latze  Ein Mensch mit großer breiter Glatze hat eine starke Wärme in sich. Und diese Hitze und der Kopfschweiß werfen die Haare herab; doch ist die Feuchtigkeit des Atems eines solchen Mannes fruchtbar und macht das Fleisch, wo der Bart wächst, naß, sodaß sich dort sehr viele Haare erhehen. Der Mensch jedoch, der nur wenig Haare am Barte, viele aber am Scheitel hat, ist kalt und etwas unfruchtbar, und wenn sein Hauch das Fleisch um seinen Mund berührt, so macht er es unfruchtbar.

Fallen einem Menschen die Haare in Kahlheit aus, so können sie durch keinerlei Heilmittel wiederhergestellt werden, weil eben die Feuchtigkeit und die grünende Kraft, die er zuvor in der Kopfhaut, d.i. im »Hirnschädel« (hirneschädele) hatte, bereits vertrocknet ist. Hier kann sich kein frisches Grün mehr erheben, und so werden auch die Haupthaare dort nicht wieder geboren. Und so kommt es sehr oft, daß, wer eine große, breite Glatze hat, auch einen großen breiten Bart hat ... - (bin)

Glatze (2) Immer zu früh, verursacht durch jugendliche Ausschweifungen oder durch das Wälzen großer Gedanken. - (fla)

Glatze (3) Kommt einer sich glatzköpfig vor, wird er Freunde und Kapital verlieren. - (byz)

Glatze (4)

Es sagen mir die Mädchen:
Anakreon, du alterst.
Den Spiegel nimm und siehe,
Du hast das Haar verloren;
Ganz kahl ist deine Stirne. —
Ob ich noch Haare habe,
Ob sie mir ausgegangen,
Ich weiß es nicht; doch weiß ich,
Daß holde Lust und Lachen,
Je näher kommt das Ende,
So mehr den Alten ziemet.

-  Anakreontische Lieder, Übs. Eduard Mörike

Glatze (5)  Galba wurde erstochen am Lacus Curtius und blieb hier, so wie er war, liegen, bis ein gemeiner Soldat, der gerade vom Proviantfassen zurückkehrte, seine Last ablegte und ihm den Kopf abhieb. Da er ihn wegen der Glatze nicht beim Schopf fassen konnte, barg er ihn in dem Schoß seines Mantels. Dann zwängte er seinen Daumen in den Mund und brachte ihn so zu Otho. Dieser schenkte das Haupt den Marketendern und Troßknechten, die es auf einen Spieß steckten und unter allerlei Witzen im Lager umhertrugen, wobei sie wiederholt riefen: „Galba, du Liebesgott, jetzt genieß dein Alter!" Zu diesem frechen Witz waren sie besonders dadurch gereizt worden, daß einige Tage zuvor im Publikum bekanntgeworden war, der Kaiser habe jemandem, der seine äußere Erscheinung als noch recht blühend und lebenskräftig pries, mit den Homerischen Worten erwidert:

Noch fühl' ich das Mark in den Knochen.

Von ihnen kaufte den Kopf ein Freigelassener des Patrobius Neronianus für hundert Goldstücke und warf ihn auf die Stelle hin, wo sein Patron auf Galbas Befehl hingerichtet worden war. Sehr spät erst bestattete Galbas Hofmeister Argivus den Kopf wie den Rumpf seines Herrn in dessen Privatgärten an der Aurelischen Landstraße. - (sue)

Glatze (6)  Die Adler packen die Landschildkröten und lassen sie aus der Höhe auf Felsen fallen. Dann zerbricht der Panzer, und sie können das Fleisch herausholen und verzehren. Auf diese Weise ist, wie ich höre, der Tragödiendichter Aischylos aus Eleusis ums Leben gekommen. Aischylos saß auf einem Felsblock und sinnierte wie gewöhnlich und machte sich Notizen. Nun hatte er eine Glatze, und so hielt ein Adler seinen Kopf für einen Stein. Er ließ die Schildkröte, die er in den Fängen hielt, heruntersausen. Das Geschoß traf den Dichter und tötete ihn.  - (ael2)

Glatze (7)

"Kahle Intellektuelle"

- Reiner Zimnik, Winterzeichnungen. In: Das Tintenfaß. 10. Jahrg., 24. Folge. Zürich 1974 (Diogenes)

Glatze (8)   Auf dem Sitz des zertrümmerten Wagens lag im Staube ein kahlköpfiger alter Mann mit vornehmem Gesicht und einer großen Nase. Er starrte gerade auf Augustus, war aber so totenbleich und lag so regungslos, daß Augustus zweifelte, ob er nicht wirklich tot sei. »Darf ich Ihnen behilflich sein, mein Herr?« sagte Augustus. »Sie haben einen schrecklichen Unfall gehabt, aber hoffentlich haben Sie sich nicht ernstlich verletzt.« Der alte Mann blickte ihn immer noch mit verwirrten Augen an. Eine stämmige junge Frau, die gegenübergesessen, war auf ihre Hände und Knie zwischen Kissen und Schachteln gestürzt. Sie begann sich mit lautem Wehgeschrei aus dem Durcheinander zu befreien. Der alte Mann blickte sie an. »Setz mir den Hut auf«, sagte er. Die Zofe, Augustus erkannte sie nun als solche, fand nach einigem Herumwühlen einen breiten Hut mit Straußenfedern und setzte ihn dem alten Kahlkopf umständlich auf. Innen war eine Fülle von Silberlocken befestigt, und im Nu verwandelte sich der alte Mann in eine vornehme alte Dame, deren Aussehen Achtung gebot. Scheinbar gab ihr der Hut ihr Gleichgewicht wieder. Sie hatte sogar noch den Schatten eines feinen und dankbaren Lächelns für Augustus übrig. - (blix)

Glatze (9)

- Roland Topor

Glatze (10)

- N.N.

Glatze (11)   Der fahie Wanst hatte gesiegt, Anselm mußte zuhören, offenbar war der also Haarwuchsspezialist, erörterte nun seine eigene Glatze, Alopezien, sagte Er, also Glatzenbildungen, sagte Er, sind zurückzuführen auf zuviel männliche Hormone, das Androgene, sagte Er, verstehen Sie, zum Beispiel, und deutete kühn mit einem fetten Zeigefinger auf seine Blöße, Aristoteles, sagte Er, Sie kennen ihn, sagte Er, den griechischen Philosophen, wissen Sie, was der sagt? nur Eunuchen und Frauen kriegen keine Glatze! so ist das nämlich, zuviel Männlichkeit und schon hat man die Glatze, glauben Sie's nicht? Doch, doch, Sie glaubt es gern. Sonst müßte Er es ihr beweisen. Sie lacht laut-schnelleindeutig.  - Martin Walser, Das Einhorn. Frankfurt am Main 1966

Haarlosigkeit Frisur
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