nsauberkeit   «Bitte treten Sie nicht in diesen Kreis hinein. Es ist eine magische Vorsichtsmaßregel; ich hoffe, sie ist wirksam», fügte er hinzu, erklärte aber nicht, wie und wogegen der Kreidestrich wirksam sein sollte.

Ich weiß nicht mehr, wie das Gespräch aufs Waschen kam — vielleicht durch seine kreidebeschmierten Hände. «Nein», hörte ich ihn plötzlich sagen, «ein magischer Mensch soll sich eigentlich nie waschen —». Er hätte es auch nicht getan, jedenfalls nicht in der letzten Woche vor seinem Experiment. Das Wasser sei ein durchaus feindliches und auflösendes Element, es zersetze den Magnetismus und zerstöre die spirituelle Isolierungsschicht um die Aura. Er gebe zu, es sei nicht sehr appetitlich; aber im Schweiß und in jeder körperlichen Ausscheidung und Ausdünstung sei die Aura des Menschen enthalten, weshalb ein gut gewaschener Mensch auch niemals magisch sei. Die alten Heiligen seien vom Standpunkt der modernen Hygiene aus alle Schweine gewesen. Hätten sie sich aber gewaschen oder Haare und Nägel geschnitten, so hätten sie nie ihre großen, tatsächlich verbürgten Wunder vollbracht. «  - George Grosz, Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst 1955

Unsauberkeit (2)  Julie, die Frau des Präsidenten, ist die älteste Tochter des Herzogs, sie ist hoch gewachsen, ein bißchen füllig. Sie hat schöne braune Augen, eine hübsche Nase, angenehme Gesichtszüge, kastanienbraunes Haar, einen häßlichen Mund, von Karies befallene Zähne, die ihr, neben ihrem Hang zur Unsauberkeit, die Liebe des Präsidenten eingetragen haben, der das Faulige mag. Sie hat eine unüberwindliche Abneigung gegen Wasser. Naschhaft und dem Trunk ergeben, ist sie von völliger Sorglosigkeit. - (apol)

Unsauberkeit (3)   Eignes Unrecht, das man zugefügt hat, ist viel schwerer zu tragen als fremdes, das einem zugefügt wurde (nicht gerade aus moralischen Gründen, wohlgemerkt —); der Täter ist eigentlich immer der Leidende, wenn er nämlich entweder den Gewissensbissen zugänglich ist oder der Einsicht, daß er die Gesellschaft gegen sich durch seine Handlung bewaffnet und sich isoliert habe. Deshalb sollte man sich, schon seines inneren Glückes wegen, also um seines Wohlbehagens nicht verlustig zu gehen, ganz abgesehen von allem, was Religion und Moral gebieten, vor dem Unrecht-Tun in acht nehmen, mehr noch als vor dem Unrecht-Erfahren: denn letzteres hat den Trost des guten Gewissens, der Hoffnung auf Rache, auf Mitleiden und Beifall der Gerechten, ja der ganzen Gesellschaft, welche sich vor dem Übeltäter fürchtet. — Nicht wenige verstehen sich auf die unsaubere Selbstüberlistung, jedes eigne Unrecht in ein fremdes, ihnen zugefügtes umzumünzen und für das, was sie selber getan haben, sich das Ausnahmerecht der Notwehr zur Entschuldigung vorzubehalten: um auf diese Weise viel leichter an ihrer Last zu tragen.  - Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches (zuerst 1878)
 

 

Hygiene Magie

 

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Ungewaschenheit
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