räsident    von der wand lächelt ein jovialer beamtentyp der staatspräsident kein kaiser kein generalissimus kein diktator ein mann ist es wie ich und du einer der schon im kriege gezeigt hat wie sehr er gegen ihn ist sein schütteres grauhaar beweist das zur genüge seine brille deutet auf den intelligenzler aus dem volke er trägt keinen orden bloß die nelke im knopfloch erinnert an seine verdienste um den frieden er ist verwitwet sein sohn verheiratet seine tochter geschieden schuldlos wie jeder weiß ihr mann war ein ausländer sie arbeitet in lateinamerika der präsident ist beliebt bei groß und klein er war sogar dagegen als man sein stilles porträt auf briefmarken setzen wollte er lehnte diesen antrag mit einem guten witz ab er ist weder raucher noch trinker noch tänzer noch spielt er karten eine partie schach ab und zu ja dafür ist er zu haben auch wandert er die berge sagt er die berge sein vater war noch zugsführer im ersten weltkrieg und er hat es bis zum oberhaupt des staates gebracht sein vater ist heute über neunzig und lebt beschaulich in einem städtischen altersheim unter menschen wie du und ich gleichheit gleichheit und nochmals gleichheit das ist der wahlspruch des präsidenten und alle elementarschüler müssen diesen merksatz auswendiglernen wie alt ist ihr präservativ frage ich die junge dame die sich meinem interview gestellt hat der präsident wird dieses jahr fünfundsechzig sagt sie ein wiegenfest das zum volksfest werden wird obgleich er es am liebsten in aller stille feiern würde er hält nicht viel von rummel und lustbarkeiten er ginge wahrscheinlich vergnügter auf einem gebirgspfad der aufgehenden sonne entgegen ja die berge sage ich die berge ja sagt die junge dame die berge und die nation aber vergessen wir die nationen und wenden wir uns den regionen zu da steht er der regionalist da setzt er seinen regionalen hut ab da läßt er seine augen über die region schweifen da hebt er wieder einmal seinen regionalen rohrstock oh bitte bitte nicht zu fest das rohrstaberl der autoritären schulen seiner eltern sein schwarzer hund sitzt ihm bei fuß er macht kluge augen der lehrer zornige die seinen aber flammen gerecht und rot ein zotteliger pudel richtet seinen schwanz auf eine junge obderennserin steigt auf den wirtshaustisch und wird durch drohungen und gutes zureden gezwungen ein schändliches lied bezw einen schändlichen vierzeiler zum besten zu geben  jo der traunstoan is spitz und die menscher san gschlitzt und der pfarrer der pfaff der budert wie r a aff    - H. C. Artmann, Nachrichten aus Nord und Süd. München 1981 (dtv 6317, zuerst 1978)

Präsident (2) »Ich muß protestieren, Präsident. Das geht wider die Regel. Es ist eine fundamentale Bestimmung in unserer Gesellschaft, daß über alle Pläne in vollzähligem Rat abgestimmt werden muß. Selbstverständlich billige ich Ihre Vorsicht, wenn in dem vorliegenden Fall, wo ein Verräter - -«

»Sekretär!« sagte der Präsident ernst, »wenn Sie Ihren Kopf nun nach Hause tragen und zu einem Kohl eindampfen möchten, möchts gut sein. Ich weiß es nicht genau. Aber es müßte gut sein.«

Der Sekretär bäumte sich auf wie ein erzürntes Pferd.

»Dafür fehlt mir, glaub ich, jedes Verständnis«, griff er an.

