Feierlichkeit  Sieht man den Dingen auf den Grund, so kann man nur von der extremen Genauigkeit der Etikette frappiert sein, gerade was den Tötungsakt betrifft. Auf Seiten der Akteure konstatiert man, daß umgekehrt wie bei den Regeln eines Sports, die eine große Anzahl von Schlägen oder Stößen oder Griffen erlauben und nur eine geringe Zahl verbieten, der Kodex des Stierkampfes dem Spieler nur eine sehr geringe Zahl erlaubter Stöße übrigläßt, im Verhältnis zu einer beträchtlichen Anzahl verbotener Stöße; darum könnte man glauben, nicht einem Spiel von sportlichem Charakter beizuwohnen, dessen Regeln nur ein ziemlich weitmaschiges Rahmennetz bilden, sondern einem magischen Unternehmen von peinlichst geordnetem Ablauf, wo die Probleme der Etikette, des Stiles, die unmittelbaren Auswirkungen zurückdrängen. Auf Seiten des Publikums bemerkt man, daß der Tötungsakt sich in einer Atmosphäre eindeutiger Feierlichkeit vollzieht. Ob der Matador mit Beifall bedacht wird, wenn er als tapferer Mann und zugleich als großer Künstler gearbeitet hat, oder ob er mit Pfiffen und Entrüstungsrufen von denen überhäuft wird, die ihm zum Vorwurf machen, er habe nicht getötet, wie es der Anstand vorschreibt, sondern nur einfach abgeschlachtet; ob man dem Stier applaudiert, weil er sich tapfer aufgeführt hat, oder ihn schmäht, wenn er Feigheit zeigt: das ändert nichts daran, daß die Haltung des Publikums in diesem Augenblick eine religiöse Haltung ist, angesichts des Todes, den ein Geschöpf erleiden soll, und dafür dürfte wohl auch die Tatsache sprechen, daß auf manchen plazas alle sich erheben, sobald das Tier zusammenbricht, und sich erst wieder setzen, wenn der nächste Stier in die Bahn gelassen wird.  - (leiris3)
 
 

 Ernst Fesr

 

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