eitgenosse  Was am unmittelbarsten wirkte während der ganzen Woche, das war Don Juans sofort erkennbare Gleichzeitigkeit mit ihr, der anderen, die sich so auf den ersten Blick nicht mehr als die andere erlebte, gleichwie auch ihn, den fremden Mann, nicht mehr als den anderen. Wenn die Frau einer Sache vertraute, so dieser Gleichzeitigkeit. Es war darauf Verlaß: im Verlauf der weiteren Begebenheiten würden sie zwei beständig simultan sein oder handeln. Ihre Gebärden und Wendungen wären ebenso die seinigen. Sie und er hätten einen vollkommen übereinstimmenden Zeitsinn. In Don Juan, käme ihr ein Name für ihn in den Sinn, dann keinesfalls dieser — traf die Frau auf ihren Zeitgenossen. - Peter Handke, Don Juan (erzählt von ihm selbst) Frankfurt am Main 2006 (st 3739, zuerst 2004)

Zeitgenosse (2)  Wie sollte ein mittelmäßiger Schriftsteller daran gehindert werden, sich für einen großen Schriftsteller zu halten? Und wer sollte ihm den Neid und die Aggression auf einen Zeitgenossen nehmen können, den die Natur besser begabt hat als ihn? So ist es, scheint mir, unmöglich, von Zeitgenossen objektive Kriterien zu verlangen. Zeitgenossenschaft bedeutet rigorose Drängelei zur Erlangung aller Lebensideale, und da der Durchschnitt die statistische Majorität der Sache ausmacht, werden es die Ausnahmen immer schwer haben, sich als Minorität durchzusetzen.

Konnte man von Graf Stolberg verlangen, daß er sich vor dem Genie Goethes minderwertig fühlte? Konnte man von Kotzebue verlangen, daß er Schiller über sich anerkannte? Dies widerspräche dem subjektiven Wertgefühl und damit der Lebensgrundlage auch der Mittelmäßigen.

Der Zufall ist grausam, und der freie Wille versucht diese Grausamkeit wettzumachen. Dies zum Kollegenneid, der viele große Kollegen versteckt gehalten oder niedergetrampelt hat.  - Hartmut Lange, Aus dem Tagebuch eines Melancholikers. In: Tintenfass 7, Zürich 1983

 

Gleichzeitigkeit

 

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