chaufenster Licht
fiel nur aus den Türen kläglicher Bars; sie waren mit zweiflügligen Laden geschlossen
und ließen die Köpfe und die Füße der Trinkenden sehen; auch Schaufenster waren
erhellt, und es waren ausnahmslos die billiger Beerdigungsinstitute. Denn in
diesem Armeleuteviertel lassen die Nutznießer des Todes, vielleicht aus Stolz
auf ihr schönes Material oder um die Vorübergehenden an das Schicksal zu gewohnen,
das jedem Lebewesen bestimmt ist, wenn nicht gar, um die Mörder
anzustacheln, die ganze Nacht hindurch ihre Schaufensterbeleuchtung brennen.
Es wird erzählt, sie steckten unter einer Decke mit den Prostituierten,
die in der Nähe auf den Strich gehen oder in ein paar Tavernen träge herumhocken,
die ausnahmsweise nicht der männlichen Trunkenheit
streng vorbehalten sind. Ich weiß es nicht. Bekanntlich erweckt im Mann nichts
so sehr das Verlangen nach Huren wie der Gedanke an den eigenen Tod oder den
der Seinen. - André Pieyre de Mandiargues, Der
Akt zwischen den Särgen.
In: A.P.M., Schwelende Glut. Frankfurt am Main 1995 (st 2466, Phantastische
Bibliothek 323, zuerst 1959)
Schaufenster (2)
An der rechten Ecke war Cohens Drugstore, die vergitterten Schaufenster
vollgepackt mit Elektrogeräten zum Straffen des Haars, Hi-Life-Haarpomade,
Black and White-Bleichkrem, Blutreinigungsmitteln, Hühneraugenpflaster,
Frisierhauben aus Nylon mit Kinnriemen, um das Haar im Schlaf fest an den
Schädel zu pressen, einer Schüssel mit Kupfervitriol, das gut gegen Körperläuse
sein sollte, Kanistern mit Spiritus, mit dem man heizen und den man trinken
konnte, Glückwunschkarten und den neuesten Geräten für die Körperhygiene
in emaillierter Ausführung. Gegenüber befand sich Zacullys Delikatessenladen,
der auf der Schaufensterscheibe in weißen Buchstaben ankündigte: GEFRORENE
KALDAUNEN VORRÄTIG UND ANDERE SELTENE KÖSTLICHKEITEN. - Chester Himes, Heiße Nacht für kühle Killer. Reinbek bei Hamburg
1969 (zuerst 1859)
Schaufenster (3)
Schaufenster (4)
Schaufenster (5) Hinter der Auslage ragte der von Bomben gekippte Parkettfußboden der Ruine schräg nach oben wie eine Bergwiese, doch schwankend wie ein Trampolin für jeden, der ihn betrat... gewundene Stucksäulen standen nach innen geneigt, von oben baumelte der Messingkäfig der Aufzugskabine. Vorne im Schaufenster war ein halbnacktes, raupenartiges und behaartes Geschöpf zu sehen, entfernt menschenähnlich, grauenhaft bleich, das sich hinter den zersplitterten Resten der Scheibe drehte und krümmte, seine kaum verheilten Wunden auf Gesicht und Leib aufkratzte, sich mit dem eigenen Blut beschmierte, sich seine schwarzgeränderten Fingernagel in die eigene Haut hieb. «Jeden Tag stellt sich Mr. Lucifer Amp am Smithfield Market auf diese Weise zur Schau. An sich ist das nichts Ungewöhnliches. Viele abgemusterte Soldaten und Matrosen haben sich dem Dienst an der Öffentlichkeit verschrieben, um zumindest Leib und Seele zusammenzuhalten, wenn schon sonst nichts. Das Bemerkenswerte an diesem Fall besteht in der Tatsache, daß Mr. Amp früher für die Special Operations Executive gearbeitet hat...»
«Es macht mir wirklich Spaß», während die Kamera zu einer Großaufnahme auf das Wesen zufährt, «ich habe nicht einmal eine Woche gebraucht, bis ich den gewissen Kniff raushatte ...»
«Empfinden Sie jetzt ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl, das Sie nicht hatten, als Sie hierherkamen - oder werden Sie hier draußen immer noch nicht akzeptiert?»
«Die Leute hier- oh, die Leute, sie sind einfach wundervoll. Einfach großartig.
