usscheidung   Alle Dinge waren zusammen, unendlich der Menge wie der Kleinheit nach. Denn das Kleine war eben unendlich. Und solange alle Dinge zusammen waren, konnte man wegen ihrer Kleinheit keines darin deutlich unterscheiden. Denn Dunst und Äther, beides unendliche Stoffe, hielten alles nieder. Denn dies sind die nach Menge und Größe hervorragendsten Stoffe, die in der Gesamtmasse enthalten sind.
Denn Dunst und Äther scheiden sich aus der umgebenden Masse, und dieses Umgebende eben ist der Menge nach unendlich.
Denn bei dem Kleinen gibt es ja kein Allerkleinstes, sondern stets ein noch Kleineres. Denn es ist unmöglich, daß das Seiende zu sein aufhöre. Aber auch bei dem Großen gibt es immer ein noch Größeres. Und es ist gerade so zahlreich vertreten wie das Kleine. Jedes Ding aber ist an sich sowohl groß wie klein.

Wenn sich dies so verhält, so muß man annehmen, daß in allem, was sich vereinigt, viele mannigfache Stoffe enthalten sind und Keime von allen Dingen, die mannigfache Gestalten, Farben und Geschmäcke haben. Und daß sich so auch Menschen zusammenfügen und alle sonstigen Lebewesen, die eine Seele besitzen. Und daß diese Menschen nun auch bewohnte Städte und angebaute Äcker besitzen wie bei uns, und auch Sonne und Mond und die übrigen Gestirne haben wie bei uns, und daß ihr Land ihnen viele mannigfache Pflanzen hervorbringt, wovon sie das beste in ihr Haus zusammenbringen und davon leben. Dies ist meine Darlegung über die Ausscheidung, daß eine solche nicht nur bei uns, sondern auch anderswo stattgefunden hat. - Anaxagoras

Ausscheidung (2) Zunächst stellen die menschlichen Ausscheidungen, die Fäkalien das grundlegende Problem der Sesshaften dar. Kot und abgestoßene körperliche Überreste wie vor allem Harn in seinen verschiedenen Formen kontaminieren die Gemeinschaft am Ort. – Mehr noch als andere Speisereste konfrontieren sie die Bewohner unmittelbar mit der Andersheit eines Eigenen. Der Dritte ist an dieser Stelle bereits ein unheimlicher Widergänger, der weder Subjekt noch Objekt ist, sich bei seinem in die Welt treten sogleich im Haus befindet und doch nicht dorthin gehören soll.

Wie die Funde von Pfahlbausiedlungen der Jungsteinzeit an Alpenseen belegen, übte der hohe Vergiftungsgrad einen ungeheuren Selektionsdruck auf den Fortbestand von Siedlungen aus. Nicht der Müll wurde an gesonderten Orten entsorgt, sondern die Siedlungen wanderten bei Erreichen der Grenze des Erträglichen weiter an einen anderen Ort. - Geophilosophie

Ausscheidung (3)  Fünfundzwanzig Ausscheidungen kennt der Mensch. Sämtlich sind sie Gegenstand der Neugier und der angenehmen Empfindung. Gespannte Erwartung geht ihrem Erscheinen voraus, es folgt ihm Zufriedenheit. Als Teil der Person treten sie zutage, werden als Eignes begrüßt. Doch nicht lange bleibt sie ihnen gewogen. Bin ich das noch (so fragt sie), oder bin ich es nicht, ist das noch meins oder schon ein Ding wie die andern? Das ist mir nicht klar, nicht erwünscht, das will ich nicht gewesen sein, hinweg mit dieser üblen Verworrenheit! Gern sondert der Mensch nämlich aus. Dann denunziert er sein Machwerk. Wie nun erst das Machwerk der Andern! Schlechte Manieren verrät, wer es hervorbringt. Kann er sich denn gar nicht beherrschen, muß er unentwegt mit schamloser Zudringlichkeit die Frage stellen, was denn nun alles zu ihm gehöre, was nicht? Das ist typisch. Natürlich wars er und kein Andrer. Bei einem solchen Anblick muß einen ja ekeln, schlecht werden kann einem da! Pfui und abermals pfui.

Die sechundzwanzigste Aussonderung ist der Mensch selbst.  - Christian Enzensberger, Größerer Versuch über den Schmutz. Kursbuch 10, Oktober 1967

Ausscheidung (4)  An Trockenem Asche und Haar, die Schalen Häute Fetzen Scherben Flaschen Scheren Felle, und zwar als Mischung, des Mülls, ferner alles Körnige und Krümelige, was da bröckelt bröselt blättert bricht auf eine morsche schwammige splittrige fasernde Weise oder was pudrig kalkig rußig weht, sich ansetzt absetzt und niederlegt. Soweit fürs Erste. Nun kommt der Klecks Fleck Spritzer, seis eingetrocknet oder angesogen, von Milch Saft Farbe Tinte Harn. Sie sind die Grenze zur großen Landschaft des Feuchten und Öligen und von dort ist es nicht mehr weit bis ins Nasse und Fette. Da sind nun nennenswert Salbe Paste Schmiere Teig Wachs Schmalz Brei Talg und was immer sonst noch glitscht rutscht knatscht manscht und spratzt. Ferner die Schleime ohne Zahl und Namen aus Eiern Schnecken Pilzen Häuten Quallen Knollen Mündern Nüstern Lefzen Tuben Stengeln Drüsen Früchten Nasen und mit ihnen alles was flutscht glupscht schlotzt sabbert rinnt trieft und träufelt. Gut. An sie schließt sich an einerseits was klebt haftet und Fäden zieht an Honig Käse Teer Leim Sirup Pech Firnis, was sich verhärtet verschorft verkrustet erstarrt und zum Grind wird; andererseits was gärt fault säuert schimmelt ranzt stockt oder verwest, es fügt sich an was schmatzt würgt quetscht pupst spuckt und alle Ergebnisse solcher Tätigkeit. Schön. Nun folgen die Ausschwemmungen von Schlamm Lehm Sumpf Matsch Schlick und Morast, und dann alles, was wimmelt krabbelt sich windet krümmt und ineinanderschlingt, was ausschlüpft hervorquillt aus Löchern kriecht oder keimt schwillt sich bläht Blasen wirft und platzt. Es sind aufzuzählen die Auswüchse Einwüchse Geschwüre Schwären Pusteln Beulen Höcker Stümpfe mit ihrer Verwandtschaft, und in großer Fülle Veränderungen des Leibs wie Verfleischung Verfilzung Verzopfung Verlaubung Verschuppung Verhaarung Verkropfung Verseifung Verhornung Verkalkung Verfettung Vertalgung Verhautung Verkäsung. Wucherung und Gekröse. Was schlottert wackelt und plumpst. Was ribbelt rubbelt und nudelt. Was erschlafft weich wird und runzelt. Was sich festsaugt einfrißt und einbohrt. Und schließlich noch sehr verschiedene Brühen und Sude. - Christian Enzensberger, Größerer Versuch über den Schmutz. Kursbuch 10, Oktober 1967
 
 

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