olonaise  Die Weibchen des Wüstenskorpions Paruroctonus mesaensis sind extrem raubgierig und fressen einfach alles, was in ihre Nähe kommt und klein genug ist. «Jedes sich bewegende Objekt in der richtigen Größenordnung wird offensichtlich unterschiedslos angegriffen.» (G.A. Polis und R.D. Farley). Da Männchen kleiner sind als Weibchen, sind sie bevorzugte Opfer und werden begierig gefressen. Diese blinde Raubgier der Weibchen stellt ein Problem für die Paarung dar, die ja eine gewisse räumliche Nähe erfordert. Die Männchen haben deshalb ein kunstvolles Werbungsritual entwickelt, um den ungewöhnlichen Appetit der Weibchen wenigstens teilweise zu hemmen.

Ein Männchen führt zunächst mit seinen Cheliceren (Kieferfühlern) eine Serie greifender und massierender Bewegungen aus, erfaßt dann die Scheren des Weibchens mit seinen eigenen und führt einen wechselseitigen, symmetrischen «Tanz» auf, die berühmte Polonaise zu zweit (promenade à deux), die mindestens ebenso schön ist wie ein Ballett. Diese Skorpione begatten ihre Weibchen nicht direkt, indem sie einen Penis einführen, sondern sie setzen eine Spermatophore (Samenpaket) ab, die das Weibchen dann in seinen Körper aufnehmen muß. Infolgedessen führt das Männchen das Weibchen bei dieser «Polonaise» bis zu einem geeigneten Platz. Dort setzt es die Spermatophore auf einem Stöckchen oder kleinen Zweig ab, schlägt oder sticht das Weibchen sogar, löst sich von ihm - und rennt um sein Leben. Hat es Glück, dann läßt das Weibchen das Männchen laufen und wendet ihre volle Aufmerksamkeit der Aufnahme der Spermatophore zu. Doch in zwei von mehr als zwanzig Fällen fanden Polis und Farley Weibchen, die sich ihren Gatten geräuschvoll einverleibten, während dessen Spermatophore ganz in der Nähe auf einem Stöckchen verblieb und vermutlich später durch eine andere Öffnung aufgenommen wurde.  -  Stephen Jay Gould, Das Lächeln des Flamingos. Basel, Boston, Berlin 1989

Polonaise ⁽²⁾