chweinsmetamorphose
Gemeint ist ein gottlos-monstöses Mischwesen.
Auch die sodomitische Vereinigung von Schwein und Mensch
hielt man lange Zeit für fruchtbar, und menschenköpfige
Schweine oder (oftmals adlige) Menschen mit Schweinsköpfen beleben
nicht nur illustrierte Medizinbücher (etwa das des Ambroise Paré),
sondern auch die Flugblattliteratur, und sie gelangen von dort in das lebendige
Erzählen des Volkes: Im Dauphiné zum Beispiel fand Charles Joisten
das Märchen von einem Schweinekönig (Le Roi Cauchon).
Homer erzählt ja im zehnten Gesang der Odyssee
von der schöngelockten, mächtigen Kirke, sie habe die Gefährten des Odysseus
mit Hilfe von »pramnischem Wein« und »betörenden Säften« und nicht ohne
Gebrauch einer Zauberrute in Schweine verwandelt
(»allein ihr Verstand blieb völlig wie vormals«) ; so kennt auch die europäische
Sagenliteratur mancherlei Schweinsmetamorphosen, welche zänkischen Eheleuten
oder auch unbotsamen Kindern zur Strafe widerfahren. Die »pig-faced lady«
war insbesondere in der englischen Straßenliteratur, aber auch in deutschen
Volkskalendern beliebt. - (
schen
)
Schweinsmetamorphose (2) Der Kompetenzstreit
der EU-Direktionen beruhte darauf, dass das Schwein eine Querschnittmaterie
war: das lebende Schwein im Stall »gehörte« der DG AGRI, nach der Schlachtung,
als Schinken, Eisbein, Schnitzel,
Wurst oder was auch immer, jedenfalls als »processed
agricultural good« war die DG GROW zuständig, und erst wenn es Europa verließ,
sozusagen als Schwein im Frachtschiff oder im LKW, gehörte es der DG TRADE.
Das Problem war, dass man über das Schwein im Container nicht verhandeln konnte,
wenn man über das Schwein im Heimatstall nicht bestimmen
durfte. Die GROW war in dieser Frage inoffensiv. Dort beschäftigte man sich
mit Regeln für die Auflistung von Inhaltsstoffen, Definitionen von Höchstgrenzen
beim Einsatz von Pharmazeutika und Chemikalien, Qualitätskriterien. Ihnen war
das Schwein buchstäblich Wurst, es sollte nur richtig etikettiert sein. - Robert Menasse, Die Hauptstadt.
Berlin 2017