aterieformen
P: Und ist denn Gott nicht immateriell?
V: Nein - denn es gibt nichts Immaterielles - das ist bloß ein Wort. Was nicht Materie ist, das existiert nicht - wofern nicht Qualitäten Dinge sind.
P: Ist Gott denn materiell?
V: Nein.
(Diese Antwort verblüffte mich doch einigermaßen.) P: Was dann ist er?
V: (nach einer langen Pause und mit kaum vernehmlicher Stimme) Ich verstehe - doch ist das schwer zu formulieren. (Eine weitere lange Pause.) Er ist nicht Geist, denn er existiert. Auch ist er nicht Materie in dem Sinne, wie Sie's begreifen. Aber es gibt Gradationen von Materie, von denen der Mensch nichts weiß; das Gröbere treibt das Feinere, das Feinere durchdringt das Gröbere. Die Atmosphäre zum Beispiel treibt das elektrische Prinzip, indessen das elektrische Prinzip die Atmosphäre durchdringt. Diese Gradationen der Materie nehmen an Dünn- oder Feinheit zu, bis wir schließlich zu einer partikellosen - das heißt, nicht mehr aus Teilchen bestehenden - unteilbaren - Materie kommen; und hier ist das Gesetz von Antrieb und Durchdringung modifiziert. Die letzte, nicht mehr in Teilchen auflösbare Materie durchdringt nicht nur alle Dinge, sondern ist auch aller Dinge Antrieb - und ist mithin das Alles in sich selbst. Diese Materie ist Gott. Was die Menschen mit dem Wort <Gedanke> zum Ausdruck bringen, ist diese Materie in Bewegung.
P: Die Metaphysiker behaupten, alles Handeln sei zurückführbar auf Bewegung und Denken, und das letztere sei der Ursprung des erstem.
V: Ja; und nun erkenn' ich die Wirrnis dieser Vorstellung. Bewegung ist das Handeln des Geistes - nicht des Denkens. Was aber die Menschen Geist nennen, das ist (soweit wir es mit unsern Begriffen zu fassen vermögen) die unteilbare Materie, also Gott, im Ruhezustand. Und die Kraft zur Selbstbewegung, zum Eigen-Antrieb (in der Wirkung äquivalent der menschlichen Willenskraft) ist bei der unteilbaren Materie das Ergebnis ihres Eins-Seins und ihrer Allwirksamkeit; wie, das weiß ich nicht und werd' ich, wie ich jetzt klar sehe, auch niemals wissen. Doch die in Bewegung gebrachte unteilbare Materie - in Bewegung gebracht durch ein Gesetz oder eine Qualität, die in ihr selber existiert - ist Denken.
P: Können Sie mir keinen präzisen Begriff von dem geben, was Sie die unteilbare Materie nennen?
V: Die Materien, von welchen der Mensch Kenntnis hat, entziehen sich in ihrer Gradation den Sinnen. Wir haben da zum Beispiel ein Metall, ein Stück Holz, einen Wassertropfen, die Atmosphäre, ein Gas, eine Wärmeeinheit, die Elektrizität, den Licht spendenden Äther.
Nun bezeichnen wir all diese Dinge als Materie und begreifen alle Materie
in einer einzigen allgemeinen Definition; aber trotzdem liegen keine zwei Begriffe
im Wesen weiter auseinander als der, den wir uns von einem Metalle bilden, und
das Bild, welches wir uns vom Licht fortpflanzenden Äther machen. Wenn wir uns
dem letztern nähern, so empfinden wir eine fast unwiderstehliche Neigung, ihn
als Geist zu klassifizieren oder als Nihilität. Die einzige Betrachtungsweise,
welche uns davon zurückhält, ist unsere Auffassung, daß er atomische Struktur
habe; und selbst hier sind wir auf unsern Begriff vom Atom
als einem Etwas von unendlicher Kleinheit, Dichtigkeit, Greifbar- und Gewichtigkeit
angewiesen. Zerstören wir die Idee der atomischen Struktur, so sind wir
alsbald nicht mehr in der Lage, den Äther als Einsheit zu betrachten, oder zumindest
als Materie. In Ermangelung eines bessern Wortes möchten wir ihn vielleicht
als Geist terminieren. Gehen wir nun einen Schritt über den Licht fortpflanzenden
Äther hinaus - stellen wir uns eine Materie vor, welche um so vieles dünner
und feiner denn der Äther ist, als dieser Äther dünner und feiner ist denn das
Metall, so kommen wir (allen Schul-Dogmen zum Trotz) sogleich zu einer einsheitlkhen
Masse - einer partikellosen, unteilbaren Materie. Denn wenn wir den Atomen selbst
auch unendliche'Kleinheit zugestehen mögen, so wäre es doch absurd, ein Gleiches
von den Räumen zwischen ihnen zu denken. Es gibt einen Punkt - es gibt einen
Grad von Dünnheit und Feinheit, bei dem die Interspatien, wofern die Atome in
hinreichender Anzahl vorhanden sind, verschwinden müssen und die Masse absolut
verschmelzen muß. Doch wenn wir nun die falsche Vorstellung von der atomischen
Struktur beiseite geräumt haben, so gleitet die Natur der Masse unweigerlich
in Richtung dessen, was wir als Geist begreifen. Es ist jedoch klar, daß sie
in grad ebenso vollem Umfang Materie bleibt als zuvor. In Wahrheit läßt sich
Geist unmöglich begreifen, da es unmöglich ist, sich ein Etwas vorzustellen,
was nicht ist. Wenn wir uns schmeicheln, uns eine Vorstellung von seinem Wesen
gebildet zu haben, so haben wir unseren Verstand lediglich mit dem Begriff der
unendlich verdünnten und verfeinerten Materie getäuscht. - Edgar Allan Poe, Mesmerische
Offenbarung. Nach
(poe)
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