irtin   Die Wirtin, alt und gebrechlich, war kaum noch imstande, das Hauswesen zu versehen, das durch eine kleine Menagerie noch kompliziert wurde. Sie betreute einen Papageien und eine ungewöhnliche Menge Katzen, nach denen es schon im Hausflur roch. Wenn jemand in der Umgebung ein Kätzchen loswerden wollte, setzte er es heimlich nach Kuckucksart vor ihre Tür und brachte die Greisin in Gewissenskonflikte, die damit endeten, daß sie den Findling zu den übrigen nahm.

Das und noch andere Gründe hatten zur Folge, daß die Mieter oft wechselten. Schon die Wahl des Ortes wies daraufhin, daß entweder wenig Heikle oder Irreguläre dort einzogen. Die Alte, der auch die Inflation täglich zusetzte, mußte sich mit den Typen abfinden. Zuweilen war sie auf die unheimliche Art abwesend, in der Greise kaum noch von Gespenstern zu unterscheiden sind. Entsprechend stellte sich das Bezügliche ein. So war kurz vor mir oder nach mir, ich kann mich nicht genau erinnern, ein schon überalterter Referendar eingezogen, ein beleibter Dreißiger mit Glatze und schwarzem Vollbart à la Sudermann. Zu seinen Absonderlichkeiten zählte, daß er nachts, wenn er nicht einschlafen konnte, nackt im Flur auf- und abwandelte. Dieser Flur war nach Art solcher Wohnungen mit allerlei Möbeln bestellt, unter denen die Katzen sich wohlfühlten. Eines Nachts, als die Alte, die gleichfalls nicht schlafen konnte, ihren Kleiderschrank öffnete, wurde sie durch den Anblick des bärtigen Nackten, der dort zu meditieren pflegte, bis zur Ohnmacht erschreckt. - Ernst Jünger, Annäherungen. Drogen und Rausch. Frankfurt am Main u.a. 1980 (zuerst 1970)

Wirtin (2)   Ich bin immer gern mit Papa mitgefahren, nach der Schule ging ich mit ihm auf Tour, und vor allem in den Ferien, jeden Tag fuhr ich mit Papa die Gastwirtschaften im Kreis Nymburk ab, ich kannte sie schon auswendig, aber immer wieder verblüffte mich das Wirtshaus Zur Stadt Kolin in Lysä, denn die Wirtin dort war so ordinär, daß Papa rot wurde, sie lachte, winkte ab und schob alles beiseite, all die Sorgen um das Bier und um die Steuern. Und ich saß im Schankraum, in den die Sonne schien und wo ein großer Asparagus und eine Nähmaschine waren, trank eine rote Limonade nach der anderen und dazwischen eine gelbe Limonade und hörte mir mit Vergnügen die verbotenen ordinären Ausdrücke der Frau Wirtin an, und wenn sie in den Schankraum kam, um mir eine weitere Limonade mit Kippverschluß zu geben, streichelte sie mich, und wenn sie mich ansah, hatte sie schöne Augen, in denen ich völlig versank.   - Bohumil Hrabal, Mein Liben. In: B. H., Leben ohne Smoking. Frankfurt am Main 1993
 
 

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