»Das ist es ja, das ist es ja«, sagte der Präsident und nickte viele Male. »Es fehlt Ihnen oft genug am Richtigen. Es fehlt Ihnen an Verständnis. Warum, Sie tanzender Esel«, brüllte er und schnellte empor, »warum schrien Sie vorhin, es kann nicht sein, es kann nicht sein, daß Sie ein Spion hört? Ha?? Wie kommen Sie dazu, zu wissen, daß das nicht auch jetzt sein kann?«

Und mit diesen Worten ging er hinaus, - und eine grenzenlose Verachtung durchschüttelte ihn ...  - G. K. Chesterton, Der Mann der Donnerstag war. Stuttgart 1982 (zuerst 1908)

Präsident (3)  Der Wachtmeister trat vorsichtig an die Verbindungstür, er hielt sich ein wenig hinter dem Pfosten versteckt und übersah den Raum.

Am Tisch, an dem er zu Mittag gegessen hatte, saßen vier Männer. Am auffälligsten war einer, der sich in die Ecke gedrückt hatte. Es war ein schwerer, dicker Mann. Ein grauer Katerschnurrbart starrte stachelig über seiner Oberlippe, das Gesicht war rot und lief nach oben spitz zu, das Kinn war in Fettfalten eingebettet. Der Kopf glühte, in die Stirne fiel eine einsame, braune Locke.

Wer der Mann dort sei, fragte Studer leise die Wirtin.

Der mit dem spitzen Gring? Das sei der Aeschbacher, der Gemeindepräsident. Studer lächelte, er mußte an den alten Ellenberger denken und an seine kurze, aber treffende Charakterisierung: eine Sau, die den Rotlauf hat... Es stimmte aber doch nicht ganz, dachte Studer bei sich. Der Aeschbacher hatte merkwürdige Augen, sehr, sehr merkwürdige Augen. Verschlagen, gescheit.. . Nein, ein zweitägiges Kalb war der nicht!  - Friedrich Glauser, Wachtmeister Studer. In: F. G.: Kriminalromane. Berlin 1990 (zuerst ca. 1936)

