icht-Kapaun
»Wie wir alle hier, sah ich mich eines Tages diesen Ideen von Wahrheit
und Gerechtigkeit konfrontiert, welche die beiden
Kapaune unablässig diskutierten und die auch Pater Renato zuweilen in seinen
Predigten zur Sprache brachte. Ja, denn im Grunde ähneln sie alle einander mehr,
als sie denken, sie mögen verschiedener Meinung sein über die beste Art, die
Gerechtigkeit herzustellen, aber sie stimmen darin überein, daß die Gerechtigkeit
und das Gute gesucht und verwirklicht werden müssen. Im Grunde sind sie alle
Kapaune und Heuchler, das ist die reine Wahrheit. Mein Blut
ist stark, Adalberto, und deshalb graut mir vor der Heuchelei.
Eines Tages begann ich mich aufzulehnen gegen all diese Spinnweben, die der
Befriedigung der Triebe meines Blutes im Wege standen. Ich hatte den Mut, eine
Frage zu stellen: Warum sollte ich verpflichtet sein, es zu versuchen, gut zu
sein? Warum sollte ich gezwungen sein, gegen mein Blut anzugehen, mich daran
hindern zu lassen, grausam zu sein, die Macht
zu begehren, meine Gewalttätigkeit auszutoben,
alle Frauen besitzen zu wollen und zu besitzen, auf die ich Lust hätte? Ich
haßte diese Heuchler, die sich als Parteigänger des Guten und der Gerechtigkeit,
der Wahrheit und der Güte ausgeben und sich dennoch im Wohlleben gemein machen
und ihre Kinder daran gewöhnen, aus Feigheit demütig zu sein, aus Schwäche gütig,
die die Armut lieben, weil sie unfähig sind, Macht und Geld an sich
zu bringen. Nein, Adalberto, in der gegenwärtigen Ordnung der Dinge ist man
entweder ein Heiliger oder ein Betrüger.
Ich hasse den Betrug, und zum anderen erlaubt mir meine Veranlagung nicht, ein
Heiliger zu sein - und ich gebe auch zu, daß ich das gar nicht will. Deshalb
habe ich beschlossen, all diese Ideen von Gerechtigkeit, Wahrheit und Gutsein
mit einem Mal fallenzulassen und zumindest in meinem Drang zur Gemeinheit, in
meinen Begierden und meiner Gewalttätigkeit aufrichtig
zu sein.« - (stein)
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