- Marquis de Sade, Justine
oder Die Leiden der Tugend, gefolgt von Juliette oder Die Wonnen des Lasters.
Nördlingen 1987 (zuerst 1797)
Aufrichtigkeit (2) Wie schrecklich diese Begegnungen! Der Freund, den ich seit zehn Jahren nicht gesehen hatte, war fast nicht wiederzuerkennen. Ich habe unbewußt einen Rest von Glanz in seinen Augen ausfindig gemacht, eine zur Furche gewordene Falte seines Mundes, an der ich ihn erkannte. Er hatte sicher bei meinem Anblick die gleiche Art von Schock. Und wir haben uns gegenseitig gesagt auf ein baldiges Wiedersehen, so wie früher. Sowas Tristes! Wünschen wir, daß wir uns nicht mehr wiedersehen. Aber wenn ich ihn eines Tages unglücklicherweise doch von weitem erkennen sollte, werde ich einen Umweg machen um ihm diesen kleinen Stich ins Herz zu ersparen, den ihm mein Aussehen sicher gibt.
Dann fragt sich Monsieur Traum ob er aufrichtig ist. Er zögert und sagt ja,
in gewissem Sinn, aber nicht in jedem. Oder vielmehr daß er es ist, doch daß
eine Welt der Heuchelei, die aus der Gewohnheit der
Gewissensprüfung entstanden ist, ihm ständig die Gelegenheit nimmt sich redlich
zu zeigen. Anders gesagt er wirft sich vor, seine Aufrichtigkeit für etwas zu
nehmen, was nur der deformierte Widerschein eines Mythos
ist, jenen Ungeheuern vertraut, die seinem Bewußtsein
fremd sind. - (
rp2
)
Aufrichtigkeit (3) Die gewollte Aufrichtigkeit
führt zur Überlegung, die führt zum Zweifel, und
der führt zu nichts. - (
pval
)
Aufrichtigkeit (4)
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