tolz  Seit dem vierzigsten Jahre kommt es mir vor, als ob die Mädchen immer schöner würden, und ich muß mich vor Sottisen hüten. Doch scheint die Leidenschaft sehr wenig Gewalt mehr zu haben, und vor verliebten Geckereien sichert mich jetzt der Stolz. - (seume)

Stolz (2) Ich meinesteils ziehe es vor, lästig und linkisch, als schmeichlerisch und unaufrichtig zu sein.

Ich gestehe, daß einiger Stolz und Eigensinn dabei mit unterlaufen kann, sich so frei und offen ohne Rücksicht auf andere zu geben; und es kommt mir vor, daß ich da noch freimütiger werde, wo ich es weniger sein sollte, und erst recht ins Feuer gerate, wenn mir der Respekt Einhalt gebieten sollte. Es kann auch sein, daß ich nur aus Ungeschliffenheit meiner einfachen Natur den Lauf lasse.

Wenn ich den Großen gegenüber die gleiche Ungezwungenheit in Worten und Gebärden bezeige, die ich zu Hause gewohnt bin, so spüre ich wohl, wie nahe das an Ungezogenheit und Mangel an Lebensart grenzt. Aber außer dem, daß ich nun einmal so geschaffen bin, ist weder mein Geist geschmeidig genug, um eme unerwartete Frage abzufangen und ihr durch eine behende Wendung auszukneifen, oder um eine Wahrheit zu verfälschen, noch mein Gedächtnis hinreichend, um die verfälschte zu behalten, und erst recht mein Selbstvertrauen zu schwach, sie zu behaupten; und so spiele ich den Tapferen aus Schwäche. Darum gebe ich mich der Unbefangenheit hin, immer zu sagen, was ich denke, sowohl aus Veranlagung wie aus Bedacht, und überlasse es dem Glück, daraus werden zu lassen, was will. - (mon)

Stolz (3) Wenn es wahr ist, daß jeder Roman ein autobiographisches Element enthält - und das kann man kaum bestreiten, kann doch der Schöpfer in der Schöpfung einzig sich selber ausdrücken -, so gibt es eben unter uns Menschen einige, denen es widersteht, ihre Gefühle offen zur Schau zu stellen. Ich möchte die Tugend der Zurückhaltung nicht übermäßig preisen. Oft ist Zurückhaltung nur eine Frage des Temperamentes. Aber sie ist nicht immer ein Zeichen der Kälte, eher schon des Stolzes. Nichts ist demütigender als mit ansehen zu müssen, wie der Pfeil der eigenen Empfindungen das Ziel verfehlt, das Lachen oder Weinen heißt. Nichts ist demütigender! Denn sollte das Ziel verfehlt werden, sollten die zur Schau gestellten Gefühle keine Wirkung tun, so müssen sie unvermeidlich in Ekel und Verachtung untergehen. Man kann keinem Künstler einen Vorwurf daraus machen, daß er einem Wagnis ausweicht, auf das sich einzulassen nur Narren versessen sind und das nur das Genie ungestraft eingehen darf. Bei einer Arbeit, die zur Hauptsache darin besteht, die Seele mehr oder minder vor der Welt zu entblößen, ist die Rücksicht auf das Schickliche, selbst um den Preis des Erfolges, nichts als Rücksicht auf die eigene Würde, die ihrerseits untrennbar ist von der Würde des Werkes. - Joseph Conrad, Über mich selbst. Einige Erinnerungen. Frankfurt am Main 1982 (zuerst 1912)

