ogelscheuchenkomposition
Irgendwo in den Dünen, den Strandwald mit seinen Schneisen im
Rücken, arbeitet Amsel. Ausgebreitet und übersichtlich geordnet liegen
Bekleidungsstücke verschiedener Machart. Keine Mode herrscht vor. Mit
Sandhäufchen und Treibholz beschwert, werden das Drillichzeug des
untergegangenen preußischen Heeres und die gescheckte steif trockene
Ausbeute des letzten Hochwassers am Davonflattern gehindert:
Nachthemden, Gehröcke, Hosen ohne Plafond, Küchenschlunzen, Wamse,
geschrumpfte Ausgehuniformen, Gardinen mit Gucklöchern, Leibchen,
Lätzchen, Kutscherröcke, Bauchbinden, Brustwickel, zerkaute Teppiche,
Krawattengedärm, Fähnchen vom Schützenfest und eine Aussteuer
Tischdecken riechen und ziehen Fliegen an. Die vielgliedrige Raupe aus
Filz- und Velourshüten, Mützen, Helmen, Kappen, Nachthauben, Käppis,
Baretten und Strohtöpfen windet sich, will sich selbst in den Schwanz
beißen, bietet jedes Glied ihrer Länge an, liegt mit Fliegen bestickt
und wartet auf ihre Verwendung. Sonnenschein läßt alle in den Sand
gespießten Zaunlatten, Leiterfragmente, Bohnenstangen, die glatten und
knorrigen Spazierstöcke, die simplen Knüppel, wie See und Fluß sie
anschwemmen, verschieden lange, wandernde und die Zeit mitrückende
Schatten werfen. Dazu ein Berg Bindfäden, Blumendraht, halbfaules
Tauwerk, brüchiges Lederzeug, verfilzte Schleier, Wollgekröse und
Strohfaschinen, wie sie faulig geschwärzt aus den zerfallenden Dächern
der Feldscheunen rutschen. Bauchige Flaschen, bodenlose Melkeimer,
Pißkacheln und Suppentöpfe liegen für sich. Und zwischen all den
Vorräten, überraschend behende: Eduard Amsel. Schwitzt, tritt barfuß auf
Stranddisteln, merkt aber nichts, stöhnt, grunzt, kichert bißchen,
pflanzt hier eine BohnenStange, wirft ihr quer eine Dachlatte dagegen,
wirft Draht hinterdrein - er bindet ja nicht, sondern wirft
aneinander, und es hält wunderbar - läßt einen rotbraunen,
silberdurchwirkten Vorhang dreieinhalbmal um Bohnenstange und Dachlatte
klettern, erlaubt Strohfaschinen, in sich verfilzt, überm Senffäßchen
zum Kopf zu werden, gibt einer Tellermütze das Vorrecht, tauscht den
Studentendeckel gegen den Quäkerhut ein, bringt die Raupe aus
Kopfbedeckungen, gleichfalls die bunten Strandfliegen durcheinander,
will kurze Zeit lang eine Nachthaube siegen lassen und bestätigt endlich
einem Kaffeewärmer, dem das letzte Hochwasser eine
straffere Form verliehen hat, die Funktion überm Scheitel.
Rechtzeitig begreift er, daß dem Ganzen noch eine Weste und zwar eine
Weste, die hinten blank ist, fehlt, wählt aus den Pracherflep-pen und
muffigen Plunsen und wirft, halb über die Schulter und ohne recht
hinzuschauen, dem Geschöpf unterm Kaffeewärmer die Weste an. Schon
pflanzt er ein müdes Leiterchen links, kreuzweis zwei mannshohe Knüppel
rechts, verschränkt ein dreizaunlattenbreites Stück Gartenzaun zu einer
geschraubten Arabesque, zielt kurz, wirft, trifft mit steifem Drillich,
vermittelt mit knarrendem Koppelzeug, gibt dieser Figur, dem Vorreiter
seiner Gruppe, mit Hilfe des Wollgekröses einige militärische
Befehlsgewalt, und ist gleich darauf stoffbeladen, lederbehängt,
tau-werkumschlungen, siebenmalbemützt und fliegenumjubelt vor, seitlich,
südöstlich und steuerbord seines verlorenen Haufens, der mehr und mehr
zur vogelscheuchenden Gruppe wird; denn aus den Dünen, dem Strandhafer,
den Kiefern des Strandwaldes hebt es gewöhnliche und - ornithologisch
gesehen - seltene Vögel. Ursache und Wirkung: zu einer Wolke, hoch über
dem Arbeitsplatz des Eduard Amsel, ballt es sie. Mit Vogelschrift
schreiben sie ihre Angst immer enger, steiler und krauser durcheinander.
Dieser Text birgt die Wurzel Kräh, treibt den Waldtaubenzweig Marakruh,
hört, wenn er aufhört, mit Pih auf, hat aber viel Uebü, viel Oekk, das
Stockenten-Räätsch und das Ochsengebrüll der Rohrdommeln als Ferment.
Keinen Schrecken gibt es, der, von Am-sels Produktion gefördert, nicht
Ausdruck fände. Wer aber macht über rieselnde Dünenkämme hinweg seine
Runde und erhält der vogelscheuchenden Arbeit des Freundes den
notwendigen Frieden? - (hundej)
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