pavian zu sehen ist, der über den Fluß springt
- durch die Lautlosigkeit zur Zeitlupe verzögert. Ihm folgt eine Pavianmutter,
an die sich ein Kleines krallt, einige andere Jungtiere und dahinter Pavian
um Pavian, eine vielzählige Horde, die, ohne uns anzublicken, ohne das leiseste
Knacken zu verursachen, mit großer Dringlichkeit durch die umrankte Öffnung
huscht. Wir schauen gebannt zu und fühlen uns nebensächlich. -
Ilija Trojanow, Nomade auf vier Kontinenten.
Auf den Spuren von Sir Richard Francis Burton. München 2008 (zuerst 2007)
Flußfahrt (5) Ohne Unterlaß trug das Wasser den Spieler seinem unbekannten Ziele zu. Vier Tage und vier Nächte reiste er in dem seltsamen Gefährt den Fluß hinab, und an jedem der vier Tage hatte er ein neues Hindernis zu überwinden. Am Mittag des ersten Tages ergriff das Wasserungeheuer den Stamm und wollte ihn nicht fortlassen. Erst als der Truthahn ihm Früchte anbot, ließ es den Stamm fahren. Am zweiten Tage fischten die Klippenleute, die in den Geisterstädten der großen Höhlen wohnen, den Stamm aus dem Wasser. Wieder hatte der Truthahn große Mühe, sie zu überreden, den Stamm weiterzulassen. Am dritten Tage hielt Otter den Stamm auf, und am vierten Tage endlich sah Kabaskin, der Geist des Wassers, dem alle Wasser der Erde gehören, den schwimmenden Baumstamm und verlangte eine Belohnung, wenn er ihn passieren ließ.
Weiter schwamm der Spieler im hohlen Holze, denn Kabaskin ließ den Stamm
schließlich in die Schlucht des donnernden Wassers treiben. Kabaskin, der Geist
des Wassers, der dort in jener Schlucht seine Wohnung hatte, ist allmächtig.
Nichts geschieht, ohne daß Kabaskin davon erfährt. Das Wasser, das ihm gehört,
fließt rings um die ganze Welt, die eine Insel
ist. So sieht Kabaskin alles, hört alles, weiß alles und wird von allen verehrt,
denn niemand kann ohne das Wasser leben. - Nordamerikanische
Indianermärchen. Hg. Gustav A. Konitzky. Düsseldorf, Köln 1982 (Diederichs,
Märchen der Weltliteratur)
Flußfahrt (6) Den Fluß hinaufzufahren
war wie eine Reise zurück zu den frühesten Anfängen der Welt, als noch
die Pflanzen zügellos die Erde überwucherten und die großen Bäume
Könige waren. Ein leerer Strom, ein großes Schweigen, ein undurchdringlicher
Wald. Die Luft war warm, schwer, drückend, träge.
Im Glanz des Sonnenscheins war keine Freude. Die langen Abschnitte des
öden Flußlaufs führten tiefer und tiefer in die Düsternis der beschatteten
Ferne hinein. Auf den silbrigen Sandbänken sonnten sich Seite an Seite
Flußpferde und Alligatoren. An den breiteren Stellen strömte das Wasser
zwischen einer Unzahl bewaldeter Inselchen hin; auf jenem Fluß konnte man
in die Irre gehen wie in einer Wüste und stieß beim Versuch, das Fahrwasser
zu finden, fortgesetzt auf Sandbänke, bis man endlich glaubte, man sei
verhext und für immer von allem abgeschnitten, was einem einst vertraut
war - irgendwo - weit fort - in einer anderen Existenz gar. Es gab Augenblicke,
da die eigene Vergangenheit vor einem aufstieg, wie das zuweilen geschieht,
wenn kein bißchen Zeit für einen selbst übrigbleibt; doch sie stieg vor
einem auf in Gestalt eines ruhelosen und schreienden Traums, an den man
sich verwundert erinnerte -hier unter der überwältigenden Wirklichkeit
dieser seltsamen Welt der Pflanzen, des Wassers und des Schweigens. Und
diese Stille des Lebens ähnelte in nichts dem Frieden. Es war die Stille
einer unversöhnlichen Macht, die über einer unerforschlichen Absicht brütete.
Sie blickte einen mit rachgieriger Miene an. - Joseph
Conrad, Herz der Finsternis. Frankfurt am Main 1968
Flußfahrt (7) Stellt euch eine Flußreise vor.
Der Schiffer folgt der Strömung des Wassers vom Quell bis zur Mündung. Fängt
er irgendwo an, dieser Flußlauf? Hat er ein Ende? Der Schiffer glaubt es und
sieht es so; und tatsächlich gibt es eine Strecke des Laufs, für den Anfang
und Ende vorhanden sind, die sich ablesen, die sich als Reise durchführen läßt.
Es gibt eine Anschauungsweise, für die Vergangenheit und Zukunft wirklich sind;
und eine andere, die nicht weniger wirklich, aber viel unzugänglicher ist, für
die sich Boot und Schiffer, Fluß und Ausdehnung des Flusses vermischen. Mit
einem Schlag teilen die Ruder des Bootes die ganze Länge des Flusses; und der
Reisende beginnt, verwirklicht und beendet die Reise seit jeher und für immer,
so daß ihr Anfang am Oberlauf der Ankunft an der Mündung nicht vorausgeht.
- Osman Lins: Avalovara, nach:
Julio Cortázar, Carol Dunlop: Die Autonauten auf der Kosmobahn. Frankfurt am
Main 2014 (BS 2481, zuerst 1983)
Flußfahrt (8) Seine Mahlzeiten dehnte Nero von
Mittag bis Mitternacht aus, wobei er sich dazwischen mehrmals durch warme und
im Sommer durch eisgekühlte Bäder zu erfrischen suchte. Zuweilen speiste er
auch im Freien auf der zu diesem Zwecke mit Schranken umgebenen Naumachie oder
auf dem Marsfelde oder im Circus Maximus. Hierbei stellten die Freudenmädchen
und Tänzerinnen von ganz Rom die Bedienung. Sooft er nach Ostia den Tiber hinabfuhr
oder am Golf von Bajä vorbeisegelte, wurden an bestimmten Stellen des Ufers
Schankbuden aufgestellt, die einen gut ausgestatteten Bordellbetrieb enthielten.
Hier machten sogar vornehme Frauen die Wirtinnen, die ihn bald hier, bald dort
zur Landung einluden.
- (
sue
)
Flußfahrt (8)
Frische Fahrt Laue Luft kommt blau geflossen, Und ich mag mich nicht bewahren! |
- Joseph von Eichendorff
Flußfahrt (9)
Flußfahrt (10) Hat nicht der Bruder deines Oheims
einen Brief bekommen aus Kalifornien? worin er von einer Schiffahrt auf
dem Sacramento schreibt: Nachts verleihen die glänzenden Lichter diesen
Dampfern das Aussehen von Feuerschiffen. Diese Schiffe sind auch
mindestens so gefährlich wie schwimmende Pulvermagazine. Das ist ihr
Verderben, so wie Bequemlichkeit ihr hervorstechendes Merkmal ist.
Kostspielige Dekorationen sind häufig angebracht ohne Rücksicht auf
Sicherheit. Die Einrichtung des Salons ist perfekter als jene des
Maschinenraums. Die Maschinen sind eher zum Anschaun als zum Gebrauch
geeignet, die Kessel minderwertig. Ein Passagier auf der Yosemite
erzählte mir, wie vor einem Jahr ein Kessel explodierte, als er sich
gerade an Bord befand, die Explosion etwa 40 Menschen das Leben kostete
und der Vorfall nicht genauer untersucht wurde. Es ist allerdings
mangelhafte Construction der Kessel, die oft solche Unfälle herbeiführt,
es ist aber auch die Unkenntnis der Maschinisten und der Arbeitsleute,
die man, ohne ihre Fähigkeit zu prüfen, von der Straße aufgreift, sobald
sie nur billig arbeiten. Die Geschicklichkeit der Maschinisten sowie
die Vortrefflichkeit des Bootes finden nur dann Anerkennung, wenn die
Schnelligkeit hervorgebracht werden kann, die über den bestimmten
Kräften der Maschine liegt. Man macht sich somit nichts daraus, einige
Atmosphären über den höchsten Druck anzuspannen, und rüstet mit dem
größten Gleichmut das Werk, das zum Nutzen der Gesellschaft bestimmt
ist, zu ihrem Verderben, oder verkürzt, indem man es täglich mißbraucht,
dessen Dasein und, ohne es vorauszusehen, seinen eigenen Verdienst.
Lebensopfer sind untrennbar von dem ganzen amerikanischen
Go-ahead-System; auch Kalifornien ist eine neue Opferstätte für den
Geist dieser Industrie. Hinter den Maschinenraum ist das untere Deck,
der Platz für diejenigen, welche billig reisen und dafür arbeiten
müssen; desselbe ist zuweilen so vollgepfropft, daß kaum der vierte
Theil der darauf befindlichen zu gleicher Zeit schlafen kann; ereignet
sich je ein Unglück, so sind es immer die Unterdeck-Passaschiere, die am
meisten dabei leiden. Die schlimmsten Unfälle entstehen fast
ausnahmslos bei Kesselexplosionen, schrieb, daß dabei viel Fahrgäste
getötet und andere für den Rest ihres Lebens verstümmelt werden
...
- (acht)
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