Präsident (4)  Reklame für mich (Rein geschäftlich)  Hindendorf, Ludenburg sind keine historischen Namen. Es gibt nur einen historischen Namen: Baader. Diese Herren, die an den Marionettenfäden der Ewigkeit baumeln, die ich lenke, vergessen, daß der Krieg verlorenging, weil sie in Deutschland klüger sein wollten als der Präsident des Weltalls. Schon im Januar 1914 erklärte ich ganz klar und deutlich: Deutschland ist der Sitz des Weltalls, belegte diese Erklärung mit den tiefsten kosmischen Gedanken und unterzeichnete sie mit den magischsten aller Namen, so daß kein Einsichtiger vor der Tatsache vorübergehen konnte, daß hier endgültig das Ultimatum gestellt war, dessen Nichtbeantwortung zur Katastrophe von Sarajewo führen mußte. Noch am 23. Juli 1914 war es Zeit, durch Einräumung der Funkstation Nauen dem Präsidenten des Weltalls das Wort zur Niederschlagung der drohenden Wolke zu erteilen. Allein die konstitutionell verantwortliche Weltregierung erklärte dem Präsidenten die Notwendigkeit des Verzichts, und so konnte die Mobilmachung ungehindert befohlen werden. Am 12. September 1914 war die Illusion des Siegs über Frankreich vernichtet. Die Regierung ließ durch untergeordnete Gemeindeorgane den Präsidenten der Welt verhaften, allein es war umsonst, daß sie ihn am 11. Oktober wieder freigab; die Kundgebung der Wahrheit war zu spät. Papst Benedikt XV. konnte sich nicht entschließen, Ende 1915 eine Rundreise durch die kriegführenden Staaten zu unternehmen, deshalb blieben alle seine Friedensversuche ein Schlag ins Wasser, und was der Amerikaner Russell in Brooklyn vorausgesagt hatte, traf  ein: das Papsttum hat  abgewirtschaftet,  die Presse bringt seine Kundgebungen nur noch auf der zweiten Seite unter Miszellen. Ich wollte den bedrängten Hindendorf und Ludenburg  Ende 1916  ein  Friedensbrett  reichen.  Ich erklärte  dem Kaiser:  Rufen  Sie zu Weihnachten  1916  die Völker der Erde vor den Richterstuhl des Präsidenten des Weltalls in das Königliche Schloß zu Stuttgart. Aber der .aiser, der immer noch an der paranoischen Idee laborierte, aß er der Präsident der Welt sei, lehnte meinen Vorschlag .b und kam selbst mit seinem Friedensangebot heraus, was atürlidi gänzlich verfehlt war. Ich ging jetzt direkt an die ront nach Flandern, setzte mich an die Spitze der Trup-n, aber die Etappe fiel mir in den Rücken, man schleppte mich in den Justizpalast der Vierten-Armee-Inspektion nach Gent, internierte mich in der Kaiser-Wilhelm-Kaserne, und die Folgen kennt man. Czernin schrieb in Wien seinen geheimen Bericht an den Kaiser Karl: der Bericht gelangte in die Hände der Entente; Wilson wurde ersucht, dem deutschen Volke klarzumachen, daß der Präsident von Amerika die Sorge für sein Wohl übernommen und jede weitere Bemühung in Deutschland überflüssig sei. Vergebens machte ich am 19. September 17 meinen Besuch in  Kreuznach. Hindendorf und Ludenburg erklärten mir beide gleichzeitig, meine geistigen Tanks seien ganz   ungefährlich, und sie übernähmen nach wie vor jede Garantie für den Sieg. Gegen diese Verblendung gab es kein Mittel mehr. So trat ich im Frühjahr 1918 zum Dadaismus über. Man ernannte mich zum Oberdada. Aber statt daß man am 9. November vernünftig geworden wäre und, nun die Bahn frei war, mir das ehemals kaiserliche Schloß eingeräumt und mich zum Diktator des Proletariats ernannt hätte, lehnte Liebknecht die deutsche Präsidentschaft, die ihm Adolf Hoffmann auf dem Balkon des Schlosses anbot, ab: am 17. November versuchte ich im Dom eine letzte Klärung der Sachlage: Adolf Hoffmann, der damals im Kultusministerium saß und zu dessen Ressort die Angelegenheit gehörte, ließ mich im Stich, und so wurden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg am 15. Januar im Edenhotel ermordet. Dann folgte ein Schlag auf den andern. Am 7. Mai wurde der Friedensvertrag in Versailles überreicht, nachdem ich am 19. April vergeblich im Reichsministerium persönlich meine Karte abgegeben und festgestellt hatte, daß ich nicht tot bin, auch wenn die Presse mich für tot erklärt hat. Aber wieder redete ich vergeblich. Scheidemann und Ebert wußten alles besser, bis zum 28. Juni. Doch inzwischen war unser »dada 1« erschienen, wir hatten die alte Zeitrechnung abgeschafft und mit dem Jahr A = 1 die neue Zeitrechnung des wirklichen Weltfriedens begonnen. In der gleichen Stunde, in der man in Versailles den Friedensvertrag unterzeichnete, übergab ich das Buch des Weltgerichts (das Buch HADO) in Berlin der Öffentlichkeit und ließ am 16. Juli im Plenum der Nationalversammlung zu Weimar die Präsidentschaft des Weltalls ausrufen:

Der Präsident des Erdballs sitzt im Sattel des weißen Pferdes DADA.