Nein, damit gibt's überhaupt keine Probleme. » - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
Schaufenster (6)
- Aus: Hans Hillmann. Fliegenpapier. Nach Dashiell
Hammetts Kriminalgeschichte
Flypaper. Frankfurt am Main
1990
Schaufenster (7)
Eine kalte, wässrige Sonne sickerte durch das Schaufenster in das
Geschäft. Diese Auslage war mit einem außergewöhnlichen Sortiment geschmackloser
Objekte gefüllt. Sie verdienten kaum die Bezeichnung Kunstobjekte. Sie glichen
eher einer Arche Noah oder einem Floß mit Kandidaten für den Limbus. Da gab
es eine gesprungene chinesische Vase, die mit einer Reihe weiblicher Drachen
dekoriert war, von denen jeder offenbar einen zweischwän-zigen Goldfisch gebar
oder stillte. Neben dieser Vase befand sich ein Pfcfferstreuer von unnatürlichen
Ausmaßen, auf dessen Oberteil mit den Perforationslöchern der Kopf eines widernatürlichen
Hanswursts in die Runde gaffte. Ein rostiger, verzierter Messingwasserhahn,
der keinem vorstellbaren Zweck mehr diente, war gegen den Pfefferstrcuer gelehnt.
Am Fuß der Vase ruhte ein weißgefiederter Federball mit einem scharlachroten
Kern, während sich zwischen dem Pfefferstreuer und dem Fensterrahmen ein kleiner
Krocketschläger von einer Machart befand, die es praktisch schon nicht mehr
gab. Auf dem Griff dieses Krocketschlägers lag eine große Pazifikmuschel, auf
deren Rücken irgendeine penible Miss Drew ein Jahrhundert vorher eine traurige
kleine Landschaft gemalt hatte, wo ein zwergenhafter Ziegenhirt und eine riesenhafte
Ziege von einer grünen Insel aus ein sinkendes Schiff betrachteten. Am Rand
dieser bemalten Muschel lehnte ein großer, altmodischer Rasiertiegel, auf dem
außen die ferne Ansicht eines Rheinschlosses skizziert war, das sich zwischen
zwei undefinierbaren Bäumen und über dem Rücken eines überladenen Maultiers
zeigte. - (cowp)
Schaufenster (8)
Die Freunde - und beide blieben trotz Dootendeetz
und des Wortes Itzig unzertrennliche Blutsbrüder - sprachen nicht mehr
von dem Skelett unter der Trinitatiskirche. Nur einmal, in der
Milchkannengasse, zwischen dem Sportgeschäft: Deutschendorff und einer
Valtinat-Milchfiliale, vor dem Schaufenster eines Geschäftes, das
ausgestopfte Eichkater, Marder, Eulen, balzende Auerhähne und einen
Adler zeigte, der ausgestopft flügelschlagend ein ausgestopftes
Lämmchen in den Krallen hielt, vor einem Schaufenster, dessen
treppenartiges Regal bis dicht vor die Schaufensterscheibe treppab
stieg, vor Rattenfallen, Fuchseisen, Packungen Insektenpulver, Tütchen
Mottenvernichtungsmittel, vor Mückentod Schabenfeind Rattengift, vor dem
Werkzeug der Kammerjäger, vor Vogelfutter, Hundekuchen, leeren
Aquarien, vor Döschen voller getrockneter Fliegen und Wasserflöhe, vor Fröschen, Molchen
und Schlangen in Gläsern und Spiritus, vor unglaublichen
Schmetterlingen unter Glas, Käfern mit Geweihen, behaarten Spinnen und
den üblichen Seepferdchen, vor dem menschlichen Skelett,
rechts neben dem Regal, vor dem Skelett des Schimpansen, links neben
dem Treppenregal, vor dem Skelett einer laufenden Katze, zu Füßen des
kleineren Schimpansen, vor der obersten Stufe des Regals, auf der
lehrreich die Schädel des Mannes, des Weibes, des Greises, des Kindes,
der Frühgeburt und der Mißgeburt
ausgestellt waren, vor diesem weltumfassenden Schaufenster -im Innern
des Ladens konnte man junge Hunde kaufen und junge Katzen von staatlich
geprüfter Hand ersäufen lassen - vor wöchentlich zweimal geputztem
Schaufensterglas schlug Walter Matern seinem Freund unvermittelt vor,
man könne mit dem restlichen Geld im Ledersäckchen diesen oder jenen
Totenschädel kaufen und beim Vogelscheuchenbau verwenden. Amsel winkte ab, sagte betont kurz, doch nicht mit der Kürze eines Beleidigten, eher kurz und überlegen, das Thema Dootendeetz
sei zwar nicht überholt und aus der Welt geschafft, dennoch nicht
brennend genug, als daß man mit verbliebenem Geld einkaufen müsse; - (hundej)
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