krupulant
Der Verstand zeigt sich zu Bedenklichkeiten, zu Zweifeln und Haarspaltereien
geneigt. Das Hintergründige, das Doppel- und Vielsinnige der Sprache tritt stärker
hervor. Die Zusammenhänge dagegen treten zurück; der Geist faßt weniger die
Sätze und Gefüge als die einzelnen Worte auf. Hieraus leitet sich eine punktförmige
und vertrackte Art des Widerspruches ab, die den Gang der Unternehmungen stört.
Beim Schreiben entwickelt sich eine Art von übertriebener Reinlichkeit, der
Gedanke strebt die immer feinere Fassung an, der grammatische Zweifel beginnt
den freien Fluß der Ideen zu hemmen und steigert sich bis zur subtilen Spielerei.
So entsteht ein gefilterter Stil, der zuweilen durch seine unfruchtbare Schönheit
und künstliche Gesundheit verblüfft, eine Prosa für Vegetarier. Dem entspricht
ein leerer Klassizismus in der bildenden Kunst.
In diesem Zusammenhang gehört ferner eine Art der Empfindsamkeit, die auch
die moralischen Züge wie durch ein Vergrößerungsglas zu erblicken vermag — die
kränkliche Scharfsichtigkeit dessen, der sich den Appetit am Menschen verdorben
hat. Dann treten in den Gesichtern die geheimen Mißverhältnisse hervor, das
Lachen wird unangenehm, der Ton der Stimme verrät unverhüllter die Winkelzüge
und Absichten, in denen sich der Sprechende bewegt. Diese Feinfühligkeit erstreckt
sich leicht auch auf die spiegelbildliche Beobachtung, so beim Beicht-Skrupulanten,
einem Typus, der auch in den protestantischen Ländern nicht fehlt. - (
ej
2)
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