eierabend
Da sitzen sie nun friedlich in Frau Duplays guter Stube und beschließen
einen langen, arbeitsreichen Tag. Die Frauen haben eine Handarbeit vorgenommen,
Mutter sorgt für Erfrischungen, Elisabeth ist recht nahe an Lebas herangerückt,
und Eleonore kann den Blick nicht von Robespierre lassen, der ihr manchmal freundlich
und gemessen zunickt. Die Männer plaudern ruhig und gedämpft miteinander. Der
Tag ist zu Ende, ein Tag wie alle anderen. Ein jeder hat seine Arbeit getan,
seine Pflicht erfüllt und ruht nun aus in dieser traulichen Luft. Der eine hat
als Geschworener im Laufe des Nachmittags zwölfmal für den Tod gestimmt und
sich redlich Mühe gegeben, die einzelnen Angeklagten auseinanderzuhalten, der
andere hat eine Guillotine nach Nantes verfrachten lassen oder hat Denunziationen
gesichtet oder hat Vermögen von Hingerichteten beschlagnahmt oder hat Listen
von Verdächtigen gemacht. Sie alle haben in der schrecklichen Werkstatt des
Todes gearbeitet, die Terror heißt. Sie haben die entsetzten, ganz und gar fassungslosen
Blicke von Menschen, die sterben sollen, auf sich gespürt, sie haben das Jammern
der Schwachen, den Aufschrei der Verzweifelten gehört und das Schweigen der
Starken gesehen, sie haben vor dem Verlassen des Amtsgebäudes noch einen flüchtigen
Seitenblick in jenen halbdunklen, vom ewigen Weinen erfüllten Raum geworfen,
in dem der Gehilfe des Henkers den verurteilten Frauen
die Haare abschneidet. - Friedrich Sieburg, Robespierre. München
1965 (zuerst 1935)
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