Ich weiß nicht mehr, wie das Gespräch aufs Waschen kam — vielleicht durch
seine kreidebeschmierten Hände. «Nein», hörte ich ihn plötzlich sagen, «ein
magischer Mensch soll sich eigentlich nie waschen —». Er hätte es auch nicht
getan, jedenfalls nicht in der letzten Woche vor seinem Experiment. Das Wasser
sei ein durchaus feindliches und auflösendes Element, es zersetze den Magnetismus
und zerstöre die spirituelle Isolierungsschicht um die Aura. Er gebe zu, es
sei nicht sehr appetitlich; aber im Schweiß und
in jeder körperlichen Ausscheidung und Ausdünstung
sei die Aura des Menschen enthalten, weshalb ein gut gewaschener Mensch auch
niemals magisch sei. Die alten Heiligen seien vom
Standpunkt der modernen Hygiene aus alle Schweine gewesen. Hätten sie sich aber
gewaschen oder Haare und Nägel geschnitten, so hätten sie nie ihre großen, tatsächlich
verbürgten Wunder vollbracht. « - George Grosz, Ein kleines Ja und ein
großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst
1955
- (
apol
)
Unsauberkeit (3) Eignes Unrecht, das man
zugefügt hat, ist viel schwerer zu tragen als fremdes, das einem zugefügt wurde
(nicht gerade aus moralischen Gründen, wohlgemerkt —); der Täter ist eigentlich
immer der Leidende, wenn er nämlich entweder den Gewissensbissen zugänglich
ist oder der Einsicht, daß er die Gesellschaft gegen sich durch seine Handlung
bewaffnet und sich isoliert habe. Deshalb sollte man sich, schon seines inneren
Glückes wegen, also um seines Wohlbehagens nicht verlustig zu gehen, ganz abgesehen
von allem, was Religion und Moral gebieten, vor dem Unrecht-Tun in acht nehmen,
mehr noch als vor dem Unrecht-Erfahren: denn letzteres hat den Trost des guten
Gewissens, der Hoffnung auf Rache, auf Mitleiden und Beifall der Gerechten,
ja der ganzen Gesellschaft, welche sich vor dem Übeltäter fürchtet. — Nicht
wenige verstehen sich auf die unsaubere Selbstüberlistung, jedes eigne Unrecht
in ein fremdes, ihnen zugefügtes umzumünzen und für das, was sie selber getan
haben, sich das Ausnahmerecht der Notwehr zur Entschuldigung vorzubehalten:
um auf diese Weise viel leichter an ihrer Last zu tragen. - Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches
(zuerst 1878)
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