Als dann die große Farce des Untersuchungsausschusses losging und die Aktivisten von rechts Hindendorf und Ludenburg auf den Schild heben wollten, stellte ich mich selbst auf die Tribüne, schlug Lehrer Hagendorfs Lesepult auf und lachte über den deutschen Sozialismus, Kommunismus, Nationalismus einschließlich der Einwohnerwehr von Charlottenburg. Und während alle bisherigen Mittel nichts geschafft hatten, dieses Mittel schlug ein. Es erfüllte in glänzender Weise alle Forderungen, die der Lehrer beim Lesen an den Schüler zu stellen hat. Das Lesepult wurde in allen Schulen der Republik Preußen, der Republik Deutschland, des Völkerbunds und der umliegenden wilden Staatsgemeinschaften obligatorisch in Betrieb genommen, dadurch wurde der Präsident, der am Vertrieb prozentual beteiligt war, Groß-Kapitalist. Er konnte die Propaganda für die Diktatur der Intelligenz mit unbeschränkten kapitalistischen Mitteln auf breitester Basis durchführen. Somit fiel der Kapitalismus in sich zusammen. Eine ganz neue Weltordnung erhob sich, und wahrhaftig, das Jahr 1 wurde das erste Jahr des Weltfriedens, und dies dankt die Welt allein Lehrer Hagendorfs Lesepult und dem Schreiber dieses, Oberdada, Präsident des Erd- und Weltballs, Leiter des Weltgerichts, Wirklichen Geheimen Vorsitzenden des intertellurischen, oberdadaistischen Völkerbundes im DADACO. (DADACO ist der dadaistische Weltatlas, Verlag Kurt Wolff, München. Alles weitere lese man bitte nach im DADACO.)

Präsident Baader, Alleinvertrieb von Lehrer Hagendorfs Lesepult. Steglitz, Berlin und Werder a. H. - Johannes Baader, in: Dada Berlin. Stuttgart 1977. Hg. Hanne Bergius, Karl Riha

Präsident (5)

Präsident (6) Der Adel. Die Berühmtheit. Und schließlich die Macht, die Cosima (die stolzeste, unsicherste) wie das Brot mit der Butter mit dem Titel Präsident verbindet: Präsident der Partei oder des Aufsichtsrats, der multinationalen Vereinigung oder der Bank, der Stiftung oder des Weltverbands oder des interkontinentalen Instituts. Es ist ein Titel, der sie an sich schon fasziniert, ein Wort, das sie mit gedehnter Sinnlichkeit ausspricht, Präsident... Präsident . ..

Sie selbst ist, oder war, Präsidentin von einem halben Dutzend Wohltätigkeits-, Arbeits-, Hilfskomitees, den altbewährten Dietrichen, mit denen die Türen der Macht geöffnet werden. Doch die Zeiten werden immer ungewisser, die Hierarchien immer unbeständiger, nicht selten erweisen sich die Türen als trompe l'œil oder gehen auf ein staubiges Kämmerchen, eine Kloake, das Nichts; die Macht ist nicht mehr dort, vielleicht ist sie nie dort gewesen.

Immer wieder schmerzlich versetzt, beginnt Cosima von vorn, mit einem anderen Präsidenten. Jedesmal erstickt sie die innere Stimme, die ihr zuraunt: und was, wenn die Fäden der eigentlichen Macht durch die Hände des Vizepräsidenten laufen? Und dazu gibt es Ehrenpräsidenten, die vielleicht völlig einflußlos oder im Gegenteil vielleicht noch ungeheuer einflußreich sind. Es gibt ExPräsidenten, deren einige noch das Recht auf den Titel haben, andere wieder nicht. Es gibt zukünftige Präsidenten, Präsidenten ad interim, Präsidenten de facto, Schattenpräsidenten, Kryptopräsidenten. . .

Um keinen Fehler zu machen, veranstaltet Cosima zu Ehren eines jeden ein Abendessen in ihrem klassizistischen Palazzo aus der Spätrenaissance an der Sacca della Misericordia und wählt dabei sorgfältig die Gäste aus, die sich als Beilage eignen könnten: die Frauen müssen schön sein oder interessant oder geistreich oder einen Adelstitel tragen; die Männer einflußreich, aber nicht zu sehr, intelligent, aber mit Maß, brillant, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Es sind eigentlich, sagt Raimondo, weniger Abendessen als vielmehr Denkmäler, wo die Eingeladenen die Rolle der allegorischen Statuen rings um den Sockel haben, auf dem einsam und marmorn der Präsident in den Himmel ragt.

»Aber Präsident wovon denn?« flüsterte ich Raimondo zu.   - Fruttero & Lucentini, Liebhaber ohne festen Wohnsitz. München 1990

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