Falsch

Ein Freund von mir, Ost-Berlin, Leipziger Straße,
Deutsche Akademie, hat der Forschung unlängst
ein vollkommen neues Feld eröffnet:
die Fehlerlinguistik. Ja,
da hätte man viel zu tun.

Als Laie kann ich mir kein Urteil erlauben,
doch ich habe den Eindruck,
die Fehler vermehren sich:
Weiße Mäuse, Albinos mit roten Augen,
die übereinander klettern,
über Sessel und Betten,
und immer mehr weiße Mäuse werfen.

Gespräche am Bankschalter,
Ansichten über die Viererbande,
Richtlinien für die Zukunft des Menschengeschlechts.
Falsches Bewußtsein, sagen die Philosophen.
Wenn es nur das wäre.

Bremsen oder beschleunigen,
Hosen mit oder ohne Aufschlag,
deine Moral oder meine.
Wer sich im Recht wähnt,
ist schon gerichtet.

Sich freischaufeln aus einem Berg
von immer mehr rostigen Schaufeln,
mit bloßen Händen - ich fürchte,
das hat keinen Zweck.
Alles verkehrt, vermutlich auch dieser Satz.

Wenn man den eigenen Worten
eine Zeitlang zuhört,
wie sie dröhnen im eigenen Kopf -
man möchte die Augen zudrücken
wie ein kleines Kind,
sich die Ohren zuhalten
und am liebsten gar nichts mehr sagen.
Aber das wäre falsch.

  - Hans Magnus Enzensberger, Die Furie des Verschwindens. Frankfurt am Main 1980 (es 1066)

Falsch (2)  Alles war falsch: ein falscher Realismus, eine falsche Armee, ein falscher Kredit und sogar falsche Dirnen! Man nannte sie »Marquisen«, so wie auch die großen Damen sich gegenseitig vertraulich »Schweinchen« nannten. Mädchen wie die Lagier, die in der Tradition von Sophie Arnould blieben, verursachten Schrecken. Sie haben Saint-Victors Respektäußerungen vor der Païva nicht erlebt! Und diese Verkehrung (die vielleicht eine Folge der Romantik ist, der Herrschaft der Leidenschaft über die Form, der Inspiration über die Regel) machte sich besonders in der Art des Urteilens bemerkbar. Man pries eine Schauspielerin, - aber als gute Familienmutter! Man verlangte von der Kunst, daß sie moralisch, von der Philosophie, daß sie klar, vom Laster, daß es dezent sei und von der Wissenschaft, daß sie sich dem Auffassungsvermögen des Volkes anpasse.

Das ist ein langer Brief! Wenn ich anfange, meine Zeitgenossen anzubrüllen, höre ich nicht so schnell wieder auf.  - Flaubert an George Sand, nach (flb)

Falsch (3)  Erdicht / betrüglich / ungründlich / ohne Wahrheitsgrund / hinterlistig geführt / meuchelsinnig beruckt / arglistig belogen / sträflich betrogen / als ob kein GOTT im Himmel wär/ der haffte Trug und Listgefähr :Man kann derMenschen Augen blenden / doch muß derTrug sich schändlich enden / dieweil das böse Mord=Gewissen erwacht und machet viel verdrüssen.  Der Sache einen andern Verstand andrehen.   - (hrs)
 
 

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