Stolz (4)  In erstaunlichem, fast erschreckendem Maße zeigten sich die Wesenszüge des vierzigjährigen Umstürzlers, Staatsmannes, Parlamentsredners, Ministerkandidaten bereits in dem Knaben und jungen Mann. Derselbe Geist, dasselbe Feuer, dieselbe Zügellosigkeit. Der Fünfjährige, der seine fromme Tante mit der Frage entsetzte, ob das ein Wunder sei, wenn Gott einen Stock mit nur einem Ende erschüfe, erregte immer wieder den väterlichen Zorn durch die Wildheit seiner Streiche. Mit fünfzehn Jähren war Gabriel-Honore bei den Soldaten, weil sein Vater in der Strenge der Vorgesetzten die einzige Möglichkeit sah, seinen ungebärdigen Sohn zu einem brauchbaren Menschen zu machen. Aber eben die Empörung seiner Vorgesetzten sollte sehr bald den Zögling der Militärschule zwingen, seinen Beruf wieder zu verlassen. Seine Wildheit hatte auch hier alle Schranken durchbrochen. Nicht seine soldatischen Tugenden, sondern seine wahrhaft dämonische Kunst der Verzauberung rettete ihn noch einmal. Er hatte oft genug auch seinen Kameraden übel mitgespielt, er hatte sie doch noch öfters gewonnen, durch seinen Geist, durch seine Liebenswürdigkeit, durch seine Kameradschaftlichkeit - ja wodurch? Im letzten durch seine Fähigkeit, Menschen zu sich heranzuführen, für sich zu begeistern, sich eine Gefolgschaft zu verschaffen, eben jene Fähigkeit, die Geheimnis bleibt und die Mirabeau oft genug in seinem Leben auf großartige und schreckliche Weise bewiesen hat, vor den Abgeordneten, vor den Jakobinern, vor den Frauen. Jetzt waren es seine von ihm so oft mißhandelten Kamefaden, die sich für ihn verwendeten und die ihm noch einige Jahre des Offiziersdaseins retteten. Er benutzte sie so, wie gerade seine Jugend sie benutzen mußte. Von seinem zwanzigsten Lebensjahre an verließen ihn das Glück und die Qual der Liebe nicht mehr. Von seinem zwanzigsten Jahre an genoß er den Glanz und die Kostbarkeiten des Lebens, stöhnte er unter dem Druck der Schulden, die sein Leben vergifteten, die ihn zu mehr als einer schimpflichen Tat trieben und die doch nie vermochten, seinen Stolz, sein Selbstbewußtsein und seine Lebenskraft zu zerbrechen.  - Paul Sethe, Die großen Tage. Von Mirabeau zu Bonaparte. München 1965 (dtv 313)

Stolz (5)  So sehr auch durchgängig der Stolz getadelt und verschrien wird; so vermuthe ich doch, daß dies hauptsächlich von Solchen ausgegangen ist, die nichts haben, darauf sie stolz seyn könnten. Der Unverschämtheit und Dummdreistigkeit der meisten Menschen gegenüber, thut Jeder, der irgend welche Vorzüge hat, ganz wohl, sie selbst im Auge zu behalten, um nicht sie gänzlich in Vergessenheit gerathen zu lassen: denn wer, solche gutmüthig ignorirend, mit Jenen sich gerirt, als wäre er ganz ihres Gleichen, den werden sie treuherzig sofort dafür halten. Am meisten aber möchte ich solches Denen anempfehlen, deren Vorzüge von der höchsten Art, d. h. reale, und also rein persönliche sind, da diese nicht, wie Orden und Titel, jeden Augenblick durch sinnliche Einwirkung in Erinnerung gebracht werden: denn sonst werden sie oft genug das sus Minervam [das Schwein  das die  Minerva  belehrt] exemplificirt sehn. "Scherze mit dem Sklaven; bald wird er dir den Hintern zeigen" - ist ein vortreffliches Arabisches Sprichwort, und das Horazische sume superbiam, quaesitam meritis [Eigne den Stolz dir zu, den durch Verdienst du erwarbst]  ist nicht zu verwerfen.  - (schop)

Stolz (6) Neid und Verachtung sind die beiden Urteilssprüche vor der Schranke des Stolzes.

Du existierst nicht. — Ich bin.
Du existierst zu sehr. — Ich bin nicht.

- N.N.

Stolz (7)

Stolz (8)  Stolz ist der Glaube an die Idee, die Gott vorschwebte, als er den Menschen schuf. Ein stolzer Mensch ist sich dieser Idee bewußt und willens, sie zu verwirklichen. Er strebt nicht nach einem Glück oder Behagen, das der Idee Gottes ungemäß sein könnte. Erfolg ist für ihn das Gelingen, durch das die Absicht Gottes verwirklicht wird; der Stolze liebt sein Schicksal. So wie der gute Bürger sein Glück in der Erfüllung seiner Pflicht gegen die Gemeinschaft, so findet der stolze Mensch sein Glück in der Erfüllung seines Geschickes.

Menschen, die keinen Stolz haben, wissen von keiner Idee des Schöpfers, der sie ins Leben rief, und zuweilen flößen sie einem Zweifel ein, ob eine solche Idee überhaupt bestanden hat oder ob sie verlorengegangen ist und wer sie wohl wiederfinden kann. Sie müssen das als Erfolg buchen, was andere Erfolg nennen, und müssen ihr Glück, ja, ihren eigenen Wert am Kurszettel des Tages abäsen. Sie zittern vor ihrem Schicksal und haben guten Grund dazu.  - (blix2)

  Bescheidenheit Feudalismus

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VB
Ehrgefühl

Bescheidenheit

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