Don Juans erster Impuls: sich lautlos zurückzuziehen. Dann aber beschloß er, zu bleiben und dem Geschehen beizuwohnen. Es war in der Tat ein Beschluß, ein nüchterner. Er hatte die zwei Vereinigten und sich weiter Vereinigenden aufzunehmen. Ein Wegschauen kam nicht in Frage. Es war jetzt seine Pflicht, zu registrieren und zu messen. Zu messen was? Das wußte Don Juan nicht. Jedenfalls schaute er zu ohne ein Gefühl und ohne einen Hauch von Aufregung. Alles, was er empfand, war ein Staunen, ein ruhiges, ein urtümliches. Und das ging mit der Zeit doch über in eine Art Schauder, wenngleich einen ganz andern als den beim unfreiwilligen Zuhören der Vorgänge etwa in einem benachbarten Hotelzimmer, welcher in der Regel eher eine Gesträubtheit, mit Haut und mit Haaren, war.
Es war offenbar, daß die beiden mit dem, was sie da vollführten, sich ganz
und gar nicht bei einer Heimlichkeit, bei etwas zu Versteckendem fühlten. Sie
agierten nicht bloß für irgendwelche Zuschauer, sondern für alle Welt. Sie zeigten
es ihr. Stolzer und monumentaler konnte man nicht bei der Sache sein. Insbesondere
die blonde oder blondierte Frau verwandelte die abseitige Halbwildnis zwischen
blühenden Ginsterbüschen nah der Zeder zusehends in eine Bühne, die für diese
sehr sehr langen Augenblicke wirklich die Welt bedeutete. Sie spielte mit der
Sonne, jetzt auf ihren Schultern, jetzt auf ihren Hüften, jetzt mehr und mehr,
zunehmend tänzerisch und wie schlangenbeschwörend, auf ihrem Hintern.
Wie stolz sie erschien, während sie hochaufgerichtet
da am Werk war. Und es schien auch, nur sie sei am Werk (und es gehe in der
Tat um ihr Werk, und dieses sei das beste, wenn nicht das einzige, das sie der
Welt oder wem auch immer zu bieten habe); der Mann unter ihr war sozusagen bloßer
Stichwortgeber, jemand Dienstbarer, ihr Werkzeug, das entsprechend beinah unsichtbare. - Peter Handke, Don Juan (erzählt von ihm selbst)
Frankfurt am Main 2006 (st 3739, zuerst 2